Das Superwahljahr 2017 begann in Deutschland mit einem Paukenschlag. In einer politischen Rochade wurde Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl und gleichzeitig zum Parteichef der SPD bestimmt. Jetzt müsse sich Angela Merkel warm anziehen, hieß es in politischen Kolumnen landauf und landab. Dabei geht es nicht darum, wer von beiden die Wahlen gewinnt. Vielmehr soll denjenigen Wählern eine möglichst hohe Bandbreite an politischen Angeboten unterbreitet werden, die aus Trotz und Enttäuschung darüber nachdenken, die "Alternative für Deutschland" (AfD) und damit eine -europakritische Partei zu wählen. Am 24. September könnte so das Wahlergebnis für eine Fortführung der großen Koalition sorgen.

Seit dem Sommer vergangenen Jahres weisen Wirtschaftsindikatoren auf eine Beschleunigung des Wachstums in der Eurozone hin. Die Preise tendieren aufwärts, womit für viele globale Investoren die relativ zur Wall Street günstigen Euro-Aktien wieder attraktiv werden. Nicht nur in den USA, sondern auch in den meisten Euroländern präsentieren Unternehmen wieder steigende Gewinne, was dem Deutschen Aktienindex und anderen Indizes Aufwind verleiht. Ebenso deuten die Preisindikatoren darauf hin, dass das Deflationsgespenst erfolgreich vertrieben worden ist. Auf diese Stabilisierung könnte ein Aufschwung folgen, wenn es nicht zu einer Desintegration der Eurozone kommt.

Die Bedingung dafür ist allerdings, dass Marine Le Pen, die Vorsitzende des rechtsextremen Front National, mit ihren Plänen, den Franc wieder zurückzubringen, in der Stichwahl am 7. Mai die Präsidentschaftswahlen in Frankreich eben nicht für sich entscheiden wird. Ihre beiden Herausforderer könnten dann eine ähnliche Reform anstreben wie einst die Regierung Schröder in Deutschland. Eine Agenda 2030 würde Frankreich neues Wachstum bringen. Die Bekundung, fiskalpolitische Stimuli in Angriff zu nehmen, wurde bereits zweimal auf dem Gipfel der G 20 in China und Baden-Baden geäußert.

Die Achse Berlin-Paris könnte die tiefen Zinsen durch die Politik der Europäischen Zentralbank nutzen, um den Schwung, den die Regierung Trump in den USA durch ihre Fiskalpolitik erzeugt hat, auf Europa zu übertragen. Wenn Deutschland und Frankreich sich pro Wachstum aufstellen, könnte auch die Eurozone wegkommen von ihrer Sparpolitik der vergangenen Jahre.

Wir brauchen Wachstum, wir brauchen Angebote der Parteien der Mitte, um rechtspopulistischen Parteien den Wind aus den Segeln zu nehmen und um auf diesem Weg die Ungleichheit, die deutlich gestiegen ist, zu verringern. Es ist daher aus Börsensicht nicht vermessen, davon auszugehen, dass die Stichwahl in Frankreich für den DAX ein ähnlich wichtiger Termin wird wie einst der 24. Juni 2016, als die Briten über den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union abstimmten. Ähnlich wie im vergangenen Jahr ignorierten die Märkte den herannahenden Termin, um ihn dann von einem auf den nächsten Tag zum Hauptthema zu machen. Ähnlich könnte es auch dieses Jahr laufen, worauf Anleger vorbereitet sein sollten.

In einer Zeit, in der die US-Politik dazu neigt, sich protektionistisch auszurichten, könnte ein engeres Zusammenwachsen Europas gerade dort ein goldenes Zeitalter entfalten, wo es keiner erwartet hat. Wir befinden uns in einer Reflationsphase der Wirtschaftserholung, in der die Fiskalpolitik die Kontrolle von den Zentralbanken schrittweise übernimmt. Donald Trump wird diese Entwicklung verteidigen. Das erste Mal seit fünf Jahren wachsen die Gewinne in den wichtigen Aktienmärkten der Welt wieder. Fondsmanager werden also Aktien gegenüber Anleihen bevorzugen. Es ist wichtig, dass Europa daran partizipiert und nicht wegen politischer Unwägbarkeiten als Investitionsstandort gemieden wird. Das Superwahljahr 2017 könnte - je nachdem, wie es ausgeht - den entscheidenden Ausschlag dafür geben.

Jochen Stanzl ist Chefmarktanalyst bei CMC Markets in Frankfurt am Main. Davor war er mehr als 15 Jahre als Finanzmarktanalyst tätig. CMC Markets Frankfurt ist eine Zweigniederlassung der CMC Markets UK Plc mit Sitz in London, einer der weltweit führenden Anbieter von Onlinetrading. Das Angebot von - CMC Markets in Deutschland umfasst CFDs (Contracts for Difference) auf mehr als 10 000 verschiedene Werte.