von Richard Kaye, Fondsmanager des Comgest Growth Japan

Obwohl Japan die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt ist, fristet das Land in der internationalen Wirtschaftsberichterstattung ein Schattendasein. Nach vielen Jahren schwachen Wachstums notiert die japanische Börse trotz des jüngsten Kursanstiegs noch immer fast 50 Prozent unter dem Allzeithoch aus den 80er-Jahren. Die Aktienkultur des Landes hat in den vergangenen Jahren jedenfalls stark gelitten. Es gibt viele Unternehmen im Mid-Cap-Bereich, die eine Börsenkapitalisierung zwischen fünf und zehn Milliarden Dollar auf die Waage bringen und kaum noch von den Analysten beachtet werden.

Erst unter dem neuen Premierminister Shinzo Abe änderte sich das Klima spürbar. Seit der neue Regierungschef im Dezember 2012 sein Amt übernahm, begann auch der Nikkei-Index mit einer spürbaren Aufwärtsbewegung. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatten die Marktteilnehmer den Eindruck, dass ein japanischer Politiker nicht nur von Reformen redet, sondern sie auch umsetzen möchte. Seitdem hatte sich der Index von 10 000 Punkten auf zwischenzeitlich über 20 000 Punkte hochgearbeitet. Zeitweise notierte der japanische Aktienindex auf einem 15-Jahres-Hoch.

Betrachtet man die klassischen Bewertungskennziffern wie Kurs-Gewinn- oder Kurs-Buchwert-Verhältnis, sind japanische Aktien im Vergleich zu denen der anderen entwickelten Volkswirtschaften außergewöhnlich günstig bewertet. Auch die wirtschaftliche Dynamik spricht derzeit für Japan. Das Gewinnwachstum japanischer Unternehmen ist solide, und es deutet nichts darauf hin, dass dieser Trend abrupt enden könnte. Zudem will die japanische Regierung die Steuern für japanische Unternehmen senken, die im internationalen Vergleich viel zu hoch sind, während die Mehrwertsteuer bereits erhöht wurde. Aufgrund dieser Maßnahmen ist das Interesse der Anleger massiv gestiegen. Auch die heimischen Pensionsfonds kaufen nun wieder japanische Aktien.

Zudem kann man von einer neuen Offenheit gegenüber den Interessen ausländischer Investoren reden. Dies drückt sich nicht nur in tendenziell höheren Dividenden aus, sondern auch in dem neu verabschiedeten "Japan Stewardship Code", der die Unternehmen zu mehr Transparenz verpflichtet und den fast alle großen Unternehmen Japans unterzeichnet haben. In diesem Code werden die Grundsätze einer verantwortungsvollen Unternehmensführung en détail aufgeführt.

Dies wird nicht nur die Akzeptanz japanischer Aktien, sondern zugleich die Liquidität deutlich erhöhen. Wir gehen davon aus, dass der japanische Index mittelfristig um 20 Prozent zulegen wird. Es sind vor allem Aktien aus drei Sektoren, die wir derzeitig favorisieren. M3 ist ein Unternehmen aus dem Gesundheitssektor, das von der alternden Bevölkerung in Japan profitieren sollte. Auch internetbasierte Geschäftsmodelle stehen auf unserer Kaufliste; wir favorisieren hier das Unternehmen Rakuten, gewissermaßen das japanische Amazon. Fanuc, führend in der Automatisierungstechnologie und der Produktion von Robotern, ist ein global aufgestellter Bluechip. Und das aufstrebende Unternehmen Keyence stellt Komponenten für die Automatisierungstechnik her und hat sich als kompetenter Problemlöser für viele Anwendungen etabliert. Mit einer Vorsteuermarge von knapp 50 Prozent ist es eines der profitabelsten Unternehmen der Welt.

Insgesamt halten wir derzeit 41 japanische Unternehmen in unseren Portfolios. Dabei achten wir besonders auf günstige Bewertungskennziffern und langfristiges Wachstumspotenzial. Zudem konzentrieren wir uns angesichts der aktuell unsicheren Börsenentwicklung in China auf den Kauf von Unternehmen, deren Handelsanteil mit China nicht sehr hoch ist. Wir sind überzeugt, dass das Interesse an japanischen Aktien weltweit in den nächsten Monaten deutlich zunehmen wird, da der japanische Markt unter Rendite-Risiko-Gesichtspunkten derzeit einer der attraktivsten Märkte der Welt ist.

Richard Kaye

Richard Kaye hat ein Diplom der Oxford University im Bereich Orientalistik. Er begann seine Karriere 1994 bei der Industrial Bank of Japan als Analyst für Technologieaktien und wechselte 1996 zu Merrill Lynch. Anschließend arbeitete er für die Wellington Management Company als Portfoliomanager mit Fokus auf japanische Telekomaktien. Seit 2009 ist der Japan- Experte Portfoliomanager bei Comgest.