von Robert Halver

Die Staatsschuldenkrise haben die Notenbanken mit geldpolitischer Gewalt gelöst. Die Beilegung dieser Krise war aber nur die Pflicht. Die deutlich schwierigere Aufgabe, sozusagen die Kür, ist die Lösung der Euro-Konjunkturkrise. Die EZB kann zwar ganzjährig den Weihnachtsmann spielen und den schuldenfrönenden Euro-Finanzministern endlos günstige Zinsen für ihre staatsschuldengetriebene Wirtschaftsförderung schenken. Aber ohne eine robuste Privatwirtschaft ist kaum ein nachhaltiger, sich selbst tragender Wirtschaftsaufschwung möglich. In Ermangelung wettbewerbsfähiger Standortbedingungen bleibt dies aber nur ein frommer Wunsch. Denn wo keine Wettbewerbsfähigkeit, da keine Unternehmensinvestitionen, da kein Arbeitsplatzaufbau, da kein Konsum und da keine Steuereinnahmen. Ein Teufelskreis also.

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"In Draghi we trust" oder Mario der Retter der Exportindustrie

Wettbewerbsfähigkeit wird in der Euro-Wirtschaft also nicht über den steinigen Weg von Strukturreformen - die Bürger der Eurozone wählen diese reformbegeisterten Politiker immer wieder ab - betrieben. Aber in Anlehnung an eine bekannte Arzneimittelwerbung könnte man doch fragen: Gibt es da nicht auch was von…der EZB? Ja, da gibt es was! Mit Abweichung von der früher bei Notenbankern noch üblichen, vorsichtigen, Panflöten-ähnlich säuselnden Rhetorik macht uns ihr Präsident heute mit viel Trommelwirbel immer wieder unmissverständlich klar, dass er den Euro gegenüber seinen anderen Exportkonkurrenzwährungen abwerten will. Euro-Produkte und -Dienstleistungen sollen währungsseitig zum billigen Jakob gemacht werden, damit diese bei uns und nicht bei anderen gekauft werden.

Wenn diese Währungsabwertungsstrategie klappt, hätten wir es mit einer angenehmen Alternative zu Reformen zu tun. Übrigens hätte man es mit einem Déjà-vu zu tun. Denn nach alter Väter Sitte war Währungsabwertung doch schon immer ein genialer Trick, mit dem reform- und rationalisierungsscheue Länder ihre geplagte Exportwirtschaft wieder auf Kurs brachten. Denken wir an die Vor-Euro-Zeit zurück: Italien z.B. hat die Wettbewerbssteigerung der deutschen Industrie regelmäßig durch locker aus der Hüfte geschossene Abwertungen der Lira gegen die DM egalisiert. Kann das, was damals richtig war, heute falsch sein?

Der bereits verbalerotisch eingeleitete, großflächige Ankauf von Euro-Staatsanleihen seitens der EZB soll genau diesem Zweck genügen. Aus dem QE - dem Quantitative Easing der Amerikaner - machen wir QEE: Quantitative Easing Eurozone. Wenn die EZB dann ihrem Namenskürzel gerecht wird - Einer Zahlt Bonds - und über nicht kleckernde, sondern klotzende Anleihenaufkäufe die Renditen nachhaltig noch weiter Richtung Nullgrenze drückt, sind Euro-Staatsanleihen für ausländische Investoren ebenso nachhaltig unattraktiv. So sollte es doch ein Leichtes sein, die Rendite 10-jähriger deutscher Staatsanleihen auch unter 0,5 Prozent zu drücken. Dann werden internationale Finanzinvestoren lieber z.B. in die höherrentierlichen US-Anleihen investieren, die über Währungsgewinne zum Euro auch eine schöne Zusatzrendite versprechen. Am besten wäre es, wenn Euro-Anleihen von ausländischen Investoren ähnlich gemieden würden wie Weihwasser vom Teufel.

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Schwache Energiepreise als willkommene Alibis für Euro-Staatsanleihenaufkäufe

Wunderbare Argumentationshilfen für umfangreiche Anleihenaufkäufe kommen von den Energiemärkten. Seit Jahresanfang sind Gas-und Ölpreise massiv gefallen, Öl um ca. 40 Prozent. Die Wohlfahrtstransfers, die viele öl- und gasfördernde Staaten früher anhand der hohen Ölpreise noch locker bezahlen konnten, sind angesichts der heutigen Energie-Schnäppchenpreise kaum mehr möglich. Daher ist die reale Gefahr gegeben, dass so mancher Petro-Dollar-Staatsfonds zur Aufrechterhaltung der sozialpolitischen Happy Hour bei jener Anlageklasse Kasse macht, bei der die dicksten Buchgewinne vorhanden sind: Bei Euro-Staatsanleihen. Ließe die EZB zu, dass daraufhin die Renditen von Italien, Spanien, aber auch Deutschland wieder an Attraktivität gewinnen, könnte sich der schöne Abwertungstraum schnell in einen bösen Aufwertungsalptraum verwandeln. Um traurige Blicke der Exportmanager zu verhindern, würde Mario Draghi diesem Trübsinn schnell ein Ende bereiten. Wo andere devestieren, da wird Mario investieren. Und sein Portemonnaie hat mit meinem wenig gemein, seines ist prall gefüllt.

Auf Seite 4: Aus dem bilateralen Währungskrieg zwischen Japan und der Eurozone könnte ein Währungsweltkrieg werden



Aus dem bilateralen Währungskrieg zwischen Japan und der Eurozone könnte ein Währungsweltkrieg werden

Ähnlich wie die Queen wird vor allem aber ein Land von den Außenwert drückenden Maßnahmen der EZB not amused sein. Japan steckt in der gleichen Konjunkturkrise wie die Eurozone und versucht ebenso seine Exportwirtschaft währungsseitig zu stützen. Daher kauft auch die Bank of Japan massiv Staatspapiere auf, um den japanischen Yen gegenüber anderen Handelswährungen schamlos zu drücken. Der Erfolg scheint der japanischen Notenbank Recht zu geben: Seit Jahresanfang hat der japanische Yen deutlich gegenüber der gesamten ausländischen Exportkonkurrenz verloren.

Von der Bank of Japan lernen, heißt also für die EZB siegen lernen? Ähnliche Abwertungserfolge wird auch die EZB anstreben. Jede über den Export mehr verkaufte eurozonale Maschine oder Dienstleistung wirkt auf die malade Euro-Wirtschaft wie ein Vitaminstoß.

Aber genau hier beginnt der Währungskrieg. Auf europäischen Druck erfolgt japanischer Gegendruck. Japan wird seine Handelsbilanz nicht durch eine Aufwertung des Yen gegenüber Euro in Gefahr bringen wollen. Die japanische Notenbank wird der EZB den Währungs-Fehdehandschuh hinwerfen und durch noch intensivere Käufe japanischer Anleihen noch mehr für die Yen-Abschwächung tun. Und darauf wiederum wird die EZB reagieren und darauf wieder die Bank of Japan. Beide Notenbanken werden sich gegenseitig mit Anleihenaufkäufen hochschaukeln.

Sollten zum Schluss beide Währungen gemeinsam gegenüber anderen Exportwährungen abwerten, werden Chinesen, Schweden, Südkoreaner, Schweizer, Amerikaner usw. - die außenhandelsseitig auch einiges zu verlieren bzw. über eine schlappe Währung viel zu gewinnen haben - zur Verteidigung ebenfalls in den Währungsabwertungswettlauf eintreten, der dann zum Abwertungsweltkrieg würde. Denn alle wollen exportieren.

Auf Seite 5: Die Finanzwelt ersäuft in Geld



Die Finanzwelt ersäuft in Geld

Aus dieser geldpolitischen Nummer kommen die Notenbank nicht mehr heraus. Denn wer nichts für die Abwertung seiner Währung tut, verliert den Währungskrieg durch Aufwertung. In der Theorie ist es nicht die Aufgabe von Notenbanken, reformfaulen Volkswirtschaften über Währungsabwertung die Last der Wettbewerbssteigerung abzunehmen. Doch in der Praxis ist genau dies der Fall. In der Konsequenz wird auch in den nächsten Jahren die geldpolitische Sintflut noch zunehmen.

Wir Anleger können uns jetzt über die verloren gegangene Stabilität der Geldpolitik grämen. Aber eins ist klar: Die Aktienmärkte werden sich über die Liquiditätshausse freuen. Sie ist kein Sprinter, sondern ein Dauerläufer, der läuft und läuft und läuft….

Und wenn sie nicht gestorben ist, dann läuft sie auch noch morgen.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.