Das Barometer für die ZEW-Konjunkturerwartungen sank überraschend kräftig um 18,5 auf 8,6 Punkte und damit so stark wie seit gut zwei Jahren nicht mehr, wie das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag zur Umfrage unter Investoren und Analysten erklärte. Das ist der tiefste Stand seit Dezember 2012. "Ganz klar: Die Sorgen um das Wachstum in Deutschland und der Euro-Zone sowie die Eskalation in der Ost-Ukraine machen die Finanzmärkte nervös", sagte Christian Schulz von der Berenberg Bank.

Von Reuters befragte Ökonomen hatten nur einen Rückgang auf 18,2 Zähler erwartet. An den Finanzmärkten weitete der Dax seine Verluste aus und der Euro fiel auf ein Tagestief von 1,3344 Dollar.

Das ZEW begründete die Daten damit, dass "die anhaltenden geopolitischen Spannungen mittlerweile spürbare Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft zeigen". Wegen unsicherer Absatzperspektiven hielten sich die Firmen mit Investitionen zurück. "Weil auch die Konjunktur im Euro-Raum nicht richtig in Fahrt kommt, ist zu befürchten, dass das Wirtschaftswachstum in Deutschland 2014 weniger stark ausfallen wird als bislang erwartet". Viele Banken und Ökonomen haben ihre Prognosen von bis zu zwei Prozent bereits gesenkt.

Dem stark in Osteuropa engagierten Konsumgüterkonzern Henkel drohen zum Beispiel wegen der Ukraine-Krise deutliche Geschäftseinbußen. Der Hersteller von Pritt und Persil erwarte "negative Einflüsse auf das Marktumfeld", räumte Henkel-Chef Kasper Rorsted ein. Henkel sei mit den schwersten politischen Turbulenzen der vergangenen zehn Jahre in Osteuropa konfrontiert.

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KONJUNKTURDELLE IM ZWEITEN QUARTAL

Die Konjunktur verlor nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministeriums im abgelaufenen Quartal an Schwung. Vor allem der Russland/Ukraine-Konflikt, aber auch die Entwicklungen im Nahen Osten führten demnach zu verstärkter Verunsicherung und "damit auch zur Zurückhaltung bei unternehmerischen Entscheidungen". Im Monatsbericht des Ministeriums hieß es weiter: "Die gesamtwirtschaftliche Leistung der deutschen Wirtschaft dürfte sich im zweiten Quartal abgeschwächt haben."

Das Ministerium äußerte sich nicht dazu, ob dies ein Schrumpfen des Bruttoinlandsproduktes signalisiert. Ökonomen gehen im Schnitt davon aus, dass die Wirtschaftskraft zwischen April und Juni nur stagniert haben dürfte, viele erwarten sogar ein Minus. Das Statistische Bundesamt veröffentlicht die Daten am Donnerstag. Zu Jahresbeginn war Europas größte Volkswirtschaft noch um 0,8 Prozent gewachsen, wozu auch der milde Winter beitrug und die Baubranche anschob.

"Die konjunkturelle Aufbruchstimmung ist dahin", sagte Analyst Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe. "Einen Konjunktureinbruch müssen wir nicht fürchten, aber Abstriche beim Wachstum hinnehmen." Arbeitgeber-Präsident Ingo Kramer sorgte sich vor allem um schwächelnde Aufträge, betonte aber ebenfalls: "Wir stehen nicht in der Gefahr einer Rezession."

Viele Experten warnten davor, das ZEW-Barometer überzubewerten. Der Index sei oft sehr schwankungsanfällig, sagte Schulz. "Er zeigt ganz gut Wendepunkte an, aber nicht, wie stark eine konjunkturelle Abkühlung ist." Die vom Mannheimer Institut befragten 222 Experten beurteilten auch die Lage deutlich skeptischer. Dieser Teilindex brach unerwartet ein - um 17,5 auf 44,3 Zähler.

Reuters