(neu: Mieterbund und andere Reaktionen)

BERLIN (dpa-AFX) - Mit schnelleren Genehmigungen und einem Verzicht auf Bebauungspläne will die Bundesregierung den schleppenden Wohnungsneubau in Deutschland ankurbeln. Neue Sonderregelungen im Baugesetzbuch sollen dafür sorgen, dass absehbar wesentlich schneller geplant, genehmigt und gebaut wird, wie die neue Bauministerin Verena Hubertz sagte, nachdem das Bundeskabinett ihren Gesetzentwurf auf den Weg gebracht hatte. Finanzminister Lars Klingbeil (beide SPD) sagte: "Wir wollen, dass die Bagger in unserem Land rollen."

Hubertz versprach Erleichterungen für Bürgerinnen und Bürger, die Bauwirtschaft sowie kommunale Planungs- und Genehmigungsbehörden - insbesondere bei Nachverdichtungen bei vorhandener Bebauung. Hubertz nannte als Beispiele die Bebauung von Supermarktdächern oder die Erweiterung eines Baugebiets auf der anderen Straßenseite.

Keine jahrelangen Bebauungspläne mehr

Die Kommunen sollen selbst entscheiden können, inwieweit sie die vorerst bis Ende 2030 geltende Abweichungen vom Bauplanungsrecht nutzen. Heute vergehen bei der Aufstellung eines Bebauungsplans oft mehrere Jahre, wie Hubertz sagte. Neben dem Neubau soll auch die Erweiterung von Wohngebäuden und die Umwidmung von Gewerbe- zu Wohnraum leichter funktionieren.

Zum Schutz von Mieterinnen und Mietern vor allem in Ballungsräumen soll eine Regelung gegen die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen länger gelten - nämlich statt bis Ende 2025 nun bis Ende 2030. Mit dem Gesetz sollen zudem Regelungen verlängert werden, um mehr Bauland in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten auszuweisen.

Wie viele Wohnungen es 2024 waren

Bereits die Vorgängerregierung hatte versprochen, dem Mangel von bezahlbarem Wohnraum mit 400 000 neuen Wohnungen pro Jahr zu begegnen. Das Ziel wurde nie erreicht. Im vergangenen Jahr war die Zahl der neu errichteter Wohnungen sogar auf 251 900 zurückgegangen - 14,4 Prozent weniger als im Vorjahr. 2021 bis 2023 waren es jeweils um 294.000.

Vor allem kräftig gestiegene Zinsen und Baukosten haben Zurückhaltung von Investoren und Hausbauern verursacht. Zugleich fehlen Fachkräfte im Baugewerbe. Zuvor war die Zahl neuer Wohnungen von ihrem Tiefststand von 159.000 im Jahr 2009 bis auf den bisherigen Höchststand von 306.400 im Jahr 2020 gestiegen. Hubertz verzichtete auf Nachfrage darauf, eine neue Zielzahl zu nennen.

Aufwärtstrend in den ersten vier Monaten

Inzwischen verzeichnete das Statistische Bundesamt einen leichten Aufwärtstrend mit 18.500 Wohnungen, die die Behörden im April genehmigt hatten. Das waren 4,9 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. 73.900 Wohnungsbau-Genehmigungen waren es seit Januar. Für den der Hauptgeschäftsführer der Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, sind diese Zuwächse "zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein". Doch gebe es nun Chancen für eine Wende. Neue Wohnungsbauprojekte könnten nun einfacher und schneller genehmigt werden. Jetzt müssten vor allem die Länder Bedingungen dafür schaffen, dass die Firmen bestimmte Baukosten reduzieren könnten.

Der Deutsche Mieterbund warnte, dass durch das Gesetz Schutzinstrumente für Mieterinnen und Mieter ausgehebelt werden könnten. Zudem forderte Bundesdirektorin Melanie Weber-Moritz, dass gemeindliche Vorkaufsrechte wiederhergestellt werden: Ein solches Recht erlaubte es Kommunen bei Wohnungsknappheit, Mietern vor Wohnungsverkauf zu bewahren.

Immobilienwirtschaft fordert "Bau Turbo 2"

Iris Schöberl, Präsidentin des Spitzenverbandes der Immobilienwirtschaft (ZIA), lobte "mehr Bewegungsspielraum" durch die neuen Gesetzespläne - aber: nach wie gebe es viel Spielraum für Entlastungen. Schöberl forderte unter anderem eine Absenkung der Baustandards und eine Senkung der Grunderwerbssteuer. Bereits jetzt sollten Planungen für einen "Bau Turbo 2" starten.

Teures Wohnen in deutschen Großstädten

Unterdessen wird Wohnen in deutschen Großstädten trotz Mietpreisbremse immer teurer. Einer Auswertung des Bauministeriums zufolge stiegen die Angebotsmieten in den 14 größten kreisfreien Städten seit 2015 durchschnittlich um fast 50 Prozent. Am stärksten betroffen ist demnach Berlin, wo die Neumieten mehr als verdoppelt wurden. Die Zahlen stammen vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR).

Dröge fordert Gesamtpaket

Die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge forderte ein Gesamtpaket für bezahlbares Wohnen. Nötig seien eine wirksam kontrollierte Mietpreisbremse, die Streichung überflüssiger Ausnahmen, konsequenter Mieterschutz und eine neue Gemeinwohlorientierung im Wohnungsbau. "Bezahlbares Wohnen ist kein Nice-to-have, sondern Grundvoraussetzung für sozialen Zusammenhalt." Der AfD-Baupolitiker Marc Bernhard kritisierte: "Hubertz setzt bei allem Tamtam letztlich nur die gescheiterten Versuche ihrer SPD-Vorgängerin fort."

Sondervermögen soll Investitionen anheizen

Klingbeil kündigte an, dass der "Bau-Turbo" gemeinsam mit den geplanten Investitionsmilliarden, die mit dem Bundeshaushalt kommende Woche auf den Weg gebracht werden sollen, eine umso größere Wirkung entfalten solle. Es solle "ein klares Signal" geben, "dass wir Spielräume dafür schaffen, dass in unserem Land mehr gebaut wird". Hubertz: "Wir werden jetzt alles in die Waagschale werfen. Darauf können sie sich verlassen." Die SPD-Politikerin sagte: "Man wird uns nachher daran messen können, ob bezahlbarer Wohnraum essentieller Natur entstanden ist."/bw/ben/toz/tam/DP/jha

Quelle: dpa-Afx