Manche machen nur Urlaub. Andere lassen sich hier nieder, kaufen Häuser, gründen Firmen. Mehr als 5000 Eigenheime in der Region von Lee County im Südwesten Floridas gingen während des Höhepunkts der Finanzkrise in den Besitz von Deutschen über. Ein cleveres Investment: Vor sechs, sieben Jahren waren nicht nur die Immobilienpreise im Keller, auch der Dollar war in Relation zum Euro angeschlagen. Inzwischen haben sich die Häuserpreise erholt, zum Teil sogar seit dem Tief verdoppelt. Trotzdem sind Immobilien in Lee County im Schnitt um nahezu 100 000 Dollar günstiger als anderswo in den Vereinigten Staaten.

Die Deutschen vermieten ihre Ferienhäuser vorzugsweise an sonnenhungrige Europäer. Landsleute urlauben dort durchschnittlich neun Tage und zahlen 1700 Dollar für ein Einfamilienhaus - das erläutert Stefanie Zinke vom Tourismusbüro in Lee County. Die Wirtschaftsförderung des Landkreises lud Journalisten ein, sich vor Ort ein Bild vom deutschen Geschäftsleben zu machen. BÖRSE ONLINE war dabei.

Ein Katalysator ist der Flughafen in Fort Myers, der zwischen Miami und Tampa liegt. Air Berlin fliegt ihn mehrmals wöchentlich direkt von Düsseldorf an. Innerhalb von 20 Jahren brachte die Fluglinie 1,3 Millionen Passagiere hierher. Wer bei Walmart oder Home Depot einkaufen geht, kann die Deutschen kaum überhören. Es gibt deutsche Bäckereien, Aldi möchte sechs Filialen in der Region eröffnen.



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Beinahe ein Steuerparadies



Der Chef des Flughafens, Robert Ball, beschreibt, warum Lee County so beliebt ist: "Es ist ein großartiger Ort. Wir haben viele Boote, blauen Himmel und Sonnenschein. Wir angeln und sehen Delfine springen." Für ehemalige Konzernchefs ist es eine bevorzugte Gegend, um den Ruhestand zu genießen. Florida verzichtet als Bundesstaat ganz bewusst auf Einkommensteuern, nur die Bundessteuer ist fällig. Andere Bundesstaaten wie New York verlangen nicht nur eine eigene Steuer, sondern nebenbei bittet New York City auch mit einer städtischen Einkommensteuer seine Bürger zur Kasse.

Der Gründer von Paychex, Tom Golisano, residiert in Naples, wo der Milliardär wegen vorteilhafter Steuergesetze 17 000 Dollar spart - am Tag. Sein Unternehmen ist auf unternehmensbezogene Verwaltungstätigkeiten wie Lohnabrechnungen spezialisiert. Günstige Steuern sind das eine, das ganze Jahr über kurze Hosen und Sandalen tragen zu können, das andere. Selbst im November ist der Golf von Mexiko so warm wie eine Badewanne.

Das macht sich Gartner zunutze. Der Stammsitz des IT-Beraters ist in Stamford in Connecticut nahe New York. Den Vertrieb verlegte Gartner indes ins warme Fort Myers. Hier erweitert Vertriebsmanager Nate Swan das Gebäude im Eiltempo. Er kommt kaum nach. 1000 Kollegen arbeiten hier schon, umgeben von Palmen. "Die jungen Leute mögen beides, den Sonnenschein und die niedrigen Kosten. Die Lebenshaltungskosten sind geringer als in San Francisco, New York oder Chicago", betont Swan. Seinen Mitarbeitern bleibe unterm Strich mehr Geld am Monatsende, selbst wenn das Gehalt etwas geringer ausfalle als etwa in Kalifornien. Im Idealfall stellt er Mitarbeiter ein, die gerade ihren Hochschulabschluss in der Tasche haben. Das Durchschnittsalter ist 25 Jahre. Das Anfangsgehalt beträgt inklusive Bonus 65 000 Dollar und steigt zügig auf 75 000 Dollar. Es können auch schnell 100 0000 Dollar im Jahr werden. In der Firma gibt es Tischtennis, eine Cafeteria, eine Kantine und ein Fitnessstudio zum Entspannen.

Gartner berät Kunden wie die Deutsche Bank, welche Gehaltsabrechnungssysteme, Security- oder Cloud-Lösungen sich für sie eignen. Das Geschäft basiert auf einer Art Abonnement: Gegen Gebühr gibt es fachkundigen Rat - beispielsweise ob eine Lösung von Oracle, IBM oder SAP besser ist. Aufgrund des rasanten technologischen Wandels besteht enormer Beratungsbedarf. Der Umsatz wächst seit Langem um zehn bis 15 Prozent im Jahr. 2014 machte Gartner zwei Milliarden Dollar Umsatz. Die hohen freien Cashflows werden für Aktienrückkäufe genutzt. Das stößt auf Zuspruch. Seit der Finanzkrise 2009 raste der Kurs von zehn auf 85 Dollar.

Ein anderer Nutznießer des US-amerikanischen Sonnenstaates ist der Klimagerätevertrieb Watsco in Coconut Grove. Die Aktie ist ein Dauerrenner, in 25 Jahren baute der Vorstand den Shareholder-Return annualisiert um 20 Prozent aus. In Miami sind viele Luxusliner ansässig: Carnival, Royal Caribbean Cruises, Norwegian Cruise Line. Die meisten Passagiere gehen in Florida oder New York an Bord, am beliebtesten sind Fahrten in die Karibik. Analysten erwarten bei Royal Caribbean fürs vierte Quartal einen Ergebnissprung von rund 190 Prozent. Sollte der tatsächlich eintreten, kann der Kurs in Fahrt kommen. Innerhalb von zehn Jahren verdoppelte die Reederei den Umsatz auf acht Milliarden Dollar.



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Kreuzfahrten wieder im Trend



Vor drei Jahren geriet die Branche nach dem Unglück der "Costa Concordia" mit 32 Toten sowie nach Stromausfällen und Masseninfektionen auf hoher See in die Kritik. Inzwischen ist das vergessen. Kreuzfahrtschiffe befördern in Nordamerika mehr als 17 Millionen Menschen jährlich - so viele wie nie zuvor. Familien, Rentner, junge Paare. Was hilft: Florida hat die dritthöchste Einwohnerzahl. An erster Stelle steht Kalifornien, gefolgt von Texas.

Zurück zu den Deutschen in Lee County: Die Hamburger Staatsanwältin Sonja Burkard hängte ihren Job an den Nagel und wurde Rechtsanwältin in Florida, ihr Mann Stephan Burkard managt die Kanzlei. Investor Dieter Kondek hilft Gründern in Florida, beteiligt sich an Start-ups. Die deutsche Klocke-Gruppe, Spezialist für Verpackungen von Creme- und Parfümproben, eröffnete in Fort Myers eine Tochter für den amerikanischen Markt.

Der deutsche Unternehmer Klaus-Peter König machte erst in Florida Urlaub. Dann eröffnete er vor wenigen Monaten eine Zweigstelle seiner Sprühbeschichtungsfirma Special Coatings. Das österreichische Ehepaar Andreas und Barbara Dolleschal gewann die Greencard. Sie gründeten in Cape Coral eine IT-Firma. Zudem vermarkten sie Produkte der in der Steiermark beheimateten Schokoladenmanufaktur Zotter. Warum sie hierher gezogen sind? "Das Wetter war ein Hauptgrund und die erschwinglichen Lebenshaltungskosten." Ihr Sohn wollte allerdings nicht mitkommen. Er blieb in Wien.