Vor zwei Wochen war hier zu lesen: "Vorsichtige Naturen warten mit Investments lieber den Tag der Brexit-Entscheidung ab." Wer diesen Rat beherzigt hat, tat gut daran. Es ging ja erst mal ordentlich abwärts. Und: Bei nüchterner Betrachtung der Börsenaktivitäten seit dem bedeutungsschweren Entscheid scheint klar - der damals erwähnte Aspekt des "Abwartens", der gilt immer noch.

Es ist ja eine zweischneidige Angelegenheit. Der Sell-off erscheint einem fast wie ein Geschenk der Götter! Wer langfristig orientiert ist, der kann in diesen Tagen sein Depot zu günstigen Preisen aufstocken. Ein Warren Buffett dürfte seine helle Freude haben. Allerdings - und das ist das große Aber - ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass die Korrektur noch nicht vorbei ist. Was verschiedene Gründe hat.

Zum einen muss man differenzieren: Naturgemäß hat der Brexit stärkere Auswirkungen auf den europäischen Aktienmarkt als auf den amerikanischen. Wer es weniger volatil mag, kauft daher US-Aktien. Generell gilt aber, dass die Risikoprämien für Aktien seit dem Entscheid drastisch gestiegen sind. Es kommt einem fast ein wenig so vor, als habe man es mit einer leicht abgewandelten Wiederholung des europäischen Theaters des Jahres 2011 zu tun. Damals mit Griechenland als Protagonist, jetzt eben mit Großbritannien.

In den USA wiederum, da schienen die Dinge vor dem Brexit-Entscheid ja gar nicht so schlecht zu stehen. Indikatoren wie der ISM-Einkaufsmanagerindex, die Investitionsausgaben und das Konsumverhalten hatten sich allesamt ganz ordentlich entwickelt. Zudem geht es mit den Gewinnen der Unternehmen weit besser aufwärts als zuvor erwartet. Alles Aspekte, die eher für steigende Kurse sprechen. Es gibt sogar Stimmen, die meinen, dass der Brexit den USA nur nützen könne. Wohlstand basiert bekanntlich auf Ideen und auf Menschen, die diese Ideen entwickeln. Und schon immer waren die USA großartig darin, Talente aus aller Welt zu integrieren und der Wirtschaft damit immer wieder einen Kreativitätsschub zu verpassen. Das könnte nun umso mehr der Fall sein, wenn die EU durch die hausgemachten Querelen und Zwistigkeiten zu einem immer unsichereren Standort werden sollte.

Gleichzeitig ist der Brexit-Schock aber ein globales Ereignis, das dazu geführt hat, dass weltweit risikobehaftete Anlagen verkauft und vermeintlich "sichere Häfen" angesteuert wurden - US-Dollar, Gold, deutsche Staatsanleihen. Sogar als Aktien in den zurückliegenden Tagen sich etwas von dem Schock erholt hatten, ging das Umschichten in risikolosere Investments weiter. Die Kombination einer etwas zu schnellen Erholung am Aktienmarkt mit dem gleichzeitigen Kursanstieg sicherer Anlagealternativen könnte ein Indiz dafür sein, dass die Korrektur - wie eingangs erwähnt - noch nicht zu Ende ist. Gleichzeitig steigen aber auch die Preise für Industriemetalle, was wiederum ein gutes Zeichen für eine eigentlich ganz ordentlich laufende Konjunktur ist. Nicht einfach das Ganze also - aber so ist Börse nun mal.

Was also tun angesichts der nicht gerade ausgewogenen Gemengelage? Vorsichtige Naturen warten ab, bis sich die Volatilität gelegt hat. Der Boden scheint noch nicht stabil genug zu sein für einen tragfähigen Anstieg. Wer dagegen langfristig orientiert ist und wem Schwankungen so gar nichts anhaben können, der handelt mal ganz opportunistisch und greift an schwachen Tagen zu. Vielleicht ja auch mal am US-Aktienmarkt (dazu mehr in der kommenden Woche).

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com