Manchmal kommt einem Unerwartetes dazwischen. So etwa vergangene Woche. Da standen die Dinge doch gar nicht mal so schlecht, auf dass die Jahresendrally endlich ihren Lauf nimmt - schon macht einem das FBI einen Strich durch die Rechnung, die Bundespolizei der Vereinigten Staaten also. Die nämlich unternimmt ganz eifrig neue Anstrengungen, um etwas mehr Licht ins Mail-Durcheinander der US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton zu bringen. Und das so kurz vor der Wahl. Daraufhin purzelten deren Umfragewerte, und die Stimmung an der Börse kippte. Zusammenhänge gibt es!

Die Börse scheint demnach Clinton für die wohl verlässlichere Partie für das US-Präsidentenamt zu halten als ihren Widersacher Donald Trump. Doch wie auch immer. Rein aus Börsianersicht kann man froh sein, wenn der Termin demnächst abgehakt ist - an den Finanzmärkten braucht es eben dann doch eine gewisse Klarheit. In wenigen Tagen, am 8. November, ist es ja so weit.

Letztlich hat es das FBI also geschafft, dass die US-Börse in diesem nervigen Seitwärtstrend auch weiterhin gefangen bleibt - wir haben es in den zurückliegenden Wochen ja oft genug beklagt. Schon seit Juli geht es weder ordentlich nach oben noch ordentlich nach unten. Doch es wird wohl bald einen klaren Richtungsentscheid geben. Stichwort: Wahl.

Um fair zu bleiben: Es war nicht nur das Gebaren des FBI, das für Unruhe an den Märkten gesorgt hat, sondern auch die Bewegung an den Anleihemärkten weltweit. Denn mit den Zinsen geht es nun schon seit einiger Zeit nach oben - natürlich in den USA, wo man ja auf die Leitzinswende wartet, aber auch in Großbritannien oder in Deutschland, wo dies nicht der Fall ist. Der Hauptgrund für die steigenden Renditen scheinen die tatsächlich steigenden Inflationserwartungen zu sein, also das, worauf die Notenbanken so sehnlichst gewartet haben.

Kein Angst vor der Zinswende



Tendenziell und langfristig sind steigende Zinsen natürlich problematisch für die Entwicklung an den Aktienmärkten, die Vergangenheit hat dies immer wieder gezeigt. Allerdings, und auch das lehrt die Erfahrung, sind fallende Aktienkurse zu Beginn eines Zinserhöhungszyklus in der Regel nicht der Fall. Meist laufen die Börsen weiter. Mit gutem Grund, signalisiert eine Zinswende ja schließlich auch, dass es den Unternehmen gut geht und dass die Konjunktur ordentlich läuft oder zumindest Fahrt aufnimmt. Und vielleicht ist Letzteres ja tatsächlich der Fall. Ein US-Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent im zurückliegenden Quartal ist schließlich überzeugend. Und auch vorlaufende Indikatoren wie etwa die Einkaufsmanagerindizes zeigen nach oben.

Gleichzeitig bleibt die Zinsstruktur-kurve steil, was ebenfalls ein Zeichen für eine gute Konjunkturentwicklung ist. Weitere Indizien für einen zyklischen Aufschwung liefern die Preise für Industriemetalle. Die sind zuletzt deutlich gestiegen. Und das, obwohl der Dollar im Vergleich zu den wichtigsten anderen Währungen der Welt eher schwächelt - normalerweise sollten die Rohstoffpreise in so einem Fall ja eher fallen. Zumindest sieht so die Korrelation im Normalfall aus.

Was also tun? Ganz einfach: geduldig bleiben. Die neuesten Quartalsergebnisse der US-Unternehmen sind ermutigend, die Zinsentwicklung alles andere als beunruhigend, und die politischen Unsicherheiten in den USA haben demnächst ein Ende. Zudem ist es so, dass die großen institutionellen Anleger das ganze Jahr über Aktien in Relation zu Anleihen eher gemieden haben - auch von dieser Seite könnte es also zu Kaufdruck kommen, wenn sich die Dinge tatsächlich zum Besseren wenden.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com