An der Wall Street ist immer mal wieder von dem Diktum "Three Steps and a Stumble" die Rede. Zu tun hat das mit der Notenbank Fed. Wenn die nämlich dreimal in Folge die Zinsen erhöht, sei ein Kursrutsch unvermeidlich. So die Börsenweisheit. Inzwischen hat aber die Notenbank ja gerade schon zum vierten Mal die Zinsen erhöht, und manch einer fragt sich da zu Recht, wo denn nun besagter "Stumble" bliebe. Bisher war da nämlich nichts.

Und das, obwohl doch viele Kommentatoren schon seit Monaten immer wieder beklagen, dass die Fed vermutlich einen historischen Fehler begeht, weil die Zins-erhöhungen viel zu spät kämen, so mitten hinein in die möglichen Anfänge einer Rezession. Vergleiche werden gezogen, etwa mit dem - lang ist’s her - Rezessionsjahr 1937. Oder mit dem Tun von Ex-EZB-Chef Jean-Claude Trichet, der zwischen 2006 und 2008 die Zinsen drastisch erhöhte - zur Unzeit, wie wir wissen, kurz vor dem Beginn der Finanzkrise.

Ähnliche Sorgen hat man jetzt auch. Die Inflation scheint schon wieder rückläufig, und so einige makroökonomische Daten haben zuletzt auch nicht recht überzeugt. Trotzdem scheint die Fed ihr Ding durchzuziehen: rauf mit den Zinsen. Und das, obwohl vielleicht doch nicht alles so toll ist mit der Wirtschaftsentwicklung? Die Kurse steigen indes weiter - neue Rekorde beim DAX und beim Dow inklusive. Vom Stumble, vom Stolpern, ist weiter nichts zu sehen.

Vermutlich ist es schlicht so, dass in Summe die positiven Aspekte die negativen immer noch überwiegen. Zumindest kurzfristig. Außerdem sollte man sich von temporären Schwankungen der Indikatoren nicht kirre machen lassen. So wird beispielsweise in den USA ein Wirtschaftswachstum von 2,9 Prozent im zweiten Quartal erwartet. Das ist sehr überzeugend. Dazu kommt, dass die Unternehmens-ergebnisse im zurückliegenden Quartal überdurchschnittlich gut waren, ebenso der Ausblick auf die nahe Zukunft. Der Anstieg der Kurse kommt also nicht von ungefähr.

Mittelfristig ziehen indes einige dunkle Wolken am Horizont auf. Die Zinskurve in den USA beispielsweise wird immer flacher, was in der Vergangenheit stets ein Zeichen für steigende Rezessionsrisiken war. Gleichzeitig kühlt nach neuesten Daten der Immobilienmarkt ab. Es wird deutlich weniger gebaut, und es werden deutlich weniger Bauanträge gestellt.

Dennoch ist es noch zu früh, sich aus dem Aktienmarkt zurückzuziehen. Die Börse selbst ist hierfür ein guter Indikator. Noch ziehen zyklische Aktien etwa aus dem Technologiesektor oder zuletzt auch wieder Industriewerte den Markt nach oben. Das ist eigentlich ein gutes Zeichen.

Weniger positiv ist, dass die zehn Titel aus dem amerikanischen S & P-Index, die sich seit Jahresbeginn am besten entwickelt haben, für rund 50 Prozent der Wertentwicklung des ganzen Index verantwortlich sind, also für fast fünf Prozent! Das sieht nach Übertreibung aus. Positiv ist dagegen jedoch, dass Aktien, die historisch gesehen eher zum Ende eines Aufschwungs gefragt sind, etwa die Minenwerte oder auch Energieaktien, aktuell noch klar das Nachsehen haben und längst nicht so gut laufen. Wäre dies anders, müsste man sich als Aktionär warm anziehen.

Letztlich bleibt es bei unserer Einschätzung, dass auf Sicht von sechs bis zwölf Monaten der Aktienmarkt immer noch Potenzial hat. Allerdings sind Konsolidierungen nach der starken Rally in den kommenden Tagen und Wochen immer drin. Also dran bleiben und den Markt nicht aus den Augen lassen.

rtr

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com