von Axel Retz

An Marktextremen ist die Sache für die Bären unter den Börsianern ziemlich einfach. Für Bullen übrigens auch. Erstere haben ein paar Hundert Argumente parat, warum es jetzt so gut wie unmöglich weiter nach oben gehen könne. Meistens sind diese Argumente aber schon einige Monate oder auch Jahre und einige Tausend Punkte alt. Die Bullen hindert das aber nicht daran, sie einfach über den Haufen zu rennen. Kaufalarm.

Das Arsenal der Haussiers ist da bescheidener und konzentriert sich im Wesentlichen immer auf das gleiche griffige Argument, dass diesmal alles anders kommt. Geeint werden beide Seiten nur dadurch, dass sich ihre Sicht der Dinge bei weiter steigenden Kursen bis hin zu einem unumstößlichen Dogma verfestigt. Kommt dann wirklich einmal der Abriss nach unten, haben die Bären ihr Pulver meist bis auf den letzten Krümel verschossen, während die Bullen in die Abwärtsbewegung hinein immer weiter nachkaufen, bis auch sie eines Besseren belehrt werden. Warum in aller Welt Börsianer im Allgemeinen als kühle Rechner bezeichnet werden, wäre da sicher einmal eine Dissertation wert.

Die Deutsche Bank, hierzulande Branchenprimus, hat derartige Scheuklappen keineswegs abgelegt. In meinem wöchentlich erscheinenden kostenlosen Newsletter hatte ich am vorletzten Samstag vor dem Einstieg in die Aktie gewarnt. Nicht nur, weil sie sich plötzlich in ungemein vielen Empfehlungen wiederfand, sondern vor allem, weil sie charttechnisch kurz vor einem massiven Widerstandsnest stand. Und man kauft nicht unter einem Widerstand, sondern nach dessen Aufwärtsbreak.

Was hat man falsch gemacht in der Taunusanlage 12 In Frankfurt? Zum einen muss man das die Vorgänger von Jürgen Fitschen und Anshu Jain fragen, diesbezüglich aber zweifellos auch die BaFin. Was die jetzt ausgewiesenen Verluste aus dem Anleihegeschäft betrifft, darf von einem Anfängerfehler gesprochen werden. Und das sehen wir uns jetzt einmal etwas genauer an.

Zinsen steigen, Kurse fallen

Was die Rentenmärkte betrifft, gibt es einiges an immer wieder auftauchenden Irrtümern. Erstes Beispiel: Ein Anleger rechnet mit steigenden Zinsen und legt sich deshalb einen Call auf den Euro-Bund oder US-Bonds ins Depot. Steigen die Zinsen dann wirklich, wird er sein blaues Wunder erleben. Denn seit Call verliert an Wert. Warum?

Weil sich Zinsderivate wie Calls und Puts nicht auf die Rendite, sondern auf den Kurs der Anleihen beziehen. Und bei steigenden Zinsen wie in unserem Beispiel sinkt der Kurs bestehender Anleihen. Einfach weil neue, besser verzinzte Anleihen logischerweise teurer gehandelt werden.

Wer steigende Zinsen erwartet, muss sich also Puts ins Depot legen. Und da sind wir auch schon beim zweiten, noch weit verbreiteten Irrtum: "Steigende Zinsen sind Gift für den Aktienmarkt." Der Glaube an diesen Satz ist dermaßen verbreitet, dass die Aktienanleger wie paralysiert vor jedem Wort der Notenbanken zittern, das auf anziehende Zinssätze hinweist. Und deswegen heute gute Konjunkturdaten für schlecht und schlechte für gut halten. Nur:

Wie Sie im Wochenchart der Rendite der US-Staatsanleihen sehen, sind die Zinsen bereits gestiegen. Und zwar recht deutlich. Denn vom 2012er Tief bei 1,46 Prozent aus haben sie sich bis heute recht genau verdoppelt. Was die Aktienmärkte in dieser Zeit getan haben, wissen Sie. Wie aber kommt das? Ganz einfach: Steigen an den Rentenmärkte die Zinsen, fallen (s. o.) die Kurse bestehender Anleihen. Und das scheint die Deutsche Bank nicht bedacht zu haben. Aber nicht nur sie. Denn wie wie wissen, haben nahezu alle Großbanken die ihnen von EZB und Federal Reserve quasi kostenlos zur Verfügung gestellte Liquidität nicht zur Anschubfinanzierung der Wirtschaft, sondern zum Kauf von Anleihen genutzt. Da kommt also noch etwas nach. Da können Sie sicher sein!

Steigen am Markt die Renditen, veranlasst das halbwegs gescheite Anleger, nicht aber unbedingt Banker, ihre angesichts der historisch beispiellosen Zinssenkungsorgie geradezu phantastischen Gewinne mitzunehmen. Und dieses Geld will wieder neu angelegt werden. Und ein Teil dieses Geldes findet den Weg in den Aktienmarkt. Zinssteigerungen können also erst einmal einen durchaus positiven Effekt für die Fließrichtung der Kapitalströme bedeuten. Aber eines dürfen wir nicht vergessen:

Steigende Zinssätze bedeuten für die Refinanzierung etwa von Unternehmen oder beispielsweise Hypotheken durchaus eine nicht zu unterschätzende Belastung. Und in einem Umfeld, das die Notenbanken über Jahre hinweg auf paradiesische Zustände eingeschworen hat, ist eine Verdopplung der Marktzinsen, wie im Chart abgebildet, durchaus eine unschöne Hausnummer.

Die Nachfrage nach Hypotheken ist in den USA bereits auf ein 13-Jahrestief abgestürzt. Der Zins zeigt also Wirkung. Und die wird er auf Sicht auch auf den Aktienmarkt haben. Das wirklich frappierend Erschreckende daran hatte ich bereits erwähnt: Wenn sich Immobilieninteressenten trotz historischer Niedrigzinsen und der Aussicht aufsteigende Zinsen nicht entschließen können, sich ihre langfristige Hypothek zum Festzins zu sichern, dann ist die nächste Krise am US-Immobilienmarkt in Stein gemeißelt!

Märkte in Rekordlaune

In der letzten Woche hatte ich Ihnen geschrieben, dass es zwar gute Argumente gibt, der Hausse ein gesundes Misstrauen entgegen zu bringen, dass das aber kein Grund sei, sich ihr zu verweigern. Und so habe ich in meinem Börsendienst "private profits" den am 20.12. gekauften Calls auf den MDAX (+37,5%) und den TecDax (+ 46,35%) in der letzten Woche erneut einen DAX-Call zur Seite gestellt. Auch hier natürlich vom Start weg mit Stopp! In Alarmstellung sollten Sie erst begeben, wenn sich im nachfolgenden Chart etwas tut.

Um Ihnen noch einmal vor Augen zu führen, wie sehr mein "Lieblings-Indikator" der Nachfrage nach Börsenkrediten zum Akteinkauf mit den Wendepunkten der Wall Street korrespondiert, habe ich den Index diesmal mit abgebildet. Im Vergleich zur Vorwoche tat sich hier (auf Rekordniveau) gar nichts. Aber ebbt die Nachfrage nach Börsenkrediten ab, ist es für alle Haussiers an der Zeit, etwas genauer hinzuschauen.

Gold: Profis knicken ein

Die Anfragen meiner Leser, ob man zum gegenwärtigen Preis nicht bei Gold zufassen solle, häufen sich. Meine Antwort: Nur weil etwas im Preis stark gefallen ist, bedeutet das nicht, dass es nicht noch viel weiter fallen könnte.

Und mein Langfristindikator für den Goldpreis, den Sie im nachstehenden Chart einmal für Gold auf Euro-Basis sehen, ist noch deutlich vom Wechsel auf die Kaufseite entfernt.

Hinzu kommt: Die europ. Statistikbehörde EuroStat hat in der abgelaufenen Woche die vorläufigen Inflationszahlen für 2013 in Höhe von 1,5 Prozent bestätigt. Im Dezember lag sie sogar bei nur noch 0,8 Prozent. Zum Vergleich: 2011 und 2012 hatten wir es noch mit Teuerungsraten von 2,1 bzw. 2,0 Prozent zu tun. Der Weg in Richtung Deflation scheint sich also nicht nur fortgesetzt, sondern sogar beschleunigt zu haben. Und damit entfällt das für die meisten Anleger wichtigste Argument zum Einstieg in die Edelmetalle. Dass dem Goldpreis vielleicht schneller als erwartet ein neuer Absturz drohen könnte, das lässt der nächste Chart vermuten, der die Quote der bullish gestimmten Gold-Analysten abbildet.

Wie Sie erkennen, ist es hier in der vergangenen Woche trotz leichter Preisaufschläge für die Edelmetalle zu einem regelrechten Einbruch gekommen. Womit wir nun wieder sehr deutlich unterhalb der zum Jahreswechsel 1997/1998 gestarteten Aufwärtstrendlinie liegen. Werden bei Gold und Silber die Tiefs des letzten Sommers geknackt, ist das wie eine auf dem Serviertablett offerierte Einladung zum erneuten Short-Einstieg. Da der Edelmetallmarkt zumindest nach Ansicht der ihre Wunden leckenden Gold-Fanatiker aber durch und durch manipuliert ist, empfehle ich auch hier zu Start enge Stopps, Gold unter 1.000 US$ bleibt aber unverändert meine Ansage.

Das Wort zum Mittwoch

Abschließend für heute noch einmal kurz zu den Aktienmärkten. Achten Sie auf die Börsenkredite in den USA, aber auch natürlich auch auf die Charttechnik und auch auf aus der Mode gekommene Indikatoren wie das Momentum. Noch befinden wir uns, wie in der Vorwoche gesagt, im grünen Bereich. Wenn, aber wirklich erst wenn das bullishe Szenario kippt, macht es Sinn, nach ganz aggressiven Puts auf den DAX Ausschau zu halten. Denn wer sich nicht nur Tagescharts ansieht und auch noch ein wenig von der Nachgeburt von Exzessen versteht, der weiß auch, dass die nächste "Mega-Chance" auf der Put-Seite liegt. Bis dahin: Einfach so wie ich nach oben mitspielen!

Viel Erfolg und beste Grüße!

Axel Retz

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt das Portal www.private-profits.de.