Vielleicht muss man Jim Jarmuschs neuen Film "Paterson" gesehen haben, um zu verstehen, was die USA der Jetztzeit ausmacht. Statt der üblichen, grell überzeichneten Bilder einer Nation, die auseinanderdriftet, die aggressiv wirkt, in der es scheinbar keine Zwischentöne mehr gibt, zeichnet Jarmusch ein anderes Bild, ein melancholischeres. Stellvertretend dafür steht Paterson in New Jersey, eine etwas heruntergekommene Kleinstadt, die ihre beste Zeit längst hinter sich hat. Die Textilindustrie hat diesen Ort und dessen Leben einst geprägt. Jetzt wird nur noch die Erinnerung daran gepflegt, und die Bewohner geben sich gezwungenermaßen mit viel weniger zufrieden.

Orte wie Paterson gibt es zuhauf in den USA, und sie erklären vielleicht zu einem gewissen Grad, warum Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl gewonnen hat. Mit ihm verbindet man die Hoffnung auf ein Wiederaufleben von Städten wie Paterson in New Jersey. Ob zu Recht, sei einmal dahingestellt.

Die Politik wird es aber wohl versuchen. Zumindest wurde es angekündigt. Es soll sehr viel Geld in die Hand genommen werden, um die Konjunktur anzukurbeln. Weit mehr Geld, als einst Ronald Reagan in den 80er-Jahren aufgewendet hat. Und schon das waren fantastische Summen. Ob das gut gehen kann? Die Kurse an der Wall Street sind seit der Wahl jedenfalls schnell und steil gestiegen. Dow Jones, S&P500 und Nasdaq Composite: Alle wichtigen US-Indizes notieren auf Rekordniveau. Das zeugt von Optimismus.

Man scheint an den Märkten alles hinzunehmen, auch wenn es eigentlich marktfeindlich klingt. In den Plänen für seine ersten 100 Tage im Amt kündigte Trump etwa an, aus dem Transpazifischen Freihandelsabkommen TPP aussteigen zu wollen. Das geplante Abkommen sei eine "Katastrophe für das Land". TPP sollte eigentlich die Verbindungen zwischen den USA und Asien stärken und umfasst neben den Wirtschaftsmächten USA und Japan unter anderem Australien, Kanada, Malaysia, Mexiko, Singapur und Vietnam. Zusammen stehen diese Länder für rund 40 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Und jetzt der Abschied davon? Bad News für die Märkte? Zumindest für die direkt betroffenen vor allem in Asien? Mitnichten. Die Kurse stiegen weiter. Die Trump-Rally dauert also erst einmal an.

Weit weg von den US-Kleinstädten wie Paterson, in Europa, wo ja auch nicht alles zum Besten steht, werfen derweil wichtige Termine ihre Schatten voraus. In Frankreich wird über den Präsidentschaftskandidaten der Konservativen abgestimmt, und in Italien hat Premier Renzi sein politisches Schicksal mit einem Volksentscheid zur Verfassungsreform verknüpft. Ob dies vielleicht die Börsen bremst? DAX, Ibex, MIB, CAC 40, die wichtigen Indizes in den großen europäischen Ländern, sind bisher nicht beeindruckt. Sie rennen schlicht den amerikanischen hinterher.

Was also tun? Ganz einfach: dranbleiben. Den Stop-Loss immer schön nachziehen. Wer weiß, wie lange die Rally noch anhält. Zum Jahreswechsel dürfte es dann schwieriger werden. Die Bewertungen an den Märkten sind nicht mehr wirklich günstig. Das gilt für Aktien, das gilt für Anleihen, die zudem wenig Rendite bieten, und das gilt auch für den Immobiliensektor. 2017 wird man wohl intensiver nach Märkten mit Potenzial suchen müssen, als das jetzt noch der Fall ist.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com