Gepanzerte Militärfahrzeuge seien an einer Meerenge aufgefahren, wo Fähren die Krim mit dem nur 4,5 Kilometer entfernten russischen Festland verbinden. Im ost-ukrainischen Donezk besetzten pro-russische Demonstranten Teile eines Gebäudes der Regionalregierung. Westliche Politiker arbeiteten unterdessen fieberhaft an einer Entschärfung der Krise. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beriet über die Einrichtung einer Kontaktgruppe, die in dem Konflikt vermitteln könnte. Der russische Präsident Wladimir Putin stimmt dem zu, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem Telefonat der beiden mitteilen ließ. Die EU-Außenminister kamen zu einer Krisensitzung zusammen.

Russische Kampfflugzeuge drangen nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Kiew in der Nacht zum Montag zwei Mal in den ukrainischen Luftraum über dem Schwarzen Meer ein. Ukrainische Abfangjäger seien aufgestiegen und hätten "provokative Aktionen" verhindert. Auf der Krim war die Lage weiter gespannt. "Jenseits der Meerenge sind Radpanzer aufgefahren", sagte ein Sprecher der ukrainischen Grenzschützer. "Wir wissen nicht, ob sie sie auf die Fähre laden werden." Russland blockiere in einigen Gegenden der Krim das Handy-Netz. Vor Sewastopol, dem Heimathafen der Schwarzmeerflotte, manövrierten den Angaben zufolge zahlreiche russische Kriegsschiffe.

JAZENJUK - WERDEN DIE KRIM NIEMALS AUFGEBEN

Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk bekräftigt den Anspruch seines Landes auf die Krim. Die Ukraine werde die Halbinsel niemals aufgeben, sagte er der Nachrichtenagentur Interfax. Aber nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich gerät die Ukraine immer stärker unter Druck: Der russische Konzern Gazprom prüft nach Angaben seines Finanzvorstandes eine Preiserhöhung für Gaslieferungen ab April. Die Ukraine steht kurz vor dem Staatsbankrott und ist völlig von russischen Gaslieferungen abhängig. Offenbar in Erwartung höherer Preise nimmt die Ukraine nach Angaben von Uktransgas derzeit doppelt so viel Gas von Russland ab wie vor einem Jahr.

Die Bundesregierung erklärte, der Westen könnte der Ukraine bei der Begleichung ihrer Schulden bei Gazprom helfen. Die Gasspeicher in Deutschland selbst sind nach Angaben des Wirtschaftsministeriums gut gefüllt. Es gebe keinen Anlass zur Sorge, sagte eine Sprecherin. Die ukrainische Firma Uktransgas versicherte, sie werde russisches Erdgas durch ihre Pipelines wie üblich an das restliche Europa weiterleiten. Die Gruppe der sieben führenden Industrienationen (G7) Staaten stellte der Ukraine wirtschaftliche Hilfe in Aussicht. Das Land müsse jedoch die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) angemahnten Reformen umsetzen, erklärten die USA, Deutschland, Japan, Kanada, Frankreich, Italien und Großbritannien.

Der G8-Gipfel im Juni steht unterdessen wegen der Krise in der Ukraine infrage. Die G7 verurteilte das Vorgehen Russlands auf der Krim als Verstoß gegen die Souveränität der Ukraine und stoppte die Vorbereitungen für den G8-Gipfel, der im russischen Schwarzmeer-Kurort Sotschi stattfinden soll. In dessen Nähe waren zuletzt die Olympischen Winterspiele ausgetragen worden. Als G8 werden die G7-Staaten plus Russland bezeichnet.

STEINMEIER WARNT VOR SPALTUNG EUROPAS

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bezeichnete die Entwicklung in der Ukraine als schwerste Krise seit dem Mauerfall. "Die Gefahr einer Spaltung Europas ist real", warnte er am Rande des Krisentreffens der EU-Außenminister in Brüssel. Russlands Aktivitäten, vor allem die militärischen, seien inakzeptabel. Aber auch die ukrainische Regierung müsse die Minderheitenrechte vor allem in der Ost-Ukraine beachten. Merkel hatte sich zuvor nach Angaben der Bundesregierung auch mit US-Präsident Barack Obama auf die Bildung einer Kontaktgruppe verständigt. Obama telefonierte zudem mit dem britischen Premierminister David Cameron und dem polnischen Präsidenten Bronislaw Komorowski, wie sein Büro in der Nacht bekanntgab.

Der britische Außenminister William Hague äußerte die Sorge, Russland könne auch in weiteren Teilen der Ost-Ukraine eingreifen. Er sprach von der größten Krise in Europa im 21. Jahrhundert und forderte Russland auf, seine Truppen in die Kasernen zurückzubeordern. China dagegen steht nach Angaben des russischen Außenministers Sergej Lawrow auf Seiten Russlands. Lawrow habe mit seinem chinesischen Kollegen über die Lage in der Ukraine gesprochen, erklärte die Regierung in Moskau. Die Politiker stimmten in ihrer Einschätzung überein.

KRISE LASTET SCHWER AUF DEN AKTIEN-MÄRKTEN

Russland hatte in den vergangenen Tagen die Kontrolle über die Halbinsel Krim übernommen. Die Regierung in Moskau hat dies damit begründet, nach dem Machtwechsel in Kiew die Russen in der Ukraine schützen zu müssen. Die neue ukrainische Regierung spricht dagegen von einer Invasion. Ihren Angaben zufolge sind ihre Soldaten an mindestens drei Orten von russischen Truppen umzingelt. Das russische Militär ist der ukrainischen Armee haushoch überlegen.

Die Krise belastet auch zunehmend die Finanzmärkte. Die Furcht vor einem Krieg trieb Anleger in "sichere Häfen". Sie verkauften europäische Aktien in großem Stil. Der russische Aktienmarkt brach um mehr als zehn Prozent ein, Dax .GDAXI und EuroStoxx50 .STOXX50E verloren zeitweise jeweils mehr als zwei Prozent. Der Gold XAU=-Preis stieg im Gegenzug auf ein Vier-Monats-Hoch.

Reuters