von Robert Halver

Ich finde Italien als Kulturnation, als Urlaubsland und aufgrund seiner Menschen und natürlich auch Küche fantastico.

Mit einem früheren italienischen Spitzenpolitiker und seinem Vermächtnis habe ich aber mit Verlaub meine Probleme. "Seine" Auftritte waren sicherlich durchaus vergnügungssteuerpflichtig. Aber durch "ihn" wurde Italien zu lange unter seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten geführt und stattdessen Schocks und Krisen ausgesetzt. Hier passt die alte Bauernregel: Hühner, die keine Ruhe finden, legen auch keine Eier.

Auf Seite 2: Nicht auf die geldpolitische Rettungsnummer vertrauen

Nicht auf die geldpolitische Rettungsnummer vertrauen

"Seine" Hinterlassenschaft ist eine Staatsverschuldung, die mittlerweile 130 Prozent der Wirtschaftsleistung erreicht hat. Hätte das Maastricht-Schuldenkriterium, dass in der Gründerzeit des Euros ein Niveau von maximal 60 Prozent erlaubte, heute noch irgendeine Bedeutung, würden jeden Tag ganze Postzüge mit Brandbriefen aus Brüssel gen Italien geschickt. Glücklicherweise aber hat man sich heute dieser Stabilitätsgängelei bei der "Weiterentwicklung" der Stabilitätsunion zu einer Schuldenunion von EZB’s Gnaden elegant entledigt.

Ja, das grundsätzliche Rettungsversprechen von Mario Draghi, im Notfall unbegrenzt Staatsanleihen dann auch Italiens aufkaufen zu lassen, war - ähnlich wie die erste Mondlandung für die Raumfahrt - der Quantensprung für die euroländische Geldpolitik. Diese Abschreckungsstrategie hat auf Anti-Euro-Spekulanten ähnlich gewirkt wie früher die beidseitig militärische zwischen den USA und der Sowjetunion. So blieb nicht nur der Ernstfall, der Super-GAU am Mailänder Anleihenmarkt aus. Nein, zusätzlich sind auch noch die italienischen Staatsanleiherenditen bei vielen Laufzeiten auf den tiefsten Stand in diesem Jahrtausend gefallen. Ob Italien spart oder nicht, scheint in der heutigen modernen geldpolitischen Zeit keine große Rolle mehr zu spielen. Frei nach dem Matthäus-Evangelium könnte man sagen: Sie säen nicht, sie ernten nicht und dennoch ernährt sie der Herr, der Herr Draghi. Na, wenn das keine gelebte geldpolitische Barmherzigkeit ist.

Diese Rettungsnummer der EZB treibt mittlerweile absurde Blüten: Trotz fast einer Verdoppelung der italienischen Staatsverschuldung von 2000 bis geschätzt 2015 werden sich die Zinszahlungen als Anteil an den Staatsausgaben Italiens von 12 auf dann ca. sechs Prozent halbiert haben.

Allerdings hat diese Rettungsgarantie der EZB einen Haken. Wenn sich Wirtschaftswachstum auch über äußerst zinsgünstige Schulden erzielen lässt, sind die wirtschaftspolitischen Anreize, über wählerverschreckende Standortreformen zu einem investitionsgetriebenen, gesunden, nachhaltigen Wachstum zu kommen, naturgemäß gering ausgeprägt. Ein voller Bauch studiert eben nicht gern.

Langfristig wird aus diesem Haken allerdings ein dicker Sargnagel: Ohne privatwirtschaftliche Impulse erreicht die "Staatswirtschaft" irgendwann Verschuldungsgrade, die selbst die günstigsten Zinsen nicht mehr bezahlen können. Und dann ist mit allem zu rechnen.

Auf Seite 3: Er kam, sah und …wird hoffentlich siegen

Er kam, sah und …wird hoffentlich siegen

Der neue italienische Premier Matteo Renzi hat sich das Ohropax aus den Ohren entfernt und das laute Ticken dieser Zeitbombe gehört. Seine daraufhin angekündigten Verwaltungs-, Arbeits- und Sozialreformen wären für italienische Verhältnisse eine Revolution. Er wäre der Tony Blair oder Gerhard Schröder Italiens.

Neue Besen kehren sicherlich gut. Wie ein Feldwebel auf dem Kasernenhof kann Renzi aber nicht an die Sanierung Italiens gehen. Ansonsten ist ihm der Widerstand aus der alten italienischen Politiker-Kaste, selbst aus seiner eigenen Partei und von den Gewerkschaften so sicher wie das Amen im Petersdom in Rom. Und auch die Überlegung, die Bevölkerung zu Verbündeten zu machen, die vermeintlich erkennen, dass es keine Alternative zu schmerzhaften Reformen gibt, ist politisch gefährlich. Denn bisher schon fielen andere Reformatoren dem Fluch der Euro-Politik zum Opfer: Wer reformiert, wird abgewählt. Gerhard Schröder und Renzis Vorvorgänger Mario Monti können davon ein Liedchen singen.

Italien auf den wirtschafts- und finanzpolitisch richtigen Weg zu bringen, ist eine Aufgabe, mit der vermutlich auch der große Cäsar seine liebe Not gehabt hätte. Finanzmathematisch entspricht das erfolgreiche italienische Schuldenmanagement ein bisschen der Quadratur des Kreises. Italien braucht unbedingt wettbewerbsfähige Unternehmenssteuern, die auch Deutschland damals - neben der Agenda 2010 - standortfit gemacht haben. Diese würde jedoch die Verschuldung zunächst weiter ansteigen lassen. Ohnehin braucht Renzi viel Freiraum von Brüssel, um die krummen Dinge ohne Widerstand wieder gerade zu richten. Machen das die Euro-Kraten mit ihrem strengen Regelkatalog überhaupt mit?

Auf Seite 4: Ran an die Buletten oder besser gesagt, an die italienischen Hackfleischbällchen

Ran an die Buletten oder besser gesagt, an die italienischen Hackfleischbällchen

Das alles soll Signore Renzi bloß nicht davon abhalten, sich zur Not wie einst Margaret Thatcher im Vereinigen Königreich mit allen und jedem anzulegen. Viel Feind, viel Ehr.

Entscheidend ist aber - auch für das Wohl der italienischen Aktienmärkte - dass das Reformprogramm "pronto" und "potente" umgesetzt wird. Alles andere ist nur kalter Espresso.

Ich wünsche mir sehr, dass Italien neben all seinen Vorzügen auch wirtschafts- und finanzpolitisch erfolgreich ist. Dann werde ich über meine Kursgewinne italienischer Aktien lachen wie die Sonne über Italien. Immerhin, seit Jahresanfang läuft der Mailänder Aktienmarkt sogar besser als der deutsche.

Signore Renzi, beim nächsten Besuch meines Stamm-Italieners werde ich auf Ihr persönliches, aber auch finanz- und wirtschaftspolitisches Wohl anstoßen. Bitte machen Sie aus Ihrer Reformpolitik zum Wohle Italiens, Europas und meines Aktiendepots kein One Hit-Wonder, sondern einen Gassenhauer wie "Volare".

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.