Europas Banken sind zurück. Der Startschuss für die Erholung des Sektors fiel, als Biontech und Pfizer am 9. November 2020 die hohe Wirksamkeit ihres Corona-Impfstoffs veröffentlichten. Es wuchs die Hoffnung, dass sich die Pandemie eingrenzen lässt und sich die Wirtschaft in absehbarer Zeit erholt.

Davon profitierte die Bankenbranche. Die Sorge, dass es bei den Geldhäusern als Konsequenz der anhaltenden Pandemie zu Kreditausfällen und großen Verlusten kommen könnte, nahm ab. Zusätzliche Unterstützung bekamen die Institute von einem Bündel an Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Folgen. Nationale Regierungen, Zentralbanken und EU stabilisierten die europäischen Volkswirtschaften durch fiskal- und geldpolitische Programme. Diese verringerten wesentliche Risikofaktoren für die Bankbilanzen. So stützte etwa die Einführung der Kurzarbeit den Arbeitsmarkt. Die Anleihekäufe der EZB stabilisierten die Preise von Risikoanlagen.

Die Wirtschaft erholte sich, die Banken verzeichneten weniger Kreditausfälle als befürchtet. Viele Firmen versorgten sich zu günstigen Finanzierungskonditionen mit Kapital, und das Kapitalmarktgeschäft verzeichnete eine Sonderkonjunktur. Darüber hinaus hatten die meisten Banken angesichts der ungewissen Corona-Lage vor allem im ersten Halbjahr 2020 ihre Risikovorsorge stark ausgebaut. Aufgrund der schnellen Normalisierung konnten viele ihre Vorsorge unerwartet schnell wieder deutlich zurückfahren. Entsprechend entwickelten sich die Gewinne vieler Finanzinstitute ab Ende des vergangenen Jahres zunehmend besser als erwartet.

Und aktuell? Die oben aufgezählten Faktoren zählen immer noch. Die Bewertung des Sektors ist zwar nicht mehr so niedrig wie im vergangenen Jahr, im Verhältnis zum Gesamtmarkt ist sie aber immer noch günstig. Dazu kommt: Eine starke Kapitalausstattung und hohe Risikopuffer in Form von Rückstellungen ermöglichen den Banken die Rückkehr zu einer attraktiven Dividendenpolitik. Zahlreiche Institute kaufen gar Aktien zurück oder bereiten das vor.

Ein Blick auf das Umfeld zeigt eine immer noch robuste Wirtschaftserholung. Die Kapitalanforderungen an die Institute durch Regulierungsvorschriften wie Basel IV sind mittlerweile recht klar umrissen und werden von den Instituten gut erreicht. Zudem bieten Zins- und Renditeentwicklung Potenzial. Die steigenden Inflationserwartungen, die der Anleihemarkt derzeit einpreist, lassen höhere Zinsmargen für Banken erwarten. Außerdem bieten Bankentitel in Zeiten steigender Preise einen gewissen Inflationsschutz.

Dennoch sollte die aktuelle Lage nicht den Blick darauf verstellen, dass die strukturellen Probleme des Sektors noch vorhanden sind. Ob Zahlungsdienstleistungen, Onlinebrokerage oder Onlinebanking: Die Banken müssen sich weiterhin gegen agilere Wettbewerber aus der Fintech-Welt behaupten.

Der Blick auf die Kursentwicklung zeigt, dass Lieferkettenprobleme und höhere Inputkosten vor allem andere Branchen betreffen. Die relative Performance der Bankaktien belegt, dass sie kaum betroffen sind. Wir gehen davon aus, dass sich die Lieferengpässe ab dem zweiten Quartal 2022 auflösen werden. Spätestens dann dürfte die Dynamik in den produzierenden Branchen wieder zunehmen und zu entsprechenden Umschichtungen eventuell auch weg von Banktiteln führen.

Spannend bleibt zudem, inwieweit die Banken ihre grüne Chance nutzen können. Bauen sie ihre Geschäftsmodelle ESG-konform um, fallen zwar bei vielen Instituten höhere Kosten an. Hierin liegt aber auch Wachstumspotenzial: Aus Investments in eine nachhaltigere Infrastruktur und Wirtschaft resultiert ein gewaltiger Finanzierungsbedarf, den die Banken abdecken können.

Unterm Strich dürften die Ampeln für die Branche auch in den kommenden Monaten auf Grün stehen - Europas Banken sind wieder da.

 


Benjardin Gärtner
Leiter Portfoliomanagement Aktien bei Union Investment

Gärtner ist Mitglied des Union Investment Committee, das auf monatlicher Basis die Kapitalmarktstrategie von Union Investment formuliert.

Union Investment ist die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken und mit aktuell rund 370 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen einer der größten deutschen Vermögensverwalter für private und institutionelle Anleger.