Saudi-Arabien bricht mit einem langjährigen Dogma der Gruppe und will den Preis nicht mehr länger über die Fördermenge steuern, wie Reuters von Insidern erfuhr. Dies sei der Erkenntnis geschuldet, dass die Konkurrenz aus Nicht-Opec-Staaten wie den USA, Kanada und auch aus Russland schier zu groß geworden ist. Der Versuch der Preiskontrolle über ein Kartell ist demnach zum Scheitern verurteilt.

In der Opec trifft der Schwenk des Königshauses auf Widerspruch, wie Teilnehmer des Wiener Treffens von dieser Woche berichten: Insbesondere der Erzrivale Iran trägt die Linie Saudi-Arabiens nicht mit. Teheran, das nach dem Ende der westlichen Sanktionen als Erdölexporteur am Weltmarkt durchstarten möchte, sieht die Geschäftsgrundlage des Kartells bedroht. Es plädierte in Wien für ein Festhalten an alten Werten: Die Opec müsse an "effizientem Produktionsmanagement" als langfristigem Ziel festhalten. Doch der Opec-Vertreter Riads hielt kühl dagegen: Die Zeiten hätten sich in den vergangenen Jahren derart geändert, dass der Versuch zwecklos sei. Der Markt sei stärker vom Wettbewerb geprägt und nicht mehr so monopolistisch wie früher. Die Zeiten der hohen Preise, die von 2010 bis 2014 herrschten, seien vorbei.

Das sind neue Töne für Saudi-Arabien, das jahrzehntelang über die Drosselung oder das Hochfahren der Produktion der OPEC-Staaten den Preis zu steuern versuchte. Zumeist ging das Land mit gutem Beispiel voran und drückte dabei ein Auge zu, wenn kleinere oder weniger reiche Mitglieder des Kartells die Vorgaben nicht erfüllten und quasi als Trittbrettfahrer von der Förderpolitik Riads profitierten. So gelang es auch im Jahr 2008 den freien Fall des Ölpreises im Sog der Weltfinanzkrise zu stabilisieren und ihn von unter 40 Dollar pro Barrel wieder auf ein Niveau jenseits der 100er Marke zu hieven. Wegen des Überangebots und der mauen Weltkonjunktur sank der Preis seit Mitte 2014 jedoch von 115 Dollar auf zeitweise unter 30 Dollar. Nun liegt er für Nordsee-Öl bei knapp 45 Dollar.

Dass die Opec nicht mehr wie einst den Markt nach Belieben dominiert, liegt an der rasanten Erschließung neuer Rohstoff-Quellen, die in der Hochpreisphase zu einem lukrativen Geschäft wurde: In Kanada wurden Ölsandvorkommen erschlossen, in den USA Ölschiefer-Lager ausgebeutet. Damit ist der Nimbus des Öls als knappes Gut passé. Hinzukommt, dass auch Nicht-Opec-Staaten wie Russland mit ihrer Förderleistung zum weltweiten Überangebot beigetragen haben. Mit der saudischen Linie vertraute Insider berichten, Riad sei nun verstärkt darauf aus, seinen eigenen Marktanteil zu stabilisieren. Dahinter stecke das Kalkül, dass es besser sei, trotz niedriger Preise mehr zu produzieren als die Förderung zu drosseln. Denn bei nachlassender Nachfrage sei künftig ohnehin mit einem weiteren Preisverfall zu rechnen.

ENDE DER WACHSTUMSSTORY



Zum Strategiewechsel in Riad haben auch finanzielle Zwänge beigetragen. Im Haushalt klafft eine Lücke von 97,9 Milliarden Dollar - das entspricht 15 Prozent der Wirtschaftsleistung. Auch wenn der Ölpreis mit einem Rekordtief im vorigen Jahr wohl die Talsohle erreicht hat, macht sich in Saudi-Arabien nach Ansicht von Beobachtern die Erkenntnis breit, dass der Schmierstoff der Weltwirtschaft seine Wachstumsstory längst hinter sich hat. Denn immer effizientere Motoren sorgen für weniger Verbrauch. Zudem setzen neue Technologien sowie härtere Umweltauflagen dem Anstieg des Ölpreises de facto Grenzen. Saudi-Arabien habe in dieser veränderten Welt weniger die Opec als Ganzes im Blick und achte stärker auf seinen eigenen Vorteil, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Das dürfte besonders das wirtschaftlich angeschlagene Venezuela mit großer Sorge sehen. Es setzt sich besonders für eine Vereinbarung ein, um die Preise für Erdöl zu stützen - auch unter Einbeziehung von Staaten außerhalb der Opec. Eine preisstabilisierende Drosselung der Förderung zum Wohle aller Opec-Mitglieder steht für Riad jedoch laut einem Insider nicht länger im Vordergrund: "Es soll keine Trittbrettfahrer mehr geben."

Reuters