Was nicht heißen muss, wie zwei aktuelle Fälle zeigen, dass nicht bei Bedarf gewisse Gestaltungsspielräume verbleiben, nationalen Besonderheiten Rechnung zu tragen und eigene Wege in Form von Ausnahmeregelungen zu beschreiten.

So geplant einmal mehr im Zuge des Regierungsentwurfs zum 2. Finanzmarktnovellierungsgesetz (FiMaNoG), das der Umsetzung der überarbeiteten Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (MiFID II) dient. Er sieht aktuell im Gegensatz zu den Brüsseler Vorgaben einerseits einen Fortbestand der Ausnahmeregelung für den Fondsvertrieb nach §34f Gewerbeordnung vor. Danach dürfen freie Berater unter Aufsicht der Gewerbeämter und der Industrie- und Handelskammern auch zukünftig weiter Fondsanteile in- und ausländischer Anbieter vermitteln, so lange diese über eine Vertriebszulassung in Deutschland verfügen. Die Kreditwirtschaft hatte (wie man sich vorstellen kann) immer wieder in Stellungnahmen zum Gesetzentwurf für eine Abschaffung der Ausnahmeregelung plädiert.

Zum anderen hat man sich dazu entschlossen, neben jene drei Fälle, die Brüssel dazu anerkennt hat, Provisionskickbacks auch zukünftig weiter zu vereinnahmen (Stichwort: "Verbesserung der Beratungsleistung") noch ein weiteres Modell zu rücken: danach sind Kickbacks auch dann zulässig, wenn Anbieter ein "weitverzweigtes regionales Filialnetz unterhalten und damit ihren Kunden den Zugang zur Finanzberatung erleichtern". Der Schritt hat in den Augen vieler freier Berater und Vermögensverwalter (ebenso wenig überraschend) den Beigeschmack einer lobbyistisch beeinflussten Klientelpolitik.

Irgendwie erwecken die beiden Sonderwege den Eindruck eines salomonischen Urteils des Gesetzgebers, in dem er zum einen seine Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von Brüssel demonstriert, zum anderen aber auch arbeitsmarktpolitischen Gegebenheiten Rechnung trägt. Schließlich dürfen die unabhängigen Berater ebenso wie die Bankenwelt Privilege behalten, die für ihren jeweiligen Fortbestand in heutiger Form von großer Bedeutung sind. Im Fussball würde man von einem 1:1 sprechen, im Tennis von "deuce". Und der Anleger profitiert auch davon: der Fortbestand beider Fondsabsatzwege belebt den Wettbewerb. Dessen Preis-Leistungs-Druck rührt ohnehin eher von der Digitalisierung als vom Gesetzgeber her.

Björn Drescher ist Gründer des auf Fonds spezialisierten Finanzinformationsdienstleisters Drescher & Cie (www.drescher-cie.de).