"Die Mitglieder des Präsidiums haben einvernehmlich festgestellt, dass vor dem Hintergrund der vergangenen Wochen das für eine erfolgreiche Zusammenarbeit notwendige wechselseitige Vertrauen nicht mehr gegeben ist" wurde am Samstagabend offiziell mitgeteilt. Folgerichtig hat Ferdinand Piech und seine Frau Ursula alle Mandat im VW-Aufsichtsrat mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Wer sind die Gewinner dieses Kampfes? Wie wird es mit dem Konzern mit mehr als 600.000 Arbeitskräfte weitergehen?

Verkauft Piech seine VW-Anteile?



Was Piech bisher gemacht hat, war immer sehr konsequent angelegt. Seinen letzten großen Kampf hat er verloren. Die Chance, dass er nochmals bei VW eine tragende Rolle spielt ist sehr klein und liegt nahe bei null. Ein Wiedereinstieg in den Aufsichtsrat ist nicht vorstellbar. Da Piech Nebenrollen nicht mag, hat er direkt seine Mandate zurückgegeben.

Weil die Porsche-Seite der Familie in der gemeinsamen Porsche SE eine Mehrheit hat und Piech darüber hinaus vom Aufsichtsratsvorsitzenden Wolfgang Porsche äußerst enttäuscht und in großer Distanz sein dürfte, sollte man nicht ausschließen, dass sich Piech auch vollständig aus der Porsche SE zurückzieht. Warum sollte er bei VW als Großaktionäre bleiben? Er hat die Befürchtung, dass VW mit Winterkorn in die falsche Richtung läuft.

Genau deshalb hat er den Machtkampf angezettelt. Er sieht die Gefahr, dass der VW-Konzern wirtschaftlich auf dem falschen Weg ist, denn Winterkorn konnte die Probleme der Kernmarke nicht lösen. Das Effizienzprogramm, das völlig überraschend von Winterkorn vor neun Monaten angekündigt wurde, war nach drei Tagen schon "durchlöchert", nachdem Winterkorn vom Betriebsratsvorsitzenden Osterloh genötigt wurde, die Unternehmensberatung McKinsey wieder auszuladen. Die öffentlichen Erläuterungen des VW-Vorstandsvorsitzenden Winterkorn zum Effizienzprogramm, das sich darauf fokussierte nicht mehr als einige wenig erfolgreiche Nischenmodelle wie den VW Eos aus dem VW-Modellprogramm zu nehmen, zeigten die strategische Schwäche.

Das Herz des Konzerns hat Probleme. Mehr als 600.000 Mitarbeiter, die gemeinsam etwas weniger Fahrzeuge bauen wie der Weltmarktführer Toyota mit 350.000 Mitarbeitern. Ein Großteil der Mitarbeiter sitzt im Hochlandland Deutschland, ein bedeutender Teil in Komponentenwerken, die Zulieferteile herstellen, die Zulieferer unter deutlich besseren Kosten produzieren.

Piech sieht die immer schwächer werdende Marge der Kernmarke, den fehlenden strategischen Ansatz im katastropalen USA-Geschäft. Er sieht, dass die Marke VW sich in eine Sandwich-Position manövriert hat, bei der ertragreiche VW-Kunden nach Skoda abwandern und die Premiumorientierten zu Audi aufsteigen - also den Verlust der so elementaren Mitte. Er sieht, dass sich die Gewinne in China in Zukunft abschwächen, VW in hohem Tempo Kapazitäten aufbaut, das Wachstum schwächer wird und VW-Marktanteile in China verliert. All das konnte Winterkorn nicht lösen. All das wird mit Winterkorn jetzt daher weiter-gehen. All das ist ein hohes Risiko für die Wirtschaftskraft des VW-Konzerns.

Also macht es nicht nur machtpolitisch für Piech keinen Sinn mehr als Ankeraktionär bei VW zu bleiben, sondern auch ökonomisch. Warum sollte er dann Ankeraktionär bleiben? In Piechs Augen sprechen also gleich mehrere Argumente dafür, sich auch von seinen VW-Aktien zu trennen.

Die Überlegungen, die Anteile jetzt zur "besten" Zeit zu verkaufen, könnte auch der zweite wichtige Großaktionär des VW-Konzerns, die Qatar Investment Authority QIA, hegen, die 17 Prozent aller stimmberechtigen VW-Aktien hält. VW-Aktien notieren auf einem 10 Jahreshoch. Zusammen mit der jetzigen Unsicherheit über die Zukunft des Konzerns macht es Sinn, über Ausstieg nachzudenken.

Neue VW-Macht: Gewerkschaft, Arbeitnehmern und Land Niedersachsen



Steigen Piech und Qatar bei VW aus, wird es schwer sein, einen starken unternehme-risch agierenden Großaktionär zu finden. Warum sollte man in ein Unternehmen investieren, bei dem das Land Niedersachsen mit einem Veto-Recht mit 20 Prozent Stimmanteile strategische Entscheidungen blockieren kann und darüber hinaus zehn Sitze eines 20 köpfigen Aufsichtsrats von der Arbeitnehmerseite gestellt werden?

Die Gewerkschaft und das Land Niedersachsen sind die Gewinner des Machtkampfes bei VW. Winterkorn ist durch den Machtkampf mehr denn je zum Mann der Arbeitnehmerseite geworden. Winterkorn ist ein exzellenter Qualitätsmanager, der sich detailversessen um jede Schraube persönlich kümmert.

Bei der Schraube der Sitzverstellung am Beifahrersitz ist Winterkorn erfolgreicher als etwa der US-Strategie. Es scheint so, als wäre der Betriebsratsvorsitzende Osterloh zum heimlichen Vorstandsvorsitzenden des VW-Konzerns aufgestiegen und Martin Winterkorn in der Rolle des Managers, der das 400-Seiten dicke Papier an Betriebsrats-vorschlägen zur Effizienzsteigerung des VW-Konzerns in den nächsten Jahren abarbeiten wird. Osterloh hatte das Papier vor mehreren Monaten Winterkorn öffentlichkeitswirksam auf den Schreibtisch gelegt, nachdem er das Effizienzprogramm mit McKinsey gestoppt hatte. In diesem Papier hatte der Betriebsrat seine Vorschläge zur Effizienzsteigerung bei VW gebündelt.

Die Zukunft des VW-Konzerns wird ungewisser



Die wichtige strategische Neuausrichtung der Kernmarke VW kann man sich unter einer solchen Konstellation schwer vorstellen. Der VW-Konzern ist an der Rändern erfolgreich mit Porsche, Audi, Skoda und China. Diese Ränder könnten schwächer werden wie etwa das Chinageschäft. Damit würde das Ganze in eine schwierigere Lage geraten können.

Piech hat seinen Machtkampf verloren. Wolfgang Porsche, die Arbeitnehmervertreter um die Gewerkschaftler Osterloh und Huber sowie das Land Niedersachsen erscheinen als die großen Gewinner.

Ob der VW-Konzern, seine Aktionäre und Mitarbeiter damit langfristig auf der Gewinnerseite sind, ist ungewisser denn je. Die Automobilindustrie ist eine sehr wettbewerbsintensive Branche. Schwächen und Ineffizienzen werden hart bestraft. Das hat sogar der mehr als 30 Jahre als Markführer agierende US-Konzern General Motors erfahren müssen, als er im Jahr 2009 in die Insolvenz ging.

Zum Autor: Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer ist Direktor des CAR-Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen sowie Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. www.uni-due.de/car/