Bei einem aktuellen Stand (Mittwochabend) von 14,16 Dollar je Feinunze hat der Silberpreis das im August bei 14,17 Dollar aufgestellte Jahrestief knapp unterschritten. Der Schwung, der den Silberpreis in Reaktion auf das August-Tief bis auf 16,13 Dollar nach oben schnellen ließ, konnte somit nicht lange behauptet werden. Aktuell geht es vor allem darum, ob mit den neuen Mehrjahrestiefs ein frisches prozyklisches Kaufsignal generiert wird oder auf dem aktuellen Niveau vielleicht doch die Ausbildung eines doppelten Bodens gelingt.

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Gold-Silber-Ratio deutlich gestiegen



Die Ausgangslage ist somit sehr spannend und deshalb ist es aktuell ganz besonders interessant, sich mit dem Edelmetall zu beschäftigen. Das haben auch die Analysten der BofA Merrill Lynch in einer Studie getan. Zu Beginn weisen sie darin auf das zuletzt wieder volatile Preisverhalten sowie auf die vergleichsweise schwache Wertentwicklung hin. Zum Verständnis: Silber entwickelt sich schon seit geraumer Zeit auch deutlicher schlechter als Gold. Laut BofA Merrill Lynch ist alles das aber keine Besonderheit, sondern deckt sich mit früher schon zu beobachtenden Entwicklungen.



Die jüngste scharfe Preiskorrektur wird beispielsweise auch damit erklärt, dass der Silbermarkt ziemlich klein und illiquide verglichen mit anderen Rohstoffen ist. Das trage entscheidend zu einer höheren Volatilität und zu einer schwächeren Entwicklung in Bärenmärkten bei. Das relativ hohe Beta des Silberpreises, das als Kennziffer für die Schwankungsintensität die vergleichsweise hohe Volatilität beim Silber bestätigt, komme auch in einer deutlich gestiegenen Gold-Silber-Ratio zum Ausdruck.

Diese Kennziffer gilt als Indikator für die Preisentwicklung von Gold und Silber untereinander. Je höher der Wert der Gold-Silber-Ratio ist, desto niedriger ist die Bewertung von Silber im Vergleich zu Gold. Und zuletzt ist diese Gold-Silber-Ratio laut BofA Merrill Lynch eben auf Niveaus gestiegen, die es seit Ende der 199er-Jahre nicht mehr zu beobachten gab. Wegen der geschilderten Zusammenhänge sei diese Entwicklung letztlich aber keine Überraschung. Zumal auch noch eine relativ Schwache Nachfrage nach Silber von Investorenseite und der Industrie hinzukomme.

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Nachfrage in China stockt etwas



In diesem Kontext wird daran erinnert, dass der Silberpreis stark von diesen beiden Einflussgrößen geprägt werde, weil sowohl Industrie als auch Investoren sehr wichtig für die Nachfrage nach dem Edelmetall seien. Wichtig zu wissen sei es deshalb beispielsweise, dass sich die chinesischen Netto-Silber-Importe in den vergangenen zwölf Monaten im Bereich von Mehrjahrestiefs bewegten.

Erklären lasse sich das wiederum unter anderem mit der jüngsten Schwäche des verarbeitenden Gewerbes im Reich der Mitte. Abzulesen sei dies selbst im Solarsektor, wo sich die Zahl der Installationen 2014 deutlich verringert habe. Dazu ist folgendes wichtig: Weltweist stammt rund fünf Prozent der Nachfrage nach Silber aus dem Photovoltaiksektor. Immerhin: BofA Merrill Lynch schreibt auch über zuletzt wieder angesprungene Installationen und von den ehrgeizigen Zielen, die der chinesische Staat für den Ausbau des Solarsektors vorgegeben hat.

Gleichzeitig wird aber auch an eine relativ schwache Nachfrage nach Silber von Seiten der chinesischen Schmuckindustrie in den vergangenen Monaten berichtet. Wobei an der Shanghai Gold Exchange zum Jahreswechsel auch ein rekordhohes Handelsvolumen zu beobachten war, so dass dieses Argument vermutlich nur bedingt als Erklärungsansatz taugt. Abgesehen davon zeigen sich beim Blick auf die in China lokal gezahlten Silberpreis-Prämien laut BofA Merrill Lynch keine Auffälligkeiten, die auf eine unmittelbare Silberknappheit in dem Land hindeuten würden. Phasenweise sei Silber in den vergangenen Monaten in dem Riesenreich sogar mit einem Preisabschlag gehandelt worden.

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Abbau von Silber-ETF-Beständen als latente Gefahr



Als nur gedämpft bezeichnen die Analysten der US-Bank ansonsten auch das Interesse von Investorenseite. Festgemacht wird das auch an Umsätzen bei dem außerhalb Chinas in Silber-ETFs investierten Kapital, das seit dem Jahr 2013 stagniere. Die nicht-kommerziellen Anleger dürfte demnach zumindest teilweise noch immer von dem stärken Preisverfall seit dem im Jahr 2011 bei rund 50 Dollar je Feinunze markierten Hoch beeindruckt sein. Denn die Erinnerung an dieses traumatische Erlebnis dürfte die Bereitschaft zu Neuanlagen bremsen. Interessant bei dem Blick auf die Entwicklung des Silber-ETF-Volumens ist aber auch, die große Kluft, die sich zwischen dem zuletzt stagnierenden Volumen und dem stark gefallenen Silberpreis aufgetan hat. Hier wird sich zeigen müssen, welche Seite letztlich reagiert, um die Kurven wieder enger zusammenzubringen. Passieren kann das sowohl über steigende Silberpreise oder über einen Abbau von Beständen, wovon davon wiederum zusätzlicher Preisdruck ausgehen würde.

Anlagevermögen der Silber-ETF bei deutlich gefallenem Silberpreis einigermaßen stabil


Die bisher in größerem Stil ausgebliebenen Verkäufe von Silber-ETFs könnten nach Einschätzung der Analysten dazu geführt haben, dass der Preisdruck zuletzt nicht noch stärker ausgefallen sei. Gleichzeitig wird aber an die Verkäufe bei den Gold-ETFs erinnert und an die damit einhergehende Option einer möglicherweise noch bevorstehenden ähnlichen Entwicklung bei den Silber-ETFs. Eine Liquidierung von Beständen auch angesichts des schwachen Preisgebarens wird dann auch als eines der größten bestehenden Abwärtsrisiken für den Silberpreis bezeichnet.

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Starkes Silbermünzen-Nachfrage - Münzensegment aber eher unbedeutend



Als wichtiger Pluspunkt für Silber wird auf die anhaltend starke Nachfrage nach Silbermünzen verwiesen. So seien etwa US Silver Eagles bei US-Privatanlegern äußerst beliebt. Das trage unter anderem auch zu erhöhten Prämien für Silbermünzen bei. Die Tatsache, dass nicht-kommerzielle Investoren das Edelmetall ganz offensichtlich noch nicht angeschrieben hätten, sei ein ermutigendes Zeichen. Gleichzeitig wird aber auch festgestellt, dass dieses Segment zu klein sei, um den globalen Silbermarkt und damit den Silberpreis entscheidend zu beeinflussen.

Unter Berücksichtigung der erwarteten Nachfrage von Seiten der Industrie und den Investoren wittert die BofA Merrill Lynch basierend auf einem Berechnungsmodell kurzfristig noch weiteres Abwärtspotenzial für den Silberpreis. Zumal auch die befürchteten weiteren Verluste beim Goldpreis gegen Silber sprechen würden, weil bei dieser Konstellation kaum mit einem Eigenleben losgelöst vom Goldpreis zu rechnen sei. Als potenziell große Bürde für den Silberpreis wird dabei eine möglicherweise demnächst anstehende Zinserhöhung durch die US-Notenbank bezeichnet. Eine Zinsanhebung der Fed müsse gerade zum jetzigen Zeitpunkt als besonders schädlich eingestuft werden. Denn ein Anstieg der Zinsen und die damit einhergehenden steigenden Opportunitätskosten für einen unverzinsten Vermögenswert wie Silber es ist, werde derzeit noch nicht kompensiert durch ebenfalls steigende Inflationsraten.

Entwicklung bei Inflation und verarbeitendem Gewerbe entscheidend



Allerdings gebe es in dieser Hinsicht aus Sicht der Silber-Bullen auch erste hoffnungsvolle Signale. So seien der Preisdeflator für die persönlichen Konsumausgaben in den USA sowie die dortigen Stundenlöhne möglicherweise dabei, einen Boden auszubilden. Zuletzt seien die Löhne jedenfalls um 2,5 Prozent im Jahresvergleich gestiegen, ein Trend der anhalten könnte, falls der US-Arbeitsmarkt ein Niveau erreicht haben sollte, in dem es schwer ist, zusätzliche qualifizierte Arbeitskräfte zu finden. Weil ein reflationiertes Umfeld positiv für den Silberpreis sein kann, beobachten die BofA Merrill Lynch-Analysten die weiteren Entwicklung an der Inflationsfront sehr genau.

Ebenfalls im Fokus des Interesses steht die zuletzt zu beachtende weltweite Schwäche des verarbeitenden Gewerbes, denn diese könnte sich im kommenden Jahr ins Positive drehen. Für den Silberpreis wäre das ein ermutigendes Signal, weil die konjunkturelle Schwäche zu geringeren Silberkäufen beigetragen habe. Eine schnelle Wende sei zwar nicht zu erwarten, aber ab dem zweiten Halbjahr 2016 sei eine Belebung im verarbeitenden Gewerbe weltweit auch dank neuer Stimulierungsmaßnahmen denkbar.

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BofA Merrill Lynch-Prognose: Silberpreis erst runter, dann rauf



Auf die Preisprognosen der BofA Merrill Lynch-Analysten wirkt sich alles das wie folgt aus: Angesichts des derzeit auch beim Gold noch bestehenden Gegenwindes wird an der zu Jahresbeginn aufgestellten Preisprognose von 1.000 Dollar je Feinunze festgehalten. Die für das gelbe Edelmetall unterstellte Nachfrageschwäche von Investorenseite dürfte auch auf den Silbermarkt durchschlagen, zumal hier auch die noch gedämpften Aktivitäten im verarbeitenden Gewerbe durchschlagen würden. Kurzfristig könnte das zu einem Absacken des Silberpreises auf zwölf Dollar pro Feinunzen führen.

Sollte mittelfristig aber die Inflation anziehen und sich die Nachfrage nach Silber aus der Industrie im kommenden Jahr stabilisieren, dann sollte das auch dem Silberpreis wieder auf die Sprünge helfen. Der nominale Silberpreis wird den Prognosen zufolge 2017 bei 17,32 Dollar je Feinunze gesehen und langfristig sogar bei 19,80 Dollar. Wie Eingangs versprochen, haben die BofA Merrill Lynch-Analysten somit sowohl Futter für die Bären als auch die Bullen am Silbermarkt parat. Nun bleibt nur noch abzuwarten, ob sich die skizzierten Preisszenarien auch tatsächlich einstellen werden.