von Christoph Bruns, Teilhaber und Vorstand bei der Loys AG

Das Börsenjahr 2015 beginnt ähnlich dynamisch, wie sich das alte Jahr verabschiedete. Bereits in den ersten drei Wochen knickte der Ölpreis um weitere knapp 20 Prozent ein, der US-Dollar erwischte einen Frühstart und ließ die 1,20er-Marke rasch hinter sich. Am Finanzmarkt ist immer häufiger von einer künftigen Parität zwischen Euro und US-Dollar die Rede. Wie schnell sich Paritäten einstellen können, hat der Schweizer Franken gezeigt, indem er zuletzt um 20 Prozent aufwertete.

Deutschland und seine Wirtschaft stehen derzeit und zehn Jahre nach den einschneidenden Hartz-IV Reformen recht robust da. Steuereinnahmen, Exporte und Beschäftigung markieren historische Höchstmarken, für das abgelaufene Jahr wird sogar ein ausgeglichener Bundeshaushalt gemeldet; die negativen Realzinsen für Bundeswertpapiere machen es möglich. Auch der boomende deutsche Immobilienmarkt sollte ebenso wie der Konsum von den fortgesetzt niedrigen Zinsen profitieren. Und für die Unternehmen, die sich ebenfalls zu einem nicht geringen Teil fremdfinanzieren, bedeuten die Minizinsen eine spürbare Entlastung beim Zinsaufwand. Freilich sollte man auch die Kehrseite der Minizinssituation nicht aus den Augen verlieren. Millionen von Zinssparern sind seit der großen Finanzkrise 2008 ihre Zinseinnahmen weggeschmolzen. Vieles deutet darauf hin, dass die damals begonnenen sieben mageren Zinsjahre sowohl eine Verschärfung als auch eine Verlängerung erfahren werden. So sind jedenfalls die diesbezüglichen Äußerungen von Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, zu verstehen.

Auf Seite 2: Die fälligen Konsequenzen aus der Nullzinspolitik



Zu den spannendsten Fragen des Jahres 2015 zählt deshalb das bisherige Rätsel, ob die deutschen Zinssparer endlich die überfälligen Konsequenzen aus der Nullzinspolitik ziehen und in attraktivere Anlageformen wie konservative Aktienfonds umschichten werden. Angesichts der erdrückenden Faktenlage zugunsten eines breit gestreuten und konservativ betriebenen internationalen Aktienfondsinvestments mit Dividendenrenditen, die mittlerweile sechsmal so hoch liegen wie die Renditen zehnjähriger und 30-mal so hoch wie die Renditen fünfjähriger Bundesanleihen, muss man es als enorme ökonomische Irrationalität werten, wenn dies nicht geschehen sollte.

Unterdessen entwickeln sich die purzelnden Energiepreise zu einem kleinen Konjunkturprogramm in jenen Ländern, die zu den Importeuren von Energierohstoffen zählen. China, Japan und die meisten europäischen Länder dürften ganz vorn auf der Liste der Profiteure stehen, während die klassischen Rohstoffländer wie Russland, Australien, Venezuela oder Saudi-Arabien erhebliche Einbußen werden hinnehmen müssen. Gemischt fällt die Ölbilanz in den USA aus, wo die Verbraucher im Jahr 2015 ungefähr 75 Milliarden Dollar an Treibstoffkosten einsparen werden. Auf der Gegenseite werden aber die amerikanischen Energieproduzenten - die USA sind inzwischen die größte Öl- und Erdgasfördernation der Welt - deutliche Einbußen erleiden. Die Ölzulieferindustrie hat bereits erste Entlassungswellen angekündigt.

Für ein zweites Konjunkturprogramm in der Eurozone sorgt der zuletzt deutlich gefallene Eurokurs. Jene Unternehmen und Länder, die hohe Exportüberschüsse mit Kunden außerhalb der Eurozone aufweisen, dürften vom rapiden Kursverfall der europäischen Gemeinschaftswährung besonders profitieren. Deutsche Unternehmen beziehungsweise ihre Eigentümer dürften entsprechenden Rückenwind durch diese Entwicklung erhalten. Hinzu kommt, dass die angekündigten Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank tendenziell für weiter steigende Bondkurse am langen Ende der Zinsstrukturkurve sorgen werden. Als größten Risikofaktor für die Aktienmärkte im Allgemeinen sehen wir für das Jahr 2015 einen raschen und deutlichen Anstieg der amerikanischen Zinsen - den wir angesichts der Entwicklung der US-Inflationsrate allerdings für nicht wahrscheinlich halten.

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Christoph Bruns

Der Diplom-Kaufmann begann nach seiner Promotion 1994 als Fondsmanager bei der Union Investment und stieg bis zum Segmentleiter Portfoliomanagement der Union Fonds Holding auf. 2002 machte sich Bruns selbstständig, seit 2005 ist er Fondsmanager, Teilhaber und Vorstand bei der Loys AG. Loys ist ein Pionier auf dem deutschen Hedgefondsmarkt, das Fondsmanagement agiert von Chicago aus.