von Dirk Elsner

In den letzten Jahren habe ich oft darüber geschrieben, dass das Kreditvolumen an Unternehmen und Privatkunden in Deutschland stagniert oder sogar zurückgeht. Viele Jahre wirkte in Unternehmen die Kreditklemme 2008/2009 nach. Viele Banken hatten damals mit Krediten geknausert. Manch ein Unternehmens fühlte sich von seiner Bank im Stich gelassen. Im Anschluss an die Kreditklemme drohte manch ein Bankenvertreter mit der Aussicht auf dauerhafte Verknappung und Verteuerung von Krediten durch die Finanzmarktregulierung Basel III.

Eigentlich waren diese Warnungen an die Politik gerichtet, damit diese die Banken nicht zu streng regulieren. Gehört wurden diese Klagen freilich auch in Unternehmen, die sich zusätzlich verunsichert fühlten. Diese und weitere Gründe führte dazu, dass sich viele Unternehmen von der Bankenfinanzierung abwendeten und alternative Finanzierungsmöglichkeiten suchten und fanden. Dazu gehörten insbesondere Finanzierungen über

● Anleihen und Schuldscheine über den Kapitalmarkt und private Investoren.

● verbundene Unternehmen und durch Lieferantenkredite.

● Quellen wie Factoring und Leasing.

● über Versicherungen und Pensionskassen, die das Kreditgeschäft als attraktive Anlageklasse. nutzen

● weniger Ausschüttungen und Stärkung des Eigenkapitals aus einbehaltenen Gewinnen.

Daneben blühen sehr zart neue Finanzierungsformen wie Crowdfunding und P2P-Lending auf. Diese konnten aber bisher im Vergleich zu den Gesamtwerten anderer Finanzierungsalternativen bisher kein nennenswertes Volumen generieren.

Diese Finanzierungsalternativen gepaart mit einer relativen Zurückhaltung für neue Investitionen führten trotz guter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen dazu, dass die Kreditnachfrage bei Banken stagnierte und in Deutschland sogar zeitweise zurückging. Unternehmen baden immer noch in großen Cashpositionen, wie verschiedene Studien in den letzten Jahren gezeigt haben.

Auf Seite 2: Dreht sich nun der Trend?





Dreht sich nun der Trend? Fast scheint es so. Schaut man in den Maschinenraum der Bundesbankdaten, die im statistischen Teil des jeweils aktuellen Monatsberichts veröffentlicht werden, dann zeigt dieser einen deutlichen Anstieg der Kredite an Nichtfinanzunternehmen und Privatpersonen. Allein von Dezember 2014 bis Februar 2015 stieg das Kreditvolumen um 20 Milliarden Euro auf 2,7 Billionen Euro und 64,6 Mrd. Euro mehr waren es im Jahresvergleich Februar 2014 auf 2015. Das sind zwar nur 2,5%, aber aktuell sehnen sich die Banken nach einer Erhöhung des Kreditvolumens.

Weil die Niedrigzinsen die Margen wegschmelzen, und die Zinsergebnisse in den nächsten Jahren dramatisch ausgedünnt werden, kann eine Zinsergebnisstabilisierung, wenn überhaupt, nur über das Wachstum des Kreditvolumens erfolgen, verrieten mir Banker. Die zarten Frühlingsknospen lugen also vorsichtig heraus. Ob sie am Ende wirklich Blüten und später auch Früchte tragen oder in einer neuen Finanz- und Wirtschaftskrise erfrieren, ist derzeit noch offen. In ihrem aktuellen Lending Survey stellt die Bundesbank bereits wieder fest, dass die Kreditnachfrage der Unternehmen sich per saldo unverändert zeigte und lediglich der Mittelbedarf privater Haushalte für Wohnungsbauzwecke kräftig zulegte. Spürbar nehme aber auch die Nachfrage im Konsumentenkreditgeschäft zu.

Der in der Öffentlichkeit für die Kreditexpansion vermutlich am meisten genannte Grund wird die ultralockere Geldpolitik der EZB sein. Das erklärt aber meines Erachtens bestenfalls nur einen kleinen Teil. Denn seit 2008 beobachten wir einen starken Rückgang der Zinsen. Bisher hatte das kaum Auswirkungen auf das Kreditvolumen. Ebenso führte die seit Jahren zu beobachtende Absenkung der Kredithürde für die gewerbliche Wirtschaft in Deutschland bisher kaum zu einer Renaissance des Kreditgeschäfts der Banken. Die vom CES ifo Institut München ermittelte Kennzahl erreichte im März einen historischen Tiefstand. Bei vielen Unternehmen geben sich Banken mit verbesserten Konditionen und niedrigeren Besicherungsstandards erfolglos die Klinke in die Hand.

Auf Seite 3: Finanzierungskonditionen und Besicherungsstandards sind nicht entscheidend





Aus meiner Unternehmenspraxis weiß ich, dass die Finanzierungskonditionen und Besicherungsstandards nicht entscheidend sind, ob ein Unternehmen zusätzlichen Kredit aufnimmt oder es lässt. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass allein eine durch Zentralbanken erzeugte Liquiditätsschwemme und günstige Finanzierungsbedingungen nicht ausreichen, um die Investitionsneigung zu erhöhen. Erst wenn Unternehmen überzeugt sind, dass ihre Investitionen mit großer Wahrscheinlichkeit Früchte tragen, nehmen sie Geld in die Hand. Ein wichtiger Faktor dabei ist die Reduktion von Unsicherheit.

Entscheidender ist also, dass das mögliche Anspringen der Bankenfinanzierung als ein Signal für einen zunehmenden Optimismus bei den Unternehmen gedeutet werden kann. Unternehmen investieren, wenn sie aus einer Investitionsentscheidung einen positiven Wertbeitrag erwarten können. Der hängt zwar auch mit den Finanzierungskonditionen zusammen, entscheidender sind aber die Erwartungen über die künftigen Risiken. Der Wirtschaftsforscher Paul Viefers schrieb im vergangenen Jahr dazu:

"Je unsicherer sich Unternehmen über die Konsequenzen ihrer Entscheidungen sind, desto weniger Planungssicherheit und desto mehr Unsicherheit sehen sie sich gegenüber. Gibt es etwa starke Preisschwankungen an den Rohstoffmärkten oder liegen unklare politische Verhältnisse vor, verringert sich auch die Planungssicherheit von Unternehmen. Ein gutes Beispiel bietet hierfür die Eurokrise: Eine Vielzahl an öffentlich diskutierten Vorschlägen zur Lösung der Krise erhöht die Unsicherheit mit Blick auf die zu erwartenden Rahmenbedingungen und wirkt sich damit auch auf die erwarteten Renditen heutiger Investitionen aus."

Diese Planungsunsicherheit scheint also langsam zu weichen. Von einer echten Trendwende würde ich noch nicht sprechen. Interessant ist freilich, dass sich die Unternehmen wieder den Banken zuwenden. Die aktuell sehr niedrigen Zinsen könnten in immer mehr Unternehmen einen Umdenkungsprozess eingeleitet haben. Der CFO eines großen mittelständischen Unternehmens sagte mir jüngst im Gespräch, man wolle die aktuellen Zinskonditionen mit seiner Bank nun möglichst lange festschreiben und nutze für neue Investition jetzt eher wieder Bankkredite. Allerdings sei die Bargeldhaltung derzeit ausgesprochen unattraktiv, weil man mit Strafzinsen für Guthaben rechnen müsse. Hier wird also eine neue Balance gesucht.

Dirk Elsner arbeitet als Unternehmensberater für die Innovecs GmbH.