Ich schlage vor, dass die Europäische Union die Mittel für einen solchen Erholungsfonds durch die Ausgabe von "Daueranleihen" mit unbegrenzter Laufzeit beschaffen sollte. Solche Anleihen müssen vom Kreditnehmer nicht zurückgezahlt werden (aber der Emittent kann sie rückkaufen oder ablösen). Diese Emission sollte beim nächsten Europäischen Ratstreffen am 23. April ganz oben auf der Tagesordnung stehen.
Natürlich wäre die Ausgabe solcher Anleihen für die EU etwas völlig Neues, insbesondere in einem solchen Umfang. Aber andere Regierungen haben damit bereits Erfahrungen gemacht. Das bekannteste Beispiel ist Großbritannien, das konsolidierte Anleihen (Consols) verwendet hat, um die napoleonischen Kriege zu finanzieren, und Kriegsanleihen zur Finanzierung des Ersten Weltkriegs ausgegeben hat. Diese Anleihen wurden in London noch bis 2015 gehandelt, bevor sie schließlich eingelöst wurden. Und in den 1870ern genehmigte der US-Kongress dem Finanzministerium die Ausgabe von Consols, um damit bereits bestehende Anleihen zu ersetzen, was dann auch in den nächsten Jahren geschah.
Die EU befindet sich mitten in einem einmaligen Krieg gegen ein Virus, das nicht nur das Leben der Menschen bedroht, sondern auch das schiere Überleben der Union. Schließen die Mitgliedstaaten sogar ihre Grenzen zu ihren EU-Nachbarn, könnte dies das Prinzip der Solidarität zerstören, auf dem die Union aufbaut.
Statt dessen muss Europa, um mit einer beispiellose Lage umzugehen, die sämtliche EU-Mitglieder betrifft, auch außergewöhnliche Maßnahmen treffen. Dies kann ohne Angst vor einem Präzedenzfall geschehen, der, sobald wieder normale Verhältnisse herrschen, die Ausgabe gemeinsamer EU-Anleihen rechtfertigen könnte. Die Ausgabe von Anleihen, die die volle Glaubwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit der EU hinter sich vereinen, könnte eine politische Bestätigung dessen werden, was die Europäische Zentralbank sowieso bereits getan hat: nämlich praktisch alle Einschränkungen ihres Anleihekaufprogramms aufzuheben.
Anleihen ohne Laufzeit haben noch drei weitere Vorteile, die sie für diese Lage geeignet machen:
Erstens würden sie, da sie nie zurückgezahlt werden müssen, trotz der erheblichen finanziellen Feuerkraft, die sie entfachen könnten, eine überraschend geringe Haushaltsbelastung für die EU bedeuten. Darüber hinaus müssten sie nicht bei Fälligkeit refinanziert werden, also muss die EU keine Amortisierungszahlungen leisten - und noch nicht einmal Geld für ihre Rückzahlung beiseite legen (beispielsweise in einem Tilgungsfonds).
Sie müsste lediglich regelmäßig Zinsen dafür zahlen. Eine Anleihe mit unbegrenzter Laufzeit in Höhe von einer Billion Euro würde den EU Haushalt bei einem Zinssatz von 0,5% nur fünf Milliarden Euro im Jahr kosten. Dies ist weniger als 3% des EU-Haushalts für 2020.
Der zweite Vorteil ist eher technischer Natur, aber ebenso wichtig: Es könnte sein, dass die Märkte eine Emission von einer Billion Euro nicht auf einmal aufnehmen können. Durch Anleihen ohne Laufzeit könnte die EU diese Summe schrittweise platzieren, ohne jedesmal neue Anleihen ausgeben zu müssen.
Der dritte Vorteil ist, dass eine solche EU-Anleihe eine sehr attraktive Anlage für die Anleihenkaufprogramme der EZB wäre. Da die Fälligkeit dauerhafter Anleihen immer gleich ist, müsste die EZB ihr Portfolio nicht ausgleichen.
Die EU muss für die Ausgabe dieser Anleihen keine neuen Mechanismen oder Strukturen schaffen, da sie bereits früher Anleihen emittiert hat. Die Erlöse müssen dann für Investitionen und Zuschüsse beim Kampf gegen die Pandemie verwendet werden. Sie würden von der Europäischen Kommission entweder direkt oder über Mitgliedstaaten und andere Institutionen (wie Lokalregierungen) verteilt werden, die direkt am Kampf gegen die COVID-19-Pandemie beteiligt sind.
Die Zerstörungskraft der Pandemie könnte zeitlich begrenzt sein, aber nur, wenn die europäischen Politiker außerordentliche Maßnahmen treffen, um langfristigen Schaden von der EU abzuwenden. Dies ist der Grund, warum wir den EU-Erholungsfonds so dringend brauchen. Und die leichteste, schnellste und kostengünstigste Methode, ihn zu finanzieren, besteht in Anleihen mit endloser Laufzeit.
Aus dem Englischen von Harald Eckhoff
George Soros, Gründer und Vorsitzender der Open Society Foundations, ist Verfasser des aktuellen Buchs In Defense of Open Society (Public Affairs, 2019).
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