von Philipp Vorndran

Ich bin in den vergangenen Wochen oft gefragt worden, was denn am Goldmarkt los sei. Hat der Preis nach den kräftigen Verlusten des vergangenen Jahres seinen Boden gefunden - oder droht ein neuerlicher Rückschlag? Leider habe auch ich keine Glaskugel. Ein Blick in die jüngere Vergangenheit dagegen kann hilfreich sein, um zumindest ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es mit dem Goldpreis langfristig weiter gehen könnte.

Wir haben das Edelmetall erstmals 2003 in unsere Anlagestrategie aufgenommen. Damals waren wir davon überzeugt, die steigende Nachfrage aus China und Indien würde den Preis nach oben treiben. Anders ausgedrückt: Wir haben Gold seinerzeit als Globalisierungsgewinner betrachtet und weniger als Versicherung gegen Krisen.

In unserem Quartalsbericht, den wir für unsere Kunden erstellen, wiesen wir im Herbst 2007 angesichts der sich abzeichnenden Probleme im Finanzsystem dann erstmals explizit auf den Sicherheitscharakter von Gold hin. "Wenn alles gut läuft, wird der Goldpreis in den nächsten Jahren die Marke von 1.000 Dollar die Unze übersteigen. Wenn alles schlecht läuft, werden es mehrere tausend Dollar sein." Damals hatte der Goldpreis mit 744 Dollar den höchsten Stand seit 1980 erreicht.

Heute wissen wir, dass es zunächst noch eine Weile gut lief, bis Gold dann im Sommer 2011 für viele Investoren endgültig zum "Krisenmetall" wurde und auf seinen bisherigen Höchststand von 1.911 Dollar kletterte. Im Preis war damals ein erheblicher Risikoaufschlag gegen die sich abzeichnenden Folgen der Finanzkrise enthalten; auch Spekulanten, die auf den Zug aufgesprungen waren und den Preis nach oben trieben, trugen ihren Teil bei. Wir schätzen, dass dieser Aufschlag etwa 800 Dollar des Höchstpreises ausgemacht hat. Heute dagegen dürfte er nahe Null liegen. Wie komme ich darauf?

Schauen wir uns China und Indien an. Seit 2003 ist das nominale Sozialprodukt beider Länder von umgerechnet 2,3 Billionen auf gut 11 Billionen US-Dollar und damit um 15,5 Prozent pro Jahr gestiegen. Im gleichen Zeitraum legte ihre Goldnachfrage von insgesamt 800 auf 1.900 Tonnen zu, wobei der eigentliche Anstieg erst 2010 begann. Die Annahme, Gold sei ein reines "Krisenmetall", wird durch die stetig steigende Nachfrage in dieser Region widerlegt. Viele Asiaten, insbesondere die Chinesen, betrachten Gold als eine Art Sparbuch.

Bis ins Jahr 2007 war die Nachfrage aus Indien und China der entscheidende Faktor für die Preisentwicklung. Das änderte sich jedoch zwischen 2007 und 2009. In dieser Zeit verdoppelte sich der Goldpreis nahezu auf fast 1.200 Dollar, ohne dass die Nachfrage aus beiden Ländern deutlich zugelegt hatte. Nachdem 2008 die US-Investmentbank Lehman Brothers Pleite gegangen war, stieg die Nachfrage von Finanzinvestoren, die Gold wegen seines Versicherungscharakters schätzten, oder auf einen deutlichen Preisanstieg spekulierten, rapide an. Die Investoren kauften vorzugsweise liquide Gold-ETFs. Deren Bestand wuchs von September 2008 bis Juli 2010 um 1.220 Tonnen Gold.

Nachdem an den Finanzmärkten wieder Ruhe eingekehrt war und EZB-Chef Mario Draghi den Investoren in aller Welt Glauben machte, der Euro sei quasi gerettet, war Gold als Versicherung nicht mehr gefragt. Der Aktienmarkt erschien stattdessen attraktiver. Viele Investoren, insbesondere große Fonds aus den USA, begannen im Februar 2013 in großem Stile ihre Gold ETF-Anteile in Aktien umzuschichten - ein Trend, der bis heute anhält. Um rund 850 Tonnen ist der Bestand dieser Fonds seither gesunken und hat den Goldpreis kräftig gedrückt.

Aber nicht nur in China wächst die Nachfrage, auch in anderen Regionen, etwa den Ölstaaten des nahen Ostens, der Türkei oder Thailand ist das Edelmetall begehrt. Im vergangenen Jahr dürfte die Nachfrage von dort gut 500 Tonnen Gold betragen haben, rund 30 Prozent mehr als 2012. Da diese Nachfrage nachhaltig, das Angebot der ETFs dagegen begrenzt ist, stellt sich die Frage, wer den Goldhunger befriedigt, wenn aus den Fonds irgendwann kein Gold mehr abfließt? Noch halten die ETFs rund 1.750 Tonnen. Hiervon dürften noch einige hundert Tonnen in den Händen verunsicherter Investoren liegen, die noch auf den Markt geworfen werden könnten. Wenn das Angebot der Fonds versiegt, wird der Goldpreis wieder steigen.

Philipp Vorndran

ist Kapitalmarktstratege der Flossbach von Storch AG.