Die Erholung der Rohstoffpreise, die dem drohenden Stillstand der Weltwirtschaft während der Finanzkrise 2008/2009 folgte, war nicht von langer Dauer, blickt Torsten Dennin, Rohstoffanalyst und Fondsmanager bei dem auf Rohstoffe spezialisierten Schweizer Vermögensverwalter Tiberius Asset Management AG, zurück. Zwar seien die Preise der Rohstoffe, die im Bloomberg Commodity (Preis-)Index zusammengefasst sind, bis zum Sommer 2011 wieder auf das Vorkrisenniveau 2008 gestiegen, jedoch würden sich Rohstoffproduzenten seitdem im mittlerweile fünften Jahr mit rückläufigen Rohstoffpreisen konfrontiert sehen. Allen voran Rohöl, dessen Preis kurzzeitig unter 38 Dollar gefallen sei, ein Drittel des Wertes, der für Öl der Sorte WTI noch im Vorjahr bezahlt wurde. In 2015 strahle der Angebotsüberschuss auf dem Ölmarkt auch auf die Metallmärkte aus, denn trotz einer geringeren Nachfrage nach Metallen aus China hätten die durch die niedrigeren Energiepreise ebenfalls gesunkenen Förderkosten dazu geführt, dass die Bergbaubranche ihre Produktion nicht einschränkte.

Ein Teufelskreis, der sich in ebenfalls fallenden Metallpreisen widerspiegele. In der Folge seien die Preise für Kupfer, Aluminium, Nickel oder Zink allein dieses Jahr zwischen 15 Prozent und 35 Prozent gefallen. Auch die Notierungen für die Edelmetalle Gold und Silber seien gesunken, wenn auch weniger stark. Der Bloomberg Commodity Index (BCOM), der als Gradmesser der Rohstoffmärkte dient, handele dadurch auf Bewertungsniveaus von 1993/1994. Lediglich im Februar 1999 sei der Leitindex, der 1991 mit einer Basis von 100 Punkten aufgelegt wurde, noch tiefer gerutscht. Im energielastigeren S&P Goldman Sachs Commodity Index (GSCI) seien im August die Indexstände von 1999 unterboten und Niveaus der 1980er Jahre erreicht worden.

Lediglich Mitte der 1980er und Anfang der 1970er Jahre habe der Anfang 1970 mit einem Indexstartwert von 100 Punkten berechnete GSCI auf tieferen Niveaus gehandelt. Der Unterschied zwischen dem Preisniveau von Rohstoffen und der Bewertung des Aktienmarktes sei inzwischen so hoch wie seit 45 Jahren nicht mehr. Dies eröffne für den vorausschauenden Anleger, der nicht den prozyklischen Versprechungen immer höherer Aktienpreise hinterherlaufe, möglicherweise die Investmentgelegenheit des Jahrzehnts.

Abbildung 1: Rohstoffpreise 1970 bis 2015



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Zusammenspiel von Angebot/Nachfrage und Preisen verstehen



Um die Zusammenhänge besser zu verstehen, wirft Dennin einen Blick auf die grundlegenden fundamentalen Zusammenhänge zyklischer Märkte und vergleicht diese mit dem aktuellen Geschehen auf den Metallmärkten. Wie die Grafik zeigt, entsprechen sich im Marktgleichgewicht (M0) Angebot und Nachfrage und es wird die Menge x0 zu einem durchschnittlichen Preis von p0 ausgetauscht. Unterstellt wird eine normale Marktstruktur, in der umso mehr Käufer (und entsprechend weniger Anbieter) auftreten, je niedriger der Preis ist, und umso mehr Anbieter (und weniger Käufer) auftreten, je höher der Preis ist. Hieraus leite sich der Verlauf der Angebots- und Nachfragekurven A0 und N0 ab.

Exemplarisch treffe dies auf die Marktverfassung vieler Industriemetalle, wie zum Beispiel Kupfer, zu: Aufgrund der nachlassenden Wachstumsdynamik der chinesischen Volkswirtschaft als dominierender Faktor des globalen Nachfragewachstums, der kontinuierlichen Ausweitung der Förderung aufgrund der vergleichsweise noch immer hohen Kupferpreise und der zu erwartenden positiven Produzentenmargen, sei netto intertemporal eine Parallelverschiebung der Nachfragekurve N0 zu N1 zu beobachten. Aufgrund der niedrigeren Nachfrage (N1) pendele sich ein niedrigeres Marktgleichgewicht (M1) ein: Es werde im Vergleich zu M0 eine geringere Menge (x1) zu einem niedrigeren Preis (p1) umgesetzt.

In einer Phase der latenten Überproduktion, die für viele Produzenten durch die sich fortsetzende Stärke der US-Währung bzw. der Abschwächung der eigenen Abrechnungswährung sowie durch sinkende Kosten - nicht zuletzt durch den starken Rückgang der Preise für Rohöl und andere Energieträger - gemildert wird, fehle eine Einschränkung des Angebots. Die Schließung von bei derzeitigen Preisen unrentabler Förderung oder andere Angebotsunterbrechungen wie Streiks, Naturkatastrophen etc. würden zu einer Parallelverschiebung der Angebotsfunktion von A0 zu A1 führen. Hierdurch ist bei reduzierter Menge (x2) im neuen Marktgleichgewicht (M2) ein im Vergleich zu M1 deutlich höherer Preis (p2) realisierbar, der dem Preisniveau vor der Nachfrageschwäche (p1) entspricht.

Damit stelle sich die Frage, wann es zu einer Angebotsreaktion kommt? Eine Besonderheit der Metallmärkte sei ein niedriger Grad von Angebotsflexibilität, was langfristig zu einem ausgeprägten Schweinezyklus führe: Hohe Marktpreise führten zu verstärkten Investitionen, die sich wegen der Vorlaufzeit von Entdeckung von Förderstätten, deren Entwicklung bis zur Produktion erst mit einem Verzögerungseffekt von mehreren Jahren auf das Angebot auswirkten, dann aber zu einem Überangebot und Preisverfall führen würden. Infolgedessen komme es zur Reduzierung der Produktion durch Schließung unrentabler Förderstätten, die sich ebenfalls erst zeitverzögert auswirke. Denn im Gegensatz zur Situation der Finanzkrise 2008/2009 müssten die Preise über einen längeren Zeitraum niedrig bleiben, um nicht nur neue Investitionen zu verschieben sondern auch bestehende Produktion einzugrenzen. Hierzu sei es nötig, dass die Rohstoffpreise unter das Niveau der variablen Kosten zumindest der Hochpreisproduzenten fallen, sodass ein negativer Deckungsbeitrag diese Produzenten zwinge, ihre Förderung zu reduzieren oder der Marktmechanismus für ein Marktausscheiden einzelner Produzenten sorge. Erst wenn eine Anpassung des Angebotes stattgefunden habe, könne es in der Folge wiederum zu einem relativen Überschuss der Nachfrage verbunden mit steigenden Preisen kommen, so Denning.

Abbildung 2: Rohstoffmärkte. Angebot und Nachfrage



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Preisverfall bewirkt Umdenken bei den Bergbaukonzernen



Am Verlauf des BCOM Industriemetalle Subindex , der die Preisentwicklung von Aluminium, Kupfer, Nickel und Zink beschreibt, sei abzulesen, dass die Bergbauindustrie seit 2011 einen Preisverfall von mehr als 40 Prozent habe verkraften müssen. Dieser habe sich in drei Phasen abgespielt: (1) 2011-2013, (2) 2013-2015, (3) 2015. Während zuerst ineffiziente Mammut-Projekte ("CapexMonster") und die Finanzierungsbedingungen kleinerer Explorationsgesellschaften betroffen gewesen seien, habe allmählich ein Wandel in der strategischen Ausrichtung der großen Minengesellschaften stattgefunden: weg von der Maximierung der Fördermenge ("Wachstum um jeden Preis"), hin zu mehr Effizienz und Shareholder Value. In der zweiten Phase sei eine weitere Beschneidung der Kostenseite (Capex und Opex) angesagt. Denning erwartet, dass es nun in der dritten Phase für viele Unternehmen ans Eingemachte geht: Massenentlassungen, Minenschließungen, auch vereinzelte Konkurse schließt er nicht aus.

Abbildung 3: Preise für Industriemetalle (BCOM Industrial Metals Index Spot), 2011 bis 2015



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Die Renditeaufschläge für Kreditausfallrisiken steigen



Ein Indikator für den zunehmenden Stress im Komplex der Bergbauindustrie seien die rasant steigenden Spreads der Credit Default Swaps (CDS). Ein Credit Default Swap ist ein Kreditderivat, das es erlaubt, Ausfallrisiken von Krediten, Anleihen oder Schuldnernamen separat zu handeln. Im untenstehenden Chart sind die Fünfjahres-CDS-Spreads über die vergangenen drei Jahre abgetragen. Stellvertretend für den Goldsektor sei der CDS von Barrick Gold rückläufig seitdem die Marke von 1.085 Dollar bei Gold erreicht wurde, während im Bergbausegment (z.B. Glencore, Anglo American, Vale, Teck Resources, Freeport-McMoRan) der Stress noch zunehme.

Hierdurch komme die Skepsis der Anleihen-Investoren zum Ausdruck, inwieweit die bisherigen Kosteneinsparungen und Produktionsanpassungen ausreichen, um den Fall der Rohstoffpreise zu kompensieren. Kupferpreise unter 5.000 Dollar je Tonne hätten unter anderem den weltgrößten auf Kupfer fokussierten Bergbaukonzern aus dem Tritt gebracht: Die Anleiherendite von Freeport-McMoRan sei höher als die von der Bank of America Merrill Lynch verfolgte durchschnittliche Verzinsung von Junk-Bonds. Die Rating-Agentur Moody‘s stufe Freeport mit Baa3, dem niedrigsten Investment-Grade, ein. S&P habe die Einschätzung für Freeport im Februar auf BBB- reduziert.

Abbildung 4: Die Kreditrisiken im Bergbausektor steigen - CDS-Spread Entwicklung 2012 bis 2015



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Branchenkonsolidierung in vollem Gange



Aufgrund der jüngsten Turbulenzen an den Rohstoffmärkten erwartet Denning, dass die Ergebnisse des dritten Quartals 2015 für Unternehmen des Rohstoffsegmentes einen neuen Tiefpunkt markieren werden. Über die vergangenen fünf Jahre habe sich die Performance der börsennotierten Bergbaukonzerne und der Goldminen sowohl vom boomenden Aktienmarkt als auch vom Niveau der Rohstoffpreise und des Goldpreises abgekoppelt.

Der weitere Rückgang der Rohstoffpreise in 2015 lege der Bergbaubranche die Daumenschrauben an und forciere nun endlich die nötigen Angebotsanpassungen. Die frühzyklischen Segmente Kohle und Eisenerz habe es besonders hart getroffen - die Sektoren seien nahezu implodiert. Besonders zu leiden habe der amerikanische Kohlesektor durch den Preisverfall und den Clean Energy Plan von US-Präsident Obama. Der Fall von Eisenerz unter die Marke von 50 Dollar versetzte die Branche bereits zum Jahresbeginn 2015 in Aufruhr. Zwischen 2011 und 2015 lag der Durchschnittspreis für eine Tonne Eisenerz noch über 125 Dollar.

Der Druck zur Konsolidierung in der Branche ist dadurch hoch: Die Konsolidierung der Branche sei im vollen Gange und werde als Ergebnis die nötigen Angebotsanpassungen bringen, um die der Sektor bislang herumgekommen ist. Und genau dies ist das Licht am Ende des Tunnels, auf das der Anleger warten sollte.

Abbildung 5: Abgehängt: Bergbaukonzerne und Goldminen, 2010 bis 2015



Abbildung 6: MSCI World Metals & Mining Index: Talsohle in Sicht für den Bergbausektor



Auf Seite 6: Fazit





Fazit



Noch hält es Dennin für verfrüht, die Hausse für Rohstoffe und Minenwerte auszurufen. Denn zuerst habe sich die Bergbaubranche durch Angebotseinschränkungen erst noch den neuen Realitäten eines weniger dynamisch wachsenden Chinas zu stellen. Während dieses Prozesses werde es noch zu Minenschließungen, Unternehmenspleiten, dem Verkauf von einzelnen Minen und Zusammenschlüssen kommen. Als ein Frühwarnindikator zu werten seien hier die steigenden Ausfallrisiken von Krediten im Bergbausektor, die sich im Anstieg der Credit Default Swaps zeigen. Auch belaste viele Unternehmen der Anstieg der Verschuldung relativ zum Unternehmenswert, denn die sinkenden Rohstoffpreise führten zu Konsequenzen in den Unternehmensbilanzen.

Doch die Saat für den kommenden Bullenmarkt sei ausgebracht. Viele Unternehmen hätten bereits ihre Investitionsausgaben drastisch reduziert, die operativen Kosten seien rückläufig und die Schwäche vieler Produzentenwährungen bremsten den massiven Preisverfall der Rohstoffe. Die absolute und relative Bewertung von Rohstoffen sei (fast) so niedrig wie noch nie in den vergangenen 40 Jahren. Das niedrige Niveau des Ölpreises werde 2016 zudem für neue Wachstumsimpulse der Weltwirtschaft sorgen und somit wiederum die Rohstoffnachfrage steigen lassen. Mittelfristig werde sich die massive Einschränkung der Investitionen in Rohstoffprojekte als Bumerang erweisen, denn diese Förderstätten würden in den nächsten Jahren im Marktgleichgewicht fehlen.

Der aus dieser Situation erwachsene Bullenmarkt für Rohstoffe werde in der Folge voraussichtlich an die drei Bullenmärkte der vergangenen 40 Jahre anschließen können. In der Folge sehen wir, dass sich für das Thema Rohstoffe über die Bereiche Aktien, Anleihen, Währungen und Derivate (Futures) über die nächsten Monate eine Investment-Chance auftue, die es in jedem Jahrzehnt nur ein einziges Mal geben würde. Aufgrund des attraktiven Chance/Risiko-Profils sollte hier das Aktiensegment Metals & Mining im Fokus stehen.