Bleib gesund und fit!" Der Glückwunsch des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) an Mario Götze zu seinem 22. Geburtstag vergangenen Dienstag klang weniger nach einem Ratschlag fürs neue Lebensjahr als vielmehr nach einem frommen Wunsch für die nächsten vier Wochen. Denn beim WM-Turnier in Brasilien, das am 12. Juni beginnt, wird Götze wohl eine Schlüsselrolle zufallen.

Dieser Tage feiert nämlich ein weiterer Nationalspieler Geburtstag: Am 9. Juni wird Miroslav Klose etwas tiefer Luft holen müssen, um sämtliche 36 Kerzen auf seiner Torte auszublasen. Weil er in diesem Alter nicht mehr ganz beschwerdefrei ist und eine von Verletzungen bestimmte Saison hinter sich hat, ist bereits abzusehen, dass der 22-jährige Bayern-Spieler anstelle des Stürmers von Lazio Rom auflaufen wird. Götze ersetzt dann als offensivster Mittelfeldspieler, der sich auch immer wieder zurückfallen lässt, den klassischen Mittelstürmer. Der Grund dafür, dass diese von Bundestrainer Joachim Löw mehrfach getestete taktische Variante im Maßnahmenkatalog der Nationalmannschaft steht, liegt über ein Jahrzehnt zurück. Fußball-Deutschland hatte sich damals an der New Economy verhoben.

Mit der Kirch-Gruppe handelte die Liga einen vermeintlich guten Deal für die Übertragungsrechte aus. Im Jahr 2000 vereinbarte der DFB einen Vertrag über vier Spielzeiten im Gesamtvolumen von drei Milliarden Mark. Das Geld saß locker, Borussia Dortmund ging an die Börse, die Ablösesummen und Gehälter in den Vereinen schwangen sich auf ein immer höheres Niveau.

Dass die deutsche Nationalmannschaft von diesen Kasinogeschäften im Vereinsfußball Ende der 90er-, Anfang der 2000er-Jahre aber überhaupt nicht profitieren würde, merkten die Funktionäre erst sehr spät - und dafür auf umso bitterere Art und Weise. Zehn Jahre nach dem triumphalen Sommerabend in Rom, als Weltmeistermacher Franz Beckenbauer einsam über den Rasen wandelte, Brehme und Matthäus sich in den Armen lagen, Klinsmann und Buchwald ihre Ehrenrunden drehten, flog die Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft 2000 als Titelverteidiger schon nach der Vorrunde aus dem Turnier.

Spielerisch hatte die große Fußballnation Deutschland nichts mehr zu bieten, selbst die uralte deutsche Tugend - der Kampfeswille - war mit dem überalterten Kader nicht mehr zu leisten. Anstatt sich um die jungen Talente zu kümmern, hatten die Vereine über Jahre hinweg für großes Geld teure Spieler im Ausland gekauft.

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100 Millionen Euro für die Jugend

Während der Aufarbeitungsphase nach dem desaströsen Ausscheiden entschied sich der Verband, sein Nachwuchskonzept komplett umzugestalten. Direkt nach dem EM-Aus wurden ab der Saison 2001/02 zuerst alle 18 Erstligisten verpflichtet, sogenannte Leistungszentren für die systematische Förderung junger Talente einzuführen. Der DFB setzt seither auf eine Zusammenarbeit zwischen Verein und Schule, um die Nachwuchsspieler nicht nur sportlich auszubilden. Inzwischen durchlaufen jährlich rund 5000 Kinder und Jugendliche eines der 36 Leistungszentren der 1. oder 2. Bundesliga. Was zur Folge hat, dass die stetig nachrückenden einheimischen Talente den Altersdurchschnitt der deutschen Spieler in der Liga seit den 90er-Jahren um dreieinhalb Jahre von einst 28,8 auf nun 25,3 Jahre gesenkt haben.

Diesen Schritt haben sich der DFB und die Vereine eine Menge kosten lassen. Die strukturellen Investitionen lagen in der ersten Saison nach Einführung der Leistungszentren in den beiden obersten Ligen bei 48 Millionen Euro. Zehn Jahre nach dem Start der Initiative hat sich das Volumen mit rund 100 Millionen pro Saison sogar verdoppelt.

Wie sehr sich das Engagement in Sachen Jugendförderung für die DFBElf bezahlbar macht, lässt sich an der Fülle von Talenten im aktuellen Kader ablesen: Fast alle Nationalspieler, die jetzt in Brasilien dabei sind, haben diese Förderung genossen - wie Mesut Özil, der die Schalker Jugendmannschaften durchlief, bevor er nach Bremen ging und von dort für 18 Millionen Euro zu Real Madrid wechselte. Genauso Thomas Müller, der seine eigenwilligen Laufwege beim FC Bayern gelernt hat. Und ebenjener Mario Götze.

Götze verbrachte seine ersten Lebensjahre im Allgäu, seine Familie zog 1998 nach Dortmund. Dort spielte Mario beim BVB zehn Jahre in den Jugendmannschaften. Mit 17 bestritt er im Herbst 2009 sein erstes Profispiel. Es war die finanziell schwer angeschlagene Borussia, die nach dem Finanzchaos um den Börsengang konsequent auf Nachwuchsförderung setzte. Geld für hochklassige Einkäufe fehlte in den Kassen des überschuldeten Vereins. Also wurden junge, aber noch unerfahrene Talente wie Mats Hummels oder Mario Götze ganz selbstverständlich zu Stammspielern.

Welche fruchtbare Auswirkungen die Nachwuchsförderung der Vereine auf das Spiel der Nationalelf hat, lässt sich aktuell am Beispiel Erik Durm beobachten. Der 22-Jährige, der seine erste Profisaison bei Borussia Dortmund mit starken Leistungen in der Liga und der Champions League hinter sich hat, absolvierte jetzt beim Testspiel gegen Kamerun sein erstes A-Länderspiel und fährt nun als linker Außenverteidiger mit zur WM nach Brasilien. Dortmund hatte Durm 2012 von den Amateuren aus Mainz geholt, Jürgen Klopp ließ ihn vom Stürmer zum Außenverteidiger umschulen. Für die Liga sind solche Geschichten vom märchenhaften Aufstieg ein gelungener Imagegewinn. Gepaart mit dem phänomenalen Erfolg der Münchner Bayern in den vergangenen Spielzeiten, der im Triple-Gewinn 2012/13 mündete, kann sich die Bundesliga über einen enormen internationalen Werbeeffekt freuen - und Löw über einen eingespielten West-Süd-Block aus schwarz-gelben und roten Legionären.

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Neue Rekorde in der Bundesliga

Wie dem Land, so geht es auch der Liga zurzeit sehr gut. Die Früchte der effizienteren Nachwuchsarbeit fahren die Vereine momentan ein. Der Fußball ist schneller, torgefährlicher geworden, hat spielende Torhüter und falsche Neuner hervorgebracht, seitdem die jungen Talente die alten Recken auf den Schlüsselpositionen abgelöst haben.

Die Stadien, zur Weltmeisterschaft 2006 modernisiert oder neu gebaut, sind entsprechend gut gefüllt. Seit ein paar Jahren wird jede Saison ein neuer Dauerkartenrekord aufgestellt. Erstmals hat die Bundesliga laut Unternehmensberatung Deloitte in der Spielzeit 2012/13 einen Gesamtumsatz von zwei Milliarden Euro erreicht. Nur England war besser, der Rückstand der Bundesliga ist jedoch geschrumpft.

Der Aufschwung des deutschen Profifußballs lockt Investoren. An der Fußball-AG des FC Bayern München sind drei deutsche Topkonzerne - Adidas, Audi und die Allianz - mit jeweils 8,3 Prozent beteiligt. Bei Hertha BSC ist die Beteiligungsgesellschaft KKR eingestiegen. Bei Borussia Dortmund will angeblich jetzt die Deutsche Bank mitspielen.

Die neuen Investoren bringen nicht nur einen Imagegewinn für die gesamte Liga, sondern auch Geld in die Kasse der Klubs. Und das, obwohl die Investoren keine wirkliche Macht ausüben können. Dafür sorgt die Formel "50+1". Gemäß dieser Vorgabe muss die Mehrheit der Anteile an den Profiabteilungen der Klubs, die in Kapitalgesellschaften ausgelagert sind, beim Mutterverein bleiben.

Gemessen an der wirtschaftlichen Fußballgroßmacht England hat die Bundesliga Aufholpotenzial. So verdiente der FC Bayern in der Saison, als er 2013 die Champions League gewann, 55 Millionen Euro. Zum Vergleich: In der britischen Premier League nimmt sogar ein Abstiegskandidat mit Geldern aus TV-Verträgen im Schnitt umgerechnet 60 bis 70 Millionen Euro ein.

Den wohl größten denkbaren Schub würde der deutsche Fußball ohnehin bekommen, wenn am 13. Juli wieder ein paar Glückwünsche bei Mario Götze eingingen - zur gewonnenen Weltmeisterschaft.

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