von Axel Retz

Der griechische Finanzminister Varoufakis führte am Dienstag aus, dass Athen bereit sei, auf den Begriff des Schuldenschnitts zu verzichten, da er in Deutschland und anderen Euro-Ländern nicht gut ankomme. Die Regierung in Athen werde "nicht zögern, auch Euphemismen zu benutzen", um Griechenland aus der "Schulden-Leibeigenschaft" zu befreien. Der Tenor ist klar: Die griechische Regierung versteht sich auch auf die Klaviatur der Diplomatie, aus der die Töne sanfter klingen als sie gemeint sind. Von einem Abrücken vom geforderten Schuldenschnitt, so wie es gestern durch die Medien geisterte, kann also nicht die Rede sein.

Die von vielen erwarteten Auswirkungen auf den Euro sind bis jetzt völlig ausgeblieben. Und das, obwohl das griechische Vorpreschen in anderen Ländern der Südflanke des Euroraums sofort spontane Begeisterungsstürme auslöste. Es geht um viel: Kann Brüssel dem Vorstoß aus Athen nicht Einhalt gebieten, wird es so gut wie sicher Nachahmer geben. Vor allem aber würde der Tag nahen, an dem das Wort "alternativlos" für die Geberländer eine neue Bedeutung bekäme, da sie auf ihren Hilfsgeldern in Höhe von insgesamt über 320 Mrd. Euro sitzenblieben. Und das heißt im Klartext: Nachdem die internationalen Banken und Investoren ihre Risikoexposition erfolgreich reduzieren konnten, klebt das Schuldenausfallrisiko nun am Bein der Steuerzahler.

Hinter vorgehaltener Hand wurde bereits 2010 gemunkelt, dass sich die Verantwortlichen völlig darüber im Klaren waren, dass Griechenland seine Schulden niemals mehr zurückzahlen kann. Aber da saßen halt noch zu viele "too big to fail"-Banken auf der Gläubigerseite. Jetzt kann Tacheles geredet werden. Und natürlich wird es einen Kompromiss geben, den sowohl die neue griechische Regierung als auch die EU als Erfolg verkaufen werden. Das wurde gestern auch dem Devisenhandel klar, was dem Euro und (natürlich) den Banktiteln Auftrieb verlieh. So weit, so gut. Aber der Eindruck, dass man all das auch schon viel früher, viel preiswerter und ohne die Zerstörung der griechischen Wirtschaft hätte haben können, ist kaum widerlegbar. Dass Griechenland mit dem Euro eine ökonomische Perspektive hat, darauf trifft m. E. der etwas abgegriffene Satz zu, dass die Hoffnung zuletzt stirbt.

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Ausgebremst

Sieht man sich die zuletzt aus den USA veröffentlichten Wachstumsraten für das BIP im vierten Quartal des vergangenen Jahres an, so scheint es mit dem Aufschwung doch nicht so weit her zu sein wie immer wieder berichtet wird. Denn wenn sich ausgerechnet in einem vierten Quartal, das nun einmal traditionell den Höhepunkt des Kaufrauschs der Konsumenten markiert, das Wachstum gegenüber dem Vorquartal halbiert, dann ist das schon einmal eine Hausnummer. Kein Wunder also, dass die Federal Reserve ihre vollmundige Prognose einer bald anstehenden Zinserhöhung - genau wie von mir hier wiederholt geschrieben - jetzt zu relativieren begonnen hat.

Immer deutlichere Bremsspuren zeigen sich aber auch in China, wo das Wirtschaftswachstum im abgelaufenen Jahr auf den niedrigsten Stand seit 24 Jahren fiel.

Wer gleich 29 Jahre betrachten will, kann das im nachstehenden Chart des Baltic Dry-Frachtratenindex, der die Transportkosten Massenfrachtgüter wie Eisenerz, Zement, Kupfer, Kohle, Dünger, Kies, Getreide etc. misst und so ein mittelbarer Gradmesser der Aktivität der Weltwirtschaft ist.



Quelle: www.querschuesse.de

Sie sehen es: Der Baltic Dry ist am Montag mit nur noch 590 Indexpunkten auf den niedrigsten Stand der vergangenen 29 Jahre abgetaucht. Natürlich liegt das zum Teil auch an den gewaltigen Überkapazitäten, aber ebenso ist es ein Signal für eine sich deutlich abkühlende Weltwirtschaft.



Quelle: www.secretz-online.de

Sieht man sich einmal an, wie dramatisch sich die Rohstoffpreise allein seit Mitte letzten Jahres wieder nach unten entwickelt haben, dürfte klar sein, was die Rohstoffeinkäufer erwarten. Glücklicherweise aber haben wir den IWF. Und der plädierte angesichts der weltweiten Konjunkturentwicklung dafür, die Wachstumskräfte zu stärken. Das ist natürlich pfiffig. Und auch völlig neu. Vor allem aber erinnert es an den Ratschlag, nicht die Treppe hinunterzufallen. Noch klüger ist nur die EU. Sie wird bis Anfang März über die hohen deutschen Exportüberschüsse urteilen, die als "stabilitätsgefährdend" betrachtet werden. Noch, so heißt es aus Brüssel, sollen Länder mit einem hohen Exportüberschuss, anders als Defizitsünder, aber nicht mit Sanktionen belegt werden.

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DAX: Die Abkopplung

Zu guter Letzt noch ein Blick auf den DAX. Teilweise geradezu euphorisch verweisen einige Marktbeobachter seit einigen Wochen darauf, dass es dem deutschen Aktienindex endlich gelungen sei, sich von der Wall Street nach oben abzukoppeln. Und das ist sogar richtig. Im nachstehenden, seit dem "Crash" von 1987 abgebildeten Chart sehen Sie sehr schön, was aus solchen "Ausreißern" in der Vergangenheit geworden ist.



Quelle: www.secretz-online.de

On 1998, 2000, 2007 oder 2011: Immer mündeten die Abkopplungsversuche des DAX in ein Kursdesaster ein, dass den Index regelmäßig scharf einbrechen ließ. Eine nachhaltige Loslösung des deutschen Aktienmarktes vom amerikanischen hat es noch nie gegeben. Und ich wüsste nicht, warum die Anleger davon ausgehen sollten, dass es diesmal gelingt. Nein, ich will den Bullen nicht in die Suppe spucken. Ich will ihnen nur zeigen, wann es in der Vergangenheit an der Zeit war, weniger auf den DAX als auf den DOW zu achten.

Viel Erfolg und beste Grüße!

Axel Retz

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt die Portale www.private-profits.de und www.moneyversum.de .