EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat dafür eine Art Arbeitsprogramm vorgelegt. Und im Hintergrund haben vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande die Fäden gezogen, um den Zusammenhalt der 27 verbleibenden EU-Staaten zu sichern.
In Bratislava werden im Rahmen der nun verordneten EU-Therapie keine Beschlüsse fallen, aber eben die großen Linien diskutiert. Die europäische Familie soll beim Krisengespräch einig darüber werden, was man überhaupt will. Merkel, Hollande und der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi skizzierten dies im Juli schon vor: Die Bürger wollten eine besser funktionierende Union in den Bereichen innere und äußere Sicherheit, Wachstum sowie mehr Perspektiven für die in vielen Ländern von Arbeitslosigkeit geplagte Jugend.
Nun soll am Freitag, dann auf den folgenden regulären EU-Gipfeln im Oktober und Dezember (wieder mit dem Noch-Mitglied Großbritannien) sowie Anfang 2017 unter maltesischer EU-Präsidentschaft Schritt für Schritt präzisiert werden, wo die Zusammenarbeit vertieft werden soll.
Überraschungen wird es dabei kaum geben: Juncker hat bereits eine Verlängerung und Verdopplung des EU-Investitionsplan angekündigt. Der gemeinsame Grenzschutz soll ausgebaut und Ein- und Ausreisedaten im gemeinsamen Schengenraum sollen erfasst und mit anderen Datenbanken vernetzt werden. EU-Bürger sollen sich nach den Wirtschaftseinbrüchen der vergangenen Jahren, der Flüchtlingskrise 2015 und der Bedrohung durch Extremistenmilizen wie den IS wieder sicherer fühlen.
Die Philosophie hatte Merkel schon früh ausgegeben: Zum einen stoppte sie sofort nach dem Brexit-Referendum den Impuls etwa des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), mit einem großen Integrationsschub auf den Austritt der Briten zu reagieren. Der Grund: Viele osteuropäische Ländern wollen etwas ganz anderes, nämlich in einigen Bereichen auf keinen Fall "mehr Europa". Der gerade von der nationalkonservativen Regierung in Polen gewünschte generelle Rückbau der EU ist zwar auch nicht mehrheitsfähig in der EU.
MERKEL: GIPFEL BIETET CHANCE AUF GUTEN TAG FÜR EUROPA
Merkel merkte bei der Abstimmung mit allen anderen 26 EU-Partnern vor Bratislava, dass die Brandbreite der Wünsche sehr groß ist. Am Ende solle eine Agenda stehen, "die die Sorgen, die Hoffnungen und die Wünsche der Menschen aufnimmt und gleichzeitig realistisch ist", sagte sie am Donnerstag nach einem Treffen mit Hollande in Paris. Zudem solle sich die Entschlossenheit der Staaten zeigen, gemeinsam auf die Schwäche Europas zu reagieren. Am Ende biete sich die Chance, "einen guten Tag für Europa im Sinne dieser Agenda von Bratislava zu erleben".
Ein Ergebnis der vielen Abstimmungsrunden vor Bratislava war übrigens altbekannt: Zwar redete jeder mit jedem. Es trafen sich die Visegrad-Staaten (Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn) sowie der "Club med" der Mittelmeerländer. Zwar gab es viele öffentliche Forderungen von einer Lockerung der Defizitkriterien bis hin zur Schaffung einer europäischen Armee. Aber wirkliche Vorbereitungspapiere für Bratislava legten nur Deutschland und Frankreich vor. "Irgendwie ist es bei der alten Erwartung geblieben, dass Deutschland und Frankreich es richten sollen", sagte ein EU-Diplomat.
Dies Erwartung sei nach der Brexit-Entscheidung sogar gestiegen. Merkel hat sich deshalb gleich viermal mit Hollande getroffen. Und gleich drei deutsch-französische Ministerpärchen legten gemeinsame Papiere vor, wie die EU-27 in den Bereichen Innere Sicherheit und der Außen- und Verteidigungspolitik besser zusammenarbeiten können. Erneuten Streit über eine Quotenverteilung in der Flüchtlingspolitik will man dagegen nach Möglichkeit in der slowakischen Hauptstadt vermeiden.
Dass in Bratislava ausführlich über den Umgang mit Großbritannien geredet wird, erwartet niemand. Solange die britische Regierung ihrerseits nicht sagt, wie sie ihr Verhältnis zur EU künftig vorstellt, mache es wenig Sinn, über eine gemeinsame EU-Haltung nachzudenken, heißt es in Brüssel und Berlin.
EU-Kommissionspräsident Juncker hatte aber in seiner Rede zur Lage der EU am Mittwoch klargemacht, dass es keine Rosinenpickerei für die Briten beim gewünschten weiteren Zugang zum Binnenmarkt geben könne.
rtr