"Es ist das Mandat der EZB, für stabile Preise zu sorgen. Die EZB kann nicht für wirtschaftliches Wachstum sorgen", sagte der FDP-Chef am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters. "Steigende Preise gefährden die Investitionsbereitschaft und schwächen das Konsumklima. Inflation ist langfristig die größte Gefahr für die Staatsfinanzen und den Wohlstand."

Bankenverbände und Ökonomen kritisieren angesichts einer Rekordinflation das Festhalten der EZB an ihrer Nullzinspolitik. "Die Inflation im Euroraum klettert in ungekannte Höhen, dem muss die EZB Einhalt gebieten", sagte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), Helmut Schleweis, nach dem Zinsbeschluss. "So entschieden die Notenbanker in den vergangenen Jahren eine drohende Deflation abgewehrt haben, so klar und entschlossen müssen sie nun mit einer restriktiveren Geldpolitik auftreten gegen die Inflation im Euroraum." Je länger die EZB die notwendige Zinswende aufschiebe, desto größer werde die Gefahr einer Kettenreaktion aus steigenden Preisen und höheren Lohnforderungen.

Die angekündigte Kehrtwende müsse nun auch vollzogen werden, mahnte die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB), Iris Bethge-Krauß. "Wir erwarten einen verlässlichen Ausstiegsplan und konkrete erste Schritte aus der expansiven Geldpolitik." Hauptgeschäftsführer Christian Ossig vom Privatbankenverband BdB bekräftigte seine Forderung: "Das Ende der Negativzinsen muss dieses Jahr kommen."

ZEW: ZAUDERN SCHADET DEM IMAGE DER EZB


Kritisch äußerte sich auch das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). "Jeder Monat des Zauderns fügt der Reputation dieser wichtigen europäischen Institution Schaden zu", sagte ZEW-Experte Friedrich Heinemann. "Eine Serie von massiven Inflations-Fehlprognosen der EZB-Ökonominnen und Ökonomen nährt zudem den Verdacht, dass die Bewertung der Inflationsdynamik vom Wunsch nach einer fortdauernden Niedrigzinspolitik getrieben wird und nicht umgekehrt die Zinspolitik auf einer unverzerrten Inflationsprognose basiert."

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer fordert ebenfalls eine Zinswende. "Dieses Abwarten ist riskant", warnte er. "Je länger die EZB an ihrer sehr lockeren Geldpolitik festhält, desto mehr steigen die Inflationserwartungen der Menschen und setzt sich die sehr hohe Inflation dauerhaft fest." Die EZB sollte ihren Leitzins zügig in Richtung auf ein zumindest neutrales Niveau anheben, das bei rund zweieinhalb Prozent liegen dürfte.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) mahnte, die höchste Inflation seit Jahrzehnten "ist eine der größten Herausforderungen für unsere gesamte Wirtschaft". Die höheren Energie- und Rohstoffpreise könnten viele Firmen kaum noch stemmen. Deshalb müsse die Geldpolitik gegen die Erwartung lang anhaltender Inflation angehen, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. "Der Einstieg in eine Lohn-Preis-Spirale und eine daraus resultierende Stagflation müssen verhindert werden." Dieser Aufgabe werde die EZB nicht gerecht.

Ökonomen warnen vor einer stagnierenden Wirtschaft bei zugleich hoher Inflation. Lindner bezeichnete dies als Risiko. "Darauf muss man reagieren. Es muss alles unternommen werden, um Wachstum zu stärken, und alles unterlassen werden, was Inflation anheizt", sagte der Minister zu Reuters. "Die Produktivität muss gesteigert werden, Subventionen müssen überdacht werden."

rtr