In diese Gemengelage mischen sich die Notenbank mit ihrem Ausstieg aus der ultra-lockeren Geldpolitik. Einen größeren Kursrutsch wird diese Normalisierung Börsianern zufolge aber nicht auslösen. "Notenbanker nehmen den Fuß vom Gaspedal, aber sie treten noch nicht auf die Bremse", gibt Weberbank-Analyst Jan Gengel zu bedenken. Den Finanzmärkten werde also kein Geld entzogen.
Nachfolgend eine Übersicht der Analysten-Erwartungen für die kommenden Monate erwarten:
AKTIEN
Trotz einer Reihe potenzieller Störfaktoren sehen Experten an den Aktienmärkten auch im neuen Jahr noch Luft nach oben. Das Wachstum der Unternehmensgewinne dürfte etwas hinter den Rekordwerten aus 2021 zurückbleiben, aber immer noch kräftig ausfallen, schreiben die Analysten von Marcard, Stein & Co. Ihrer Meinung sollten sich auch die Lieferengpässe zunehmend auflösen und damit ein Umfeld schaffen, das weiterhin für ein Übergewicht von Aktien spricht.
Ähnlich große Sprünge wie im auslaufenden Jahr, in dem sich die Dax-Gewinne auf bislang etwa 14 Prozent summieren, seien 2022 aber nicht zu erwarten, warnt Robert Greil, Chef-Anlagestratege des Bankhauses Merck Finck. "Da die geldpolitische Unterstützung nachlässt und die Pandemie nicht überstanden ist, dürfte es nächstes Jahr eher auf einstellige Prozentzuwächse hinauslaufen." Ähnlich sehen es auch von Reuters befragte Experten. Sie trauen dem deutschen Leitindex zwar neue Kursrekorde zu. Von seiner bisherigen Bestmarke von 16.290,19 Zählern ist er derzeit aber nur etwa fünf Prozent entfernt.
In den USA erwarten Börsianer dagegen eine unterdurchschnittliche Kursentwicklung. Die Werte an der Wall Street seien vergleichsweise teuer. "Europäische Aktien werden im Vergleich zu US-Titeln mittlerweile so günstig gehandelt wie nie in den vergangenen 20 Jahren", sagt Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank. Seine Kollegin Savita Subramanian von der Bank of America sieht den US-Leitindex S&P 500 Ende 2022 daher bei 4600 Punkten, rund zwei Prozent unter dem aktuellen Kurs.
ANLEIHEN
Anleihe-Anlegern steht dagegen erneut ein schwieriges Jahr bevor, denn vielfach liegen die Realrenditen - Nominalverzinsung abzüglich Inflation - weiter im negativen Bereich. Trotz der Normalisierung der Geldpolitik durch die Notenbanken sei der Weg zu höheren Bond-Renditen ein steiniger, warnt Weberbank-Experte Gengel.
Matthew Nest, Chef-Anlagestratege des Vermögensberaters State Street, erwartet dagegen stagnierende Erträge. Er halte den Anstieg der Anleihe-Renditen in den vergangenen Monaten für überzogen. Vor allem bei längeren Laufzeiten seien kaum Veränderungen zu erwarten. Aktuell rentieren die richtungweisenden zehnjährigen US-Bonds bei plus 1,4 Prozent und ihre deutschen Pendants bei minus 0,4 Prozent.
Bond-Experte Anders Persson vom Vermögensverwalter Nuveen sieht daher bessere Chancen bei Unternehmensanleihen. Da nur wenig Zahlungsausfälle zu erwarten seien, könnten Investoren bei Titeln von Unternehmen mit niedrigerer Bonitätsnote zugreifen, da diese höhere Renditen versprächen.
DEVISEN
Uneins sind sich Experten auch bei den Aussichten für den Devisenmarkt. So habe der Dollar überzogen auf die erwartete Straffung der US-Geldpolitik reagiert, sagt Barclays-Analyst Aroop Chatterjee. Er sehe daher den Euro Ende 2022 bei 1,19 Dollar, rund fünf Prozent höher als derzeit. In den vergangenen Monaten hat der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, insgesamt knapp sieben Prozent zugelegt und steuert auf den größten Jahresgewinn seit 2015 zu.
Jens Ehrhardt, Chef des Vermögensverwalters DJE, sieht den Euro dagegen auf einem absteigenden Ast. "Während die Bundesbank seinerzeit immer internationaler Vorreiter in der Inflationsbekämpfung war, zeigt die Europäische Zentralbank (EZB) weltweit am wenigsten Ansätze zu einer Anti-Inflationspolitik." Die Währungshüter drosseln zwar ihre Geldflut, im Gegensatz zu Fed oder Bank von England (BoE) sind Zinserhöhungen aber nicht in Sicht. Das macht den Euro weniger attraktiv.
rtr