"Die einzige Chance, wieder Herr der Lage zu werden, ist ein Lockdown, der aber sofort erfolgen muss", sagt der CSU-Politiker dem "Spiegel" laut Vorabbericht. Nach Angaben der baden-württembergischen Landesregierung werden Kanzlerin Angela Merkel und die 16 Ministerpräsidenten am Sonntag über weitere Maßnahmen beraten.

"Warten wir bis Weihnachten, werden wir noch Monate mit den hohen Zahlen zu kämpfen haben", sagte Seehofer weiter. Der Vorteil, den sich Deutschland im Frühjahr in der Pandemie erkämpft habe, sei verspielt. Das liege nicht an der Disziplinlosigkeit der Bürger, "sondern vor allem an unzureichenden Maßnahmen".

Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier mahnte zu Tempo: "Die Politik muss jetzt handeln", sagte er mit Blick auf die neuen Corona-Höchstwerte. Es gebe wieder einen exponentiellen Anstieg der Infektionszahlen.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Freitag 29.875 Neuinfektionen - das sind gut 6000 mehr als am Freitag vor einer Woche. Erst am Donnerstag dieser Woche war ein Rekord verzeichnet worden. Insgesamt liegt die Zahl der Infektionen in Deutschland bei 1.272.078. Auch die Zahl der binnen eines Tages an oder mit dem Coronavirus gestorbenen Menschen erreichte mit 598 einen neuen Höchstwert. Ingesamt gibt es damit bisher 20.970 registrierte Todesfälle in Zusammenhang mit dem Virus in Deutschland.

SIEBEN-TAGE-INZIDENZ DAS DREIFACHE DES ZIELWERTS


Auch die Sieben-Tage-Inzidenz schnellte nach oben. Das RKI gibt sie nun mit 156,3 an. Der Wert gibt an, wie viele Menschen sich rechnerisch neu innerhalb von sieben Tagen auf 100.000 Einwohner anstecken. Ziel von Bund und Ländern ist eigentlich ein Wert von 50, damit Gesundheitsämter Infektionsketten wieder nachverfolgen können.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sprach sich für eine Schließung des Einzelhandels ab dem 21. Dezember aus. Schwesig betonte, dass es schon vorherin vielen Bundesländern weitere Einschränkungen geben werde. Einige Landesregierungen wie die in Baden-Württemberg oder dem Saarland haben für Freitag Sondersitzungen ihrer Kabinette angesetzt.

"Die Lage ist leider alarmierend", sagte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). In einer Miteilung der Landesregierung heißt es aber nur, dass man sich mit den kommunalen Landesverbänden einig sei, "dass ein harter Lockdown nach Weihnachten bis mindestens 10. Januar 2021 unerlässlich ist".

DREYER FÜR EINHEITLICHES VORGEHEN - GEGEN "CORONA-TOURISMUS"


Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) plädierte für ein abgestimmtes Bund-Länder-Vorgehen bei neuen Schließungen etwa im Einzelhandel. "Das ist notwendig, da wir ansonsten einen Corona-Tourismus zwischen Ländern mit und ohne Lockdown erleben würden, der kontraproduktiv wäre", sagte die SPD-Politikerin der "Rheinischen Post". Es sei wichtig, eine gemeinsame Linie für ganz Deutschland zu vereinbaren.

Sachsen wird wegen seiner besonders hohen Infektionszahlen bereits ab Montag einen härteren Shutdown beginnen, bei dem die meisten Einzelhandelsgeschäfte sowie die Schulen schließen müssen. Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) sagte, die Lage in Sachsen sei dramatisch.

Der Chef der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, warnte jedoch vor überzogenen Erwartungen an schärfere Maßnahmen. "Es ist eine Illusion zu glauben, mit einem harten Lockdown von 14 Tagen ab Weihnachten bekommen wir die Pandemie in den Griff", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Nach dem Ende eines Lockdowns würden die Infektionszahlen mit den Lockerungen auch wieder steigen.

rtr