Beim technologischen Wandel geht es nicht nur um Bloomberg-Terminals, Onlinebanking und Fintechunternehmen. Es geht auch darum, wie Ideen und Nachrichten heutzutage verarbeitet und verbreitet werden. Je mehr sich die Gesellschaft in Gruppen segregiert, die nicht mehr miteinander kommunizieren, desto höher ist das Risiko von Herdenverhalten und Fehlinvestitionen. Um dies zu vermeiden - Diversity is the Key!

Die heutigen technologischen Fähigkeiten, Big Data zu sammeln und zu verarbeiten, ermöglicht die Bereitstellung von sehr spezialisierten und personalisierten Dienstleistungen. Einzelhändler können Bücher und Musik nach dem individuellen Geschmack ihrer Kunden anbieten. Medienunternehmen können sich auf bestimmte Zielgruppen spezialisieren und bieten News-Feeds, die ihren Lesern gefallen. Die Vorteile sind klar - wer liest schon gerne Nachrichten, die irrelevant oder unerwünscht sind. All dies hat aber einen wichtigen Nachteil: Wir werden so zunehmend von Gleichgesinnten umgeben, unseren Social-Media-Freunden und Followern, von denen wir lesen und hören, was unsere Überzeugungen bestätigt. So machen personalisierte Nachrichten Filterblasen wahrscheinlicher. Infolge derer können verschiedene Gesellschaftsgruppen völlig unterschiedliche Nachrichten erhalten und untereinander diskutieren. Die persönlichen gesellschaftlichen Überschneidungen, die in der nicht-digitalen Welt üblich waren, werden seltener.

So sind etwa in den USA diejenigen, die Fox News anschauen und Breitbart lesen, viel seltener den Nachrichten und Argumenten ausgesetzt, die auf NPR, CNN, im "Wallstreet Journal" oder in der "Washington Post" zu finden sind und umgekehrt. Die größere Vielfalt an Nachrichten, ihre leichtere Zugänglichkeit, hat also nicht den Effekt, dass wir eine größere und breitere Informationsbasis haben, sondern umgekehrt. Wir müssen allein aus Zeitgründen stärker selektieren. Und dies tun viele gemäß des Prinzips: Wir lesen, was uns intuitiv gefällt und bestätigt.

Nicht mit anderen Überzeugungen und Informationen konfrontiert zu sein, hat dabei klare Nachteile. Es macht Produktivitätswachstum schwieriger, da in spezialisierten Gruppen lebende und arbeitende Personen weniger von anderen lernen können. Politische Kompromisse werden schwieriger, je weniger unterschiedliche Gruppen im öffentlichen Raum miteinander kommunizieren. Und: Herdenverhalten an den Finanzmärkten wird wahrscheinlicher, wenn die Anleger nur von ähnlich denkenden Kollegen umgeben sind.

Ein Beispiel dafür ist, dass die meisten Finanzmarktteilnehmer die Wahrscheinlichkeit von Brexit und Trump kollektiv unterschätzt haben. Viele haben auch später nicht geglaubt, dass die britische Regierung wirklich Artikel 50 auslöst und Trump die Politik verfolgt, die er im Wahlkampf versprochen hat. Stattdessen dachten viele, dass das Vereinigte Königreich sofort in eine Rezession fallen und die Wahl Trumps zu großen Verlusten an den Finanzmärkten führen würde. Offensichtlich hätten ein besseres Verständnis breiterer gesellschaftlicher Präferenzen sowie die Auswirkungen der Wahlergebnisse auf die allgemeine Stimmung von Verbrauchern und Investoren in den USA oder UK hohe Gewinne ermöglicht.

Wie lässt sich das erreichen? Mit bewusst gelebter Vielfalt. Investoren, die sich auf die Anregungen und die Kritik eines vielfältigeren Arbeitsumfeldes verlassen können, haben auf den Finanzmärkten enorme Vorteile gegenüber denjenigen, die in sehr homogenen Gruppen bleiben. Es lohnt sich daher bei fortschreitender Digitalisierung Teams in Bezug auf Alter, Geschlecht, kulturellen Hintergrund, politischer Überzeugungen und persönlicher Erfahrungen möglichst unterschiedlich zusammenzusetzen. Vielfalt reduziert das Risiko von Fehleinschätzungen.

Karsten Junius ist seit 2014 Chefvolkswirt bei J. Safra Sarasin. Zuvor arbeitete er unter anderem beim Internationalen Währungsfonds in Washington D. C. sowie beim Institut für Weltwirtschaft. Die der Nachhaltigkeit verpflichtete Bankengruppe J. Safra Sarasin ist an mehr als 25 Standorten in Europa, Asien, im Mittleren Osten und in Lateinamerika vertreten und verwaltet ein Kundenvermögen von rund 194 Milliarden US-Dollar.