Der Medizinbetrieb hat mit den "Krankheiten" einen schier unerschöpflichen Rohstoff für die Lieferung seiner Ware "bessere Gesundheit". Insbesondere die Einführung von Krankenversicherungen führte zu einem überproportionalen Wachstum der Gesundheitsausgaben, da Patienten erhaltene Leistungen dem Anbieter nicht direkt bezahlen, sondern mit der Krankenversicherung letztlich ein Dritter. Dadurch verliert der Preis jegliche Steuerungsfunktion. Zudem ist Gesundheit unser "höchstes Gut" und Leben damit jeden Preis wert. Aus diesem Grund lenkt das Medizinsystem seine Produkte insbesondere dorthin, wo es scheinbar unbegrenzte Nachfrage gibt: und zwar in den Kampf gegen den Tod, wie die steigenden Zulassungszahlen für Medikamente gegen Krebserkrankungen oder tödlich verlaufende seltene Erkrankungen (Orphan-Erkrankungen) zeigen.

So ist es nicht verwunderlich, dass der weltweite Gesundheitsmarkt kontinuierlich und konjunkturunabhängig expandiert. Er erreicht bei aktuell circa fünf Prozent jährlichem Wachstum 2016 ein Volumen von knapp acht Billionen US-Dollar. Eines der überdurchschnittlich wachsenden Segmente des Sektors sind die Arzneimittel mit einem derzeitigen Jahresumsatz von mehr als einer Billion US-Dollar.

Auf Basis der Entschlüsselung des menschlichen Genoms konnte die Biotechindustrie die gewonnenen molekulargenomischen Informationen in ein besseres Verständnis der zugrunde liegenden biologischen Ursachen von Krankheiten übertragen. Dies hat jüngst zu einer regelrechten Flut von Arzneimittelzulassungen geführt. Diese sind in den vergangenen zehn Jahren von 20 per annum auf 45 im Jahr 2015 gestiegen. Die neuen innovativen Medikamente greifen direkt in die Krankheitsprozesse ein, das heißt, sie wirken mitunter kausal und können daher Leben verlängern wie bei Krebs und den meist genetisch bedingten seltenen Erkrankungen, heilen wie bei Hepatitis C und bei Rheuma oder das Voranschreiten von Erkrankungen deutlich verzögern wie bei Multipler Sklerose.

Vor diesem Hintergrund erwartet IMS Health einen jährlichen Anstieg der weltweiten Ausgaben für Medikamente um bis zu sieben Prozent und 2020 ein Ausgabenvolumen von mehr als 1,4 Billionen US-Dollar. In diesem Rennen haben jedoch die großen Pharmakonzerne Marktanteile verloren - unter anderem wegen der Ineffizienz ihrer Forschung sowie durch Patentverluste bei umsatzstarken Arzneimitteln. Der Marktanteil der Top-15-Unternehmen ist in den zurückliegenden zehn Jahren von 61,4 auf 53,7 Prozent gefallen. Ehemalige Marktführer wie Pfizer, GlaxoSmithKline, Sanofi-Aventis oder AstraZeneca haben zwischen 1,5 und drei Prozentpunkte Marktanteil verloren. Dagegen sind nach einer aktuellen Analyse von Hardman & Co Aufsteiger aus dem innovativen Biotechsegment - zum Beispiel Gilead und Amgen - in die Spitze vorgedrungen.

Nachdem der Mega-Merger zwischen Pfizer und Allergan wegen verschärfter US-Steuergesetze geplatzt ist, stehen in der Pharmabranche wieder gezielte Übernahmen zur Stärkung der Produktportfolios im Vordergrund. Für künftige Deals sind die Kassen gut gefüllt. So verfügen die weltweit zehn führenden Biopharma-Unternehmen etwa über 160 Milliarden US-Dollar - eine Riesensumme, wenn man bedenkt, dass demgegenüber die Bewertung des gesamten Small- und Mid-Cap-Universums nur bei rund 300 Milliarden US-Dollar liegt. Der Fokus bei den Übernahmezielen konzentriert sich auf mittelgroße Biotechunternehmen, die in der Krebsimmuntherapie, Gen-Therapie, bei seltenen Krankheiten sowie bei Erkrankungen des Zentralnervensystems unter den führenden Unternehmen zu finden sind.

Harald Schwarz

Harald Schwarz ist bei der Fondsboutique Medical Strategy als Geschäftsführer und Partner tätig. Der Diplom-Volkswirt mit mehr als 23 Jahren Erfahrung in der Pharmaindustrie verantwortet mit Kollegen unter anderem den weltweit investierenden Aktienfonds FCP OP Medical BioHealth-Trends. Als Analyst betreut er außerdem schwerpunktmäßig die Bereiche Pharma, Medizintechnologie und Speciality Pharma.