Dass sich der Ölpreis seit Ende Juni ungefähr halbiert hat, sorgte an den Finanzmärkten für heiße Diskussionen, schließlich gilt der fossile Energieträger mit großem Abstand als wichtigster Rohstoff der Welt. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt den globalen Ölbedarf für das Jahr 2015 auf 93,5 Millionen Barrel pro Tag, was auf Basis des aktuellen Ölpreises einem Tagesumsatz von 4,6 Milliarden Dollar entspricht. An den Terminmärkten spielen Futures auf Öl eine noch größere Rolle. Die Anzahl offener Kontrakte - der sogenannte Open Interest - beläuft sich aktuell auf 1,74 Millionen Futures und befindet sich damit auf einem ähnlich hohen Niveau wie Ende Juni. Zur Erinnerung: Ein Future bezieht sich auf 1.000 Barrel Öl. Der aktuelle CoT-Report (siehe Seite 3), der im wöchentlichen Rhythmus eine Momentaufnahme über die aktuelle Positionierung der unterschiedlichen Marktakteure und deren Stimmung liefert, wies in der Woche zum 31. März unter den spekulativen Marktakteuren erstmals seit Mitte Februar wieder einen stärkeren Optimismus aus.

Sie haben seit Ende Juni ihre long positionierten Futures reduziert und das Short-Engagement deutlich nach oben gefahren. Dies führte zu einem Einbruch der kumulierten Netto-Long-Position (optimistische Markterwartung) großer und kleiner Spekulanten von 492.580 auf aktuell 226.346 Kontrakte (-54 Prozent). Besonders heftig fiel dieser Meinungsumschwung bei den Großspekulanten (Non-Commercials) aus, wo innerhalb dieses Zeitraums ein Einbruch der Netto-Long-Position von 458.969 auf nunmehr 226.695 Futures (-50,6 Prozent) registriert worden war. Bei den Kleinspekulanten (Non-Reportables) war die Tendenz ähnlich negativ. Hier verwandelte sich in den vergangenen neun Monaten eine Netto-Long-Position von 33.611 sogar in eine leichte Netto-Short-Position (pessimistische Markterwartung) von 349 Kontrakten. An den Energiemärkten stellt man sich nun die Frage, ob es sich beim jüngsten Zuwachs an Optimismus um ein temporäres Strohfeuer oder einen nachhaltigen Stimmungswechsel handelt.

Auf Seite 2: Volatilität im Höhenflug



Investments in Öl kann man derzeit vor allem ein hohes Maß an Unsicherheit attestieren. Dies lässt sich an der Risikokennzahl Volatilität eindrucksvoll ablesen. Während sich der Ölpreis in den vergangenen Monaten halbierte, vervielfachte sich die historische 100-Tage-Volatilität von 10 auf über 50 Prozent. Erhebliches Verlustpotenzial ergibt sich derzeit aber aus der Terminkurve von WTI-Futures. Weil die Kontrakte mit längerer Laufzeit höher notieren als die Futures mit kürzerer Laufzeit spricht man aktuell von einer sogenannten Contangophase. So übertrifft zum Beispiel der zwölf Monate länger laufende Future den nächstfälligen Kontrakt aktuell um 17,5 Prozent. Das heißt: Um mit diesem Kontrakt auf Jahressicht einen Gewinn zu erzielen, müsste sich der Ölpreis um mehr als 17,5 Prozent verteuern. Dies ist zwar kein Ding der Unmöglichkeit, könnte sich angesichts der erheblichen Überproduktion allerdings als schwieriges Unterfangen erweisen. In Russland, Saudi-Arabien und in den USA deutet derzeit wenig darauf hin, dass die Ölforderung demnächst in nennenswertem Umfang sinken könnte. Und der Iran dürfte im Falle einer Lockerung der Sanktionen die aktuelle Ölschwemme weiter verstärken. Auf einen nachhaltigen Trendwechsel deutet derzeit wenig hin, weder beim Ölpreis noch bei dessen Volatilität.

Zum Commitments of Traders-Report:

Einmal pro Woche veröffentlicht die US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission (CFTC) den sogenannten Commitments of Traders-Report (COT) für sämtliche US-Terminbörsen und deren angebotenen Futures. Im wöchentlichen Rhythmus wird unter anderem die Anzahl der offenen Kontrakte (Open Interest) für jeden Basiswert veröffentlicht. Sie bringt zum Ausdruck, wie sich das allgemeine Interesse auf Wochensicht entwickelt hat.

Außerdem zeigt der COT-Report auf Basis der Marktdaten des jeweiligen Dienstags auf, wie sich die Marktpositionen der kommerziellen Branchenvertreter (Commercials) und der spekulativen Marktakteure - aufgeteilt in Großspekulanten (Non-Commercials) und Kleinspekulanten (Non-Reportables) - innerhalb einer Woche verändert haben. Für jede Gruppe von Marktakteuren werden jeweils deren Long- und Short-Positionen aufgeführt. Übertrifft die Long-Seite das Short-Engagement wird von einer Netto-Long-Position gesprochen, die eine mehrheitlich optimistische Markterwartung zum Ausdruck bringt. Im anderen Fall (mehr short als long) handelt es sich um eine Netto-Short-Position, die eine tendenziell pessimistische Markterwartung anzeigt. Für die Aktivitäten der spekulativen Marktakteure interessieren sich die Marktbeobachter normalerweise besonders stark, da ihr Handeln vor allem auf das Erzielen möglichst hoher Gewinne ausgerichtet ist und daher einen starken Einfluss auf die Preisentwicklung und das Marktsentiment ausüben kann.

Zum Autor:

Jörg Bernhard ist freier Journalist und hat sich in den vergangenen Jahren auf Zertifikate-, Rohstoff- und Edelmetallinvestments spezialisiert.