Unter den kommerziellen Branchenangehörigen (Commercials), Großspekulanten (Non-Commercials) und Kleinspekulanten (Non-Reportables) gab es in der vergangenen Woche erhebliche Stimmungsveränderungen zu beobachten. Das allgemeine Interesse an Gold-Futures, welches sich besonders gut an der Anzahl offener Kontrakte (Open Interest) ablesen lässt, hat auf Wochensicht stark zugenommen und sich in der Woche zum 14. Juni von 496.330 auf 545.357 Kontrakte (+9,9 Prozent) kräftig erhöht. Während große Terminspekulanten vor allem ihr Long-Exposure signifikant nach oben gefahren haben, war unter kleinen Terminspekulanten ein massives Zurückfahren der Short-Seite zu beobachten - die Wirkung war dieselbe und schlug sich in einem gestiegenen Optimismus nieder.

So hat sich innerhalb einer Woche die kumulierte Netto-Long-Position (optimistische Markterwartung) großer und kleiner Spekulanten von 243.692 auf 298.077 Kontrakte (+22,3 Prozent) erhöht, was den höchsten Wert seit Oktober 2010 darstellt. Diesmal war die Kapitalflucht auf den drohenden "Brexit" zurückzuführen. Am Freitagmorgen wird sich zeigen, ob diese berechtigt war. Dann soll nämlich das Ergebnis des EU-Referendums der Briten veröffentlicht werden.

Starkes Kaufinteresse war sowohl unter großen als auch unter kleinen Spekulanten registriert worden. Dies machte sich zum Beispiel unter großen Terminspekulanten in einem massiven Anstieg der Netto-Long-Position von 228.619 auf 279.862 Futures (+22,4 Prozent) bemerkbar. Bei den Kleinspekulanten stellte sich im selben Zeitraum ein Zuwachs von 15.073 auf 18.215 Kontrakte (+20,8 Prozent) ein. Eines sollten besorgte Anleger, die Gold als Krisenschutz betrachten, allerdings stets im Hinterkopf behalten: Bei Gold-Futures sind lediglich etwas mehr als drei Prozent des Gesamtmarktvolumens mit registriertem, physischem Gold hinterlegt. Einem durch den Open Interest repräsentierten "Goldberg" von 54,5 Millionen Feinunzen Gold stehen Goldbarren mit einem Gewicht von lediglich 1,7 Millionen Feinunzen gegenüber. Damit gelten Gold-Futures als Papiergold "par excellence" und nicht als übermäßig solide.

Auf Seite 2: Nachfrageschub in China und im ETF-Sektor In der Vergangenheit reagierten chinesische Goldkäufer auf steigende Goldpreise meist mit einer zunehmenden Zurückhaltung. Diese vermeintliche Gesetzmäßigkeit hat in der vergangenen Handelswoche jedoch nicht gegriffen. So kletterte zum Beispiel an der Shanghai Gold Exchange bei den besonders liquide gehandelten Ein-Kilogramm-Goldbarren der durchschnittliche Tagesumsatz von 26.376 auf 32.713 kg (+24,0 Prozent), was den höchsten Wert seit fünf Monaten darstellte. Ihren Ruf als "Schnäppchenjäger" werden Chinas Investoren derzeit eher nicht gerecht, schließlich kaufen sie in einem steigenden Markt.

Beim weltgrößten Gold-ETF SPDR Gold Shares war in der vergangenen Woche ebenfalls ein wachsendes Goldinteresse zu verzeichnen. Dessen gehaltene Goldmenge kletterte nämlich innerhalb dieses Zeitraums von 893,92 auf 907,88 Tonnen. Nur zur Erinnerung: Zum Jahreswechsel beliefen sich dessen Goldbestände auf lediglich auf 642,37 Tonnen. Dies alles lässt nur einen Schluss zu: Die Risikoaversität scheint an den Finanzmärkten weiterhin ausgesprochen stark ausgeprägt zu sein. Als weiteres Indiz für die Gültigkeit dieser These fungiert auch der Umstand, dass nicht nur die von der Bundesbank berechnete Umlaufrendite deutscher Staatsanleihen, sondern auch die zehnjährige Bundesanleihe negative Vorzeichen ausweist. Damit setzen sich negative Realzinsen, also um die Inflationsrate bereinigte Renditen, immer mehr durch. Für den Vergleich mit Gold bedeutet dies: Es fallen keine durch den Verzicht auf Zinsen entstehende Opportunitätskosten an - und das scheint dem gelben Edelmetall ausgesprochen gut zu bekommen.

Zum Commitments of Traders-Report:

Einmal pro Woche veröffentlicht die US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission (CFTC) den sogenannten Commitments of Traders-Report (COT) für sämtliche US-Terminbörsen und deren angebotenen Futures. Im wöchentlichen Rhythmus wird unter anderem die Anzahl der offenen Kontrakte (Open Interest) für jeden Basiswert veröffentlicht. Sie bringt zum Ausdruck, wie sich das allgemeine Interesse auf Wochensicht entwickelt hat. < br>
Außerdem zeigt der COT-Report auf Basis der Marktdaten des jeweiligen Dienstags auf, wie sich die Marktpositionen der kommerziellen Branchenvertreter (Commercials) und der spekulativen Marktakteure - aufgeteilt in Großspekulanten (Non-Commercials) und Kleinspekulanten (Non-Reportables) - innerhalb einer Woche verändert haben. Für jede Gruppe von Marktakteuren werden jeweils deren Long- und Short-Positionen aufgeführt. Übertrifft die Long-Seite das Short-Engagement wird von einer Netto-Long-Position gesprochen, die eine mehrheitlich optimistische Markterwartung zum Ausdruck bringt. Im anderen Fall (mehr short als long) handelt es sich um eine Netto-Short-Position, die eine tendenziell pessimistische Markterwartung anzeigt. Für die Aktivitäten der spekulativen Marktakteure interessieren sich die Marktbeobachter normalerweise besonders stark, da ihr Handeln vor allem auf das Erzielen möglichst hoher Gewinne ausgerichtet ist und daher einen starken Einfluss auf die Preisentwicklung und das Marktsentiment ausüben kann.

Zum Autor:

Jörg Bernhard ist freier Journalist und hat sich in den vergangenen Jahren auf Zertifikate-, Rohstoff- und Edelmetallinvestments spezialisiert.