Nach dem Siegeszug der auf einer Blockchain basierenden Kryptowährung Bitcoin ermöglichen technische Weiterentwicklungen die Schaffung sogenannter selbst ausführender Verträge. Dies gelingt dadurch, dass Transaktionen (zum Beispiel die Überweisung eines Betrags in einer Kryptowährung) vom Eintritt zuvor programmierter Bedingungen abhängig gemacht werden - die Rede ist von Smart Contracts. Die Ausführung dieser Smart Contracts erfolgt dabei auf den an einem Peer-to-Peer-Netzwerk beteiligten Rechnern, ohne dass es zentraler, kontrollierender Intermediäre bedarf (Treuhänder, Banken et cetera).

Der Vorteile solcher smarter Verträge: Gegenleistungsrisiken und Transaktionskosten werden gesenkt. Grund ist, dass der Eintritt der Bedingungen nicht manipuliert werden kann und Leistung und Gegenleistung damit garantiert sind. All dies soll Geschäfte besonders im Mikrotransaktionsbereich ermöglichen und erleichtern. Solche Geschäfte waren bislang aufgrund der hohen Kosten der Vertragsüberwachung oftmals nicht rentabel. Es liegt also nahe, dass sich der Einsatz von Smart Contracts zunächst auf jene Bereiche konzentriert, die bislang nur umständlich und mit großen Reibungsverlusten bedient werden konnten.

Betrachtet man sich die rechtliche Seite von Smart Contracts, so stellt man schnell fest, dass Anhänger der Technologie bei dem Gedanken frohlocken, dass zukünftig einzig der Programmcode Rechtswirkung entfalten könnte. Es bräuchte dann - so hoffen manche Entwickler - weder Anwälte noch Gerichtsvollzieher zur Erstellung und Durchsetzung der Smart Contracts. Die rechtliche Beziehung ergäbe sich einzig und allein aus dem Code - "Code is Law".

Dieser Ansatz hat mit der rechtlichen Wirklichkeit jedoch wenig gemein: Das "Code is Law"-Dogma steht im Konflikt mit dem teilweise zwingenden Recht in Deutschland. Ein Smart Contract kann die vom Gesetzgeber gezogene Grenze nicht überschreiten - ebenso wenig wie ein Vertrag auf Papier. Oder anders gewendet: Der Code ist nicht das einzige Law. Es gelten zusätzlich alle vom Gesetzgeber als zwingend angesehenen, nicht dispositiven Gesetze. Diesen können sich die Vertragsparteien auch nicht durch wie auch immer geartete Erklärungen im Programmcode verschließen. So wird ein Vertrag etwa nicht allein nach seinem Wortlaut (beziehungsweise im Fall eines Smart Contracts nach seinem Programmcode) beurteilt. Vielmehr sieht das Bürgerliche Gesetzbuch vor, dass sich der Inhalt eines Vertrags in jedem Fall nach dem Willen der Vertragsparteien bestimmt. Dazu sind auch die Begleitumstände des Vertragsschlusses bei der Auslegung des Vertrags heranzuziehen.

Smart Contracts spielen daher nur bei einem Teil eines Rechtsverhältnisses eine Rolle, zumeist bei der Leistungsdurchführung. Hier gilt es, neue rechtliche Herausforderungen zu meistern. So erweist sich beispielsweise der Automatismus der tatsächlichen Leistungserbringung durch den Smart Contract dort als Schwäche, wo er vom tatsächlichen Willen mindestens einer Vertragspartei abweicht. Für jene Fälle kann es im Einzelfall sinnvoll sein, im Algorithmus den Zugang für eine Art Schiedsstelle zu ermöglichen, auch wenn dies manchen Vorzügen der Blockchain zuwiderläuft.

Juristen müssen weiter offene Fragen im Bereich des Daten- und Verbraucherschutzrechts, des Wettbewerbs- und Kartellrechts sowie Fragen der Haftung für (fehlerhaft programmierte) Smart Contracts im Blick behalten. Entwickler sind grundsätzlich gut beraten, mit Anwälten zusammenzuarbeiten, um Lücken bei diesen Verträgen im Vergleich zum anwendbaren Recht zu schließen. Überdies ist sicherzustellen, dass auf Smart Contracts gestützte Rechtsbeziehungen unter Umständen auch rückabgewickelt werden und Gewährleistungsrechten zugänglich sein müssen. Dies führt zu einer Symbiose von Recht und Technik und erfordert interdisziplinäre Lösungsansätze.

Jörn Heckmann, Markus Kaulartz: Die beiden promovierten Anwälte sind spezialisiert auf die IT-rechtliche Beratung von Unternehmen bei der Entwicklung und Umsetzung innovativer Geschäftsmodelle sowie Digitalisierungsprozesse - vor allem im Bereich der Finanz- und -Versicherungswirtschaft. CMS Hasche Sigle ist eine deutsche Wirtschaftskanzlei mit mehr als 600 Anwälten und Steuer-beratern, die alle Gebiete des Wirtschaftsrechts abdecken.