von Lars Brandau, Geschäftsführer des Deutschen Derivate Verbands (DDV)

Wer private Anleger schützen will, wird sicher mit folgender Aussage übereinstimmen: Sie müssen vor Risiken geschützt werden, die sie nicht erkennen können und dementsprechend beim Kauf eines Finanzprodukts nicht freiwillig übernehmen. Unstrittig ist auch: Anlegern, die aus welchen Gründen auch immer uninformiert sind, dürfen keine Finanzprodukte verkauft werden, die nicht ihrer Renditeerwartung und Risikoneigung entsprechen. Ist beides erfüllt, dann darf es keine Bevormundung der Anleger geben, die bereit sind, für höhere Renditechancen auch größere Risiken einzugehen.

Doch wie risikobereit schätzen sich beispielsweise Zertifikateanleger in Deutschland selbst ein? Der DDV hat das in einer aktuellen Onlineumfrage abgefragt. Die Teilnehmer sollten sich dabei einer Risikoklasse zuordnen. Die fünfstufige Skala reichte von sicherheitsorientiert bis spekulativ. An der Umfrage, die gemeinsam mit sechs großen Finanzportalen durchgeführt wurde, beteiligten sich rund 3500 Personen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Risikobereitschaft online-affiner Privatkunden große Unterschiede aufweist und sie sich auch in ihrer Risikoneigung erheblich voneinander unterscheiden. 35 Prozent hielten sich für sicherheitsorientiert oder begrenzt risikobereit. Mehr als jeder Fünfte zeigte eine mittlere Risikobereitschaft. 15 Prozent hielten sich für vermehrt risikobereit. 29 Prozent gingen die Risiken einer spekulativen Anlage ein und ordneten sich der höchsten Risikoklasse zu. Bei den Umfrageteilnehmern handelt es sich in der Regel um gut informierte Anleger, die als Selbstentscheider ohne Berater investieren.

Und was ist mit den Risiken, die Beratungskunden eingehen? Wenn es um den aktiven Vertrieb von Zertifikaten geht, steht Folgendes außer Frage: Strukturierte Wertpapiere mit hohen Risiken wie Optionsscheine werden im Beratungsgeschäft der Banken nicht vertrieben. Hier gilt es nämlich, sehr genau zwischen zwei Anlegergruppen zu unterscheiden. Zum einen gibt es die Anleger, die im Rahmen einer Anlageberatung eher defensive Finanzprodukte erwerben, und zum anderen sogenannte Selbstentscheider, die ohne Beratung selbstständig investieren.

Doch können sowohl Selbstentscheider als auch Beratungskunden bereits heute problemlos die Risiken von einem Zertifikat erkennen? Die Antwort ist ein klares Ja. Es gibt ein einfaches Hilfsmittel, die Risikostufe eines Zertifikats zu erkennen und das Risiko ihrer Zertifikate zu überwachen. Jeder Interessierte kann jederzeit auf der Webseite des Deutschen Derivate Verbands prüfen, welche Risikoeinstufung ein bestimmtes Zertifikat aufweist.

Der Risikomonitor unter ddv-risikomonitor.de stuft mehr als 800 000 Anlagezertifikate und Hebelprodukte in eine von fünf Risikoklassen ein. Die einheitliche Risikoeinschätzung beruht auf der Basis des Value at Risk (VaR), der auch in anderen Finanzbereichen zum Standard zählt. Nach erstmaliger Anmeldung erhält ein Privatanleger automatisch eine E-Mail, sobald sich die Risikoklasse eines seiner Zertifikate im Portfolio verändert. Auch über das Emittentenrisiko von Zertifikaten können sich Anleger jederzeit informieren. Der Verband veröffentlicht börsentäglich die sogenannten Credit Spreads der Emittenten, die helfen, die Bonität eines Zertifikate-Emittenten richtig einzuschätzen.

Insgesamt gilt: Wer Anleger schützen will, kommt an der Realität des Zielkonflikts zwischen Sicherheit, Ertrag und Liquidität einer Geldanlage nicht vorbei. Ein Vermögenserhalt ist nur mit möglichst hohen, regelmäßigen und stabilen Erträgen möglich. Das ist jedoch in der Regel mit einem entsprechenden Anlagerisiko verbunden. Und das muss klar erkennbar sein. Bei Zertifikaten ist hier völlige Transparenz gegeben. Der falsche Weg wäre, einen selbstbestimmten Privatanleger per se am Eingehen bestimmter Risiken hindern zu wollen.

Lars Brandau

Seit Gründung des Deutschen Derivate Verbands (DDV) ist Brandau dort Geschäftsführer und vertritt den DDV auch in den Arbeitsgruppen des europäischen Dachverbands EUSIPA. Der studierte Germanist und Politologe gilt als ausgewiesener Kommunikationsprofi. Zuvor war er in leitenden Funktionen unter anderem beim Nachrichtensender n-tv tätig, wo er drei Jahre lang die "Telebörse" moderierte.