"Alles spricht dafür, dass Ostdeutschland in den nächsten 25 Jahren nicht aufholen kann", sagte der stellvertretende Leiter der Ifo-Niederlassung Dresden, Joachim Ragnitz, am Donnerstag bei einem Vortrag in Tutzing. "Die Konvergenz zwischen Ost- und Westdeutschland im Sinne der Wirtschaftsleistung ist bereits vor zwanzig Jahren zum Stillstand gekommen." Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner verharre seit 1995 bei 75 Prozent des westdeutschen Durchschnitts. "Wir sollten von der ohnehin illusorischen Vorstellung einer Angleichung der Lebensverhältnisse Abstand nehmen", sagte Ragnitz.

Diese Äußerung stieß bei der Ostbeauftragen der Bundesregierung, Iris Gleicke, auf Kritik. "Denn daraus könnte man locker ableiten, dass die weitere Fortsetzung einer intensiven Ostförderung sowieso zum Fenster rausgeschmissenes Geld ist", sagte die SPD-Politikerin. sie forderte einen fairen Bund-Länder-Finanzausgleich. Nach dem Ende des Solidarpaktes, der noch bis 2019 läuft, bedürfe es zudem einer vernünftigen Förderung der strukturschwachen Regionen in Ost- und Westdeutschland. Von 2005 bis 2019 erhalten die ostdeutschen Länder und Berlin durch den Solidarpakt 156 Milliarden Euro.

Die anhaltenden Unterschiede haben dem Ifo-Experten zufolge kurzfristig kaum zu behebende strukturelle Ursachen, etwa das Fehlen hochproduktiver Großunternehmen in Ostdeutschland. Dafür ist früheren Ifo-Analysen zufolge vor allem die Politik der schnellen Lohnangleichung verantwortlich. "Heute dämpfen Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung die wirtschaftliche Dynamik", sagte Ragnitz. "Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich in den ostdeutschen Ländern eine ganze Reihe von erfolgreichen Unternehmen etabliert haben und dass einzelne Wachstumspole wie Dresden, Leipzig, Jena, Berliner Umland durchaus positive Perspektiven aufweisen."

Werde der Lebensstandard im Sinne der Nettoeinkommen je Kopf miteinander verglichen, falle der Abstand zwischen Ost und West geringer aus. Grund hierfür sei die Umverteilung über das Steuer- und Transfersystem, von dem Ostdeutschland überproportional profitiere.

Reuters