Um Wohlstand aufzubauen und langfristig abzusichern, ist es für alle Länder der Welt wichtig, Wirtschaftswachstum zu generieren. Niedriglohnländer bauen ihr Wachstum oft auf der kostengünstigen Produktion einfacher, arbeitsintensiver Güter auf. Dabei kommt Technologie aus dem Ausland zum Einsatz. Nimmt in einem ehemaligen Low Income Country dank des Wachstums auch der Wohlstand zu, gerät eine Volkswirtschaft aufgrund steigender Einkommen früher oder später in die "Middle Income Trap". In der Produktion einfacher Güter geht Wettbewerbsfähigkeit verloren, gleichzeitig ist man als Standort noch keine Konkurrenz für technologisch höher entwickelte Industriestaaten. Der mittleren Einkommensfalle zu entkommen, in der man weder Billiglohnland noch Industriestaat ist, stellt eine entscheidende Herausforderung in der Entwicklung von Schwellenländern dar. Denn parallel zum steigenden Wohlstand wird das Aufholpotenzial gegenüber Industriestaaten geringer.

Es bedarf also einer Anpassung des Wachstumsmodells - nur so wird sichergestellt, dass das Wirtschaftswachstum langfristig aufrechterhalten bleibt. Offenbar gestaltet sich der Sprung in die höchste Einkommensklasse jedoch schwierig. Eine Studie der Weltbank zeigt, dass es von 101 Middle Income Countries im Jahr 1960 bis zum Jahr 2008 lediglich 13 Staaten nach ganz oben geschafft haben. Viele Länder, die sich lange im mittleren Einkommensbereich befinden, sind Rohstoffländer und profitieren, wenn es einen Boom in diesem Segment gibt. Dadurch sinkt aber die Motivation, strukturelle Reformen in Angriff zu nehmen und auch in anderen Bereichen konkurrenzfähig zu werden. So sind beispielsweise einige Länder Lateinamerikas seit Jahrzehnten in der "Middle Income Trap" gefangen. Anders verhält es sich mit asiatischen Ländern wie Südkorea oder Singapur, die den Wandel bereits erfolgreich vollzogen haben. Das aufgrund seiner Größe besonders bedeutende China steckt gerade inmitten dieses Change-Prozesses. Obwohl das Reich der Mitte im Hinblick auf das Wirtschaftswachstum global weiterhin einen Spitzenplatz innehat, nehmen die Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts in den letzten Jahren tendenziell ab.

Ein entscheidender Faktor auf dem Weg in die höchste Einkommensklasse ist die Entwicklung hin zu innovationsgetriebenem Wachstum. Um der "Middle Income Trap" zu entkommen, hat China genau diesen Weg eingeschlagen und setzt massiv auf Digitalisierung und darauf, selbst neue Technologien zu entwickeln. Es ist kein Zufall, dass sich neben acht US-Konzernen mit Alibaba und Tencent auch zwei chinesische Vertreter im Ranking der zehn wertvollsten Unternehmen weltweit befinden. China legt einen starken Fokus auf Innovation, um technologisch wettbewerbsfähiger zu werden. Die strukturellen Veränderungen spiegeln sich im Ranking "The Global Innovation Index" wider, wo China von Rang 35 im Jahr 2013 auf Platz 22 im vergangenen Jahr hinaufkletterte. Damit liegt es bereits vor Industrieländern wie Australien, Spanien oder Italien. Das Land verfügt etwa über das weltweit größte Netz für Hochgeschwindigkeitszüge - die geplante Fusion der Zugsparten der europäischen Player Siemens und Alstom stellt bereits eine Reaktion auf die Innovationskraft Chinas dar. Ein anderes Beispiel: Elektroautos. Schon 2016 entfielen über 40 Prozent der weltweiten Neuzulassungen auf China. Bei den weltweit verkauften Industrierobotern betrug der Marktanteil Chinas 2017 bereits gut 30 Prozent. Auch die Digitalisierung ist weit fortgeschritten: Rund 50 Prozent des globalen E-Commerce-Umsatzes entfallen bereits auf China, wovon wiederum die Hälfte über Mobile Payment abgewickelt wird.

Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie neue Technologien und Digitalisierung sind Schlüsselfaktoren, die Schwellenländer in die höchste Einkommensklasse bringen und die sie gleichzeitig benötigen, um langfristigen Wohlstand im Land zu erreichen.

Christian Nemeth studierte an der Wirtschaftsuniversität Wien und war seit Mitte der 90er-Jahre bei verschiedenen Investmenthäusern tätig. Seit 2016 ist er Chief Investment Officer und Vorstandsmitglied der Zürcher Kantonalbank Österreich AG, ein auf Private Banking in Süddeutschland und Österreich spezialisiertes Institut. Die Zürcher Kantonalbank Österreich ist eine 100-prozentige Tochter der Zürcher Kantonalbank, Zürich.