Wie geht es nun weiter? Die starke Rally nach der US-Präsidentschaftswahl scheint ja gerade etwas abzuebben. Muss man sich also Sorgen machen? Sind das Zeichen einer beginnenden Trendwende? Um es vorwegzunehmen: vermutlich nicht. Zum einen ist eine moderatere Entwicklung in den Sommermonaten generell nichts Ungewöhnliches. Zum anderen ist es schlicht so, dass das zu erwartende Gewinnwachstum der Unternehmen die Kurse stützt.

Gut so. Allerdings sollte man in der zweiten Jahreshälfte vielleicht doch etwas vorsichtiger agieren. Ob zum Beispiel (alle) Techaktien einfach weiterlaufen wie bisher, scheint fraglich. Wenn es denn insgesamt weitergeht mit steigenden Notierungen, dürften sich die Kursgewinne etwas ausgeglichener sowohl auf Wachstums- als auch auf Substanztitel verteilen. Bei zyklischen Sektoren wären zudem frische Impulse für das weltweite Wirtschaftswachstum wichtig - gerade auch weil die globale Notenbankpolitik langsam, aber sicher die Geldflut eindämmt.

Doch auch was die Konjunktur angeht, sieht es gar nicht so schlecht aus. Zumindest wenn man auf die aktuellen Daten und Prognosen blickt. In Kerneuropa geht es aufwärts, und auch in den wichtigen Schwellenländern erholt sich die Wirtschaft - die jüngsten negativen politischen Ereignisse in Brasilien ändern daran gar nichts. Insgesamt ist es wohl so, dass die Steuersenkungen in den USA, das geringere politische Risiko in Europa und der Optimismus von Unternehmen und Konsumenten dazu beitragen, die globale Expansion zu unterstützen. Ein positives "Reflations-szenario" nennt der geneigte Börsianer das Ganze dann.

Dem stehen aber auch einige Risiken gegenüber. In den USA ist angesichts der zahlreichen Kontroversen um Präsident Donald Trump nicht ganz klar, ob die Regierung das politische Durchsetzungsvermögen besitzt, die geplanten Steuerreformen tatsächlich umzusetzen. Ohne diesen Impuls jedoch könnten die Aktienmärkte Gegenwind bekommen.

Dann ließe möglicherweise die wirtschaftliche Dynamik nach, was durch die geplanten Zinsschritte der US-Notenbank Fed noch verschärft würde. Und wie das immer so ist mit Risiken, ein negatives Ereignis zöge meist weitere nach sich. In der Eurozone beispielsweise könnte es zu Unsicherheiten bezüglich der künftigen Geldpolitik der Europäischen Zentral-bank kommen. In Fernost wiederum könnten die monetären und steuerlichen Anreize der chinesischen Regierung nachlassen, weil Peking bekanntlich das Kreditwachstum drosseln will. Und last not least ist das aktuelle Überangebot am Ölmarkt und ein erneut sinkender Ölpreis auch nicht gerade ein positives Signal für die Entwicklung der Weltwirtschaft. Es sei denn, das Ganze ist nur ein vorübergehender Schwächeanfall.

Die Bedingungen und Risiken scheinen also klar für das Reflationsszenario und für das damit einhergehende Wohl und Wehe an der Börse. Insgesamt scheinen dabei die positiven Aspekte (noch) zu überwiegen. Aber vielleicht muss man selektiver sein - wie eingangs erwähnt. Nicht alle Techwerte sind ein Investment wert. Allerdings bleiben die Chancen bei Unternehmen mit disruptivem Potenzial groß, Stichwort: E-Commerce oder cloudbasierte Dienste. Dazu kommen Banken und Pharmawerte, die von der Deregulierung in den Branchen profitieren. Insgesamt gilt also: drinbleiben, wachsam bleiben.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com