Eines ist aber offensichtlich: Seit Juni 2014 hat sich nicht nur der WTI-Future, sondern auch die kumulierte Netto-Long-Position (optimistische Markterwartung) großer und kleiner Spekulanten mehr als halbiert. Während dieses Zeitraums brach der Optimismus aller spekulativen Marktakteure nämlich von 492.580 (24.06.2014) auf aktuell 246.072 Kontrakte ein. Im laufenden Jahr war an den Terminmärkten eine regelrechte Achterbahn der Gefühle zu beobachten. Während in der ersten Jahreshälfte noch eine Erholung auf in der Spitze mehr als 350.000 Futures (19.05.2015) registriert worden war, hat dieser Optimismus in der zweiten Jahreshälfte wieder um mehr als 30 Prozent nachgelassen.

In der Woche zum 11. November haben sich die Transaktionen der Großspekulanten (Non-Commercials) und die der Kleinspekulanten (Non-Reportables) allerdings völlig konträr entwickelt. Während große Spekulanten skeptischer wurden und ihre Netto-Long-Position von 246.191 auf 238.322 Kontrakte (-3,2 Prozent) zurückgefahren haben, wechselten die Kleinspekulanten mehrheitlich vom "Bärenlager" ins "Bullenlager". Auf Wochensicht machten sie nämlich aus einer Netto-Short-Position (pessimistische Markterwartung) von 1.819 Futures eine Netto-Long-Position in Höhe von 7.750 Kontrakten. Ihr Pessimismus war 2015 bislang allerdings relativ hartnäckig. In 17 von bis dato 46 Kalenderwochen (37 Prozent) war die Short-Seite ausgeprägter als das Long-Exposure.

Auf Seite 2: Fundamentale plus charttechnische Probleme



Bei der Analyse des Ölpreises drücken derzeit mehrere Faktoren fundamentaler und charttechnischer Art auf die Stimmung der Marktakteure. Besonders offensichtlich wird dies durch den Blick auf den Chart. So hat der Ölpreis seit Mitte 2014 mehr als 60 Prozent verloren und scheiterte in diesem Jahr bereits mehrfach an einem Trendwechsel nach oben. Noch immer weist die 200-Tage-Linie eine fallende Tendenz aus - wenngleich deutlich weniger ausgeprägt als vor wenigen Monaten. Sollte sie nach oben drehen, wäre dies zweifellos als berechtigte Hoffnung auf einen Turnaround zu werten. Doch derzeit überwiegen eher die Molltöne, schließlich verletzte der WTI-Future im November seine im Bereich von 45 Dollar angesiedelte Unterstützungszone. Als nächste "potenzielle Haltezone" fungiert nun das in der zweiten Augusthälfte markierte Fünfeinhalbjahrestief oberhalb von 38 Dollar. Sollte sie verletzt werden, wird es richtig brenzlig. Dann droht nämlich ein Test des im Zuge der Lehman-Pleite markierten Mehrjahrestiefs bei 32 Dollar.

Doch maßgeblich verantwortlich für die miserable Performance des Ölpreises sind vor allem fundamentale Faktoren. Diese machen sich sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite negativ bemerkbar. So haben sich laut Daten der US-Energiebehörde Energy Information Administration die gelagerten Ölmengen in den USA innerhalb von elf Wochen von 450,8 Millionen auf 487 Millionen Barrel (+8,0 Prozent) erhöht. In China gab es bislang keinen markanten Nachfrageeinbruch zu vermelden. Dies lag aber in erster Linie daran, dass die Chinesen ihre strategischen Ölreserven trotz schwächelnder Konjunktur massiv ausgebaut haben. Doch wie in den USA dürfte sich aufgrund endlicher Lagerkapazitäten dieser Trend nicht ewig fortschreiben. Irgendwann muss die "echte Nachfrage" wieder anziehen, zumal in den Förderländern die Bereitschaft zu einer niedrigeren Ölproduktion nicht sonderlich stark ausgeprägt ist. Vor diesem Mix an Negativfaktoren fragt man sich, was dem fossilen Energieträger wieder auf die Beine helfen bzw. einen Turnaround generieren könnte - Short-Eindeckungen an den Terminbörsen wären dabei eine denkbare Option.

Zum Commitments of Traders-Report:

Einmal pro Woche veröffentlicht die US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission (CFTC) den sogenannten Commitments of Traders-Report (COT) für sämtliche US-Terminbörsen und deren angebotenen Futures. Im wöchentlichen Rhythmus wird unter anderem die Anzahl der offenen Kontrakte (Open Interest) für jeden Basiswert veröffentlicht. Sie bringt zum Ausdruck, wie sich das allgemeine Interesse auf Wochensicht entwickelt hat. < br>
Außerdem zeigt der COT-Report auf Basis der Marktdaten des jeweiligen Dienstags auf, wie sich die Marktpositionen der kommerziellen Branchenvertreter (Commercials) und der spekulativen Marktakteure - aufgeteilt in Großspekulanten (Non-Commercials) und Kleinspekulanten (Non-Reportables) - innerhalb einer Woche verändert haben. Für jede Gruppe von Marktakteuren werden jeweils deren Long- und Short-Positionen aufgeführt. Übertrifft die Long-Seite das Short-Engagement wird von einer Netto-Long-Position gesprochen, die eine mehrheitlich optimistische Markterwartung zum Ausdruck bringt. Im anderen Fall (mehr short als long) handelt es sich um eine Netto-Short-Position, die eine tendenziell pessimistische Markterwartung anzeigt. Für die Aktivitäten der spekulativen Marktakteure interessieren sich die Marktbeobachter normalerweise besonders stark, da ihr Handeln vor allem auf das Erzielen möglichst hoher Gewinne ausgerichtet ist und daher einen starken Einfluss auf die Preisentwicklung und das Marktsentiment ausüben kann.

Zum Autor:

Jörg Bernhard ist freier Journalist und hat sich in den vergangenen Jahren auf Zertifikate-, Rohstoff- und Edelmetallinvestments spezialisiert.