Die Verbraucherpreise dürften um 5,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen sein, ergab eine am Dienstag veröffentlichte Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters unter 17 Volkswirten von deutschen und internationalen Banken. Damit bliebe die Teuerungsrate einen Hauch unter dem November-Wert von 5,2 Prozent, dem höchsten seit fast drei Jahrzehnten. Es wäre der erste Rückgang nach zuvor fünf Anstiegen in Folge. Das Statistische Bundesamt veröffentlicht eine erste offizielle Schätzung zur Preisentwicklung im Dezember am Donnerstag.

"Der Hauptgrund für den minimalen Rückgang sind die im Dezember niedrigeren Benzin- und Heizölpreise", sagte Helaba-Ökonom Stefan Mütze. Für Januar erwarten die meisten Experten einen weiteren Rückgang - auch deshalb, weil die Preise dann nicht mehr mit jenen aus dem zweiten Halbjahr 2020 verglichen werden, als die Mehrwertsteuer wegen der Corona-Krise zeitweise von 19 auf 16 Prozent gesenkt wurde. "Insofern sollten wir den Höhepunkt gesehen haben", sagte Mütze. Zu einem ähnlichen Schluss kommt der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding. "Die Trendwende kommt spätestens im Januar, mit Glück begann sie bereits im Dezember", sagte er.

"NACHHOLFFEKTE BEI LÖHNEN"


Entwarnung geben die Ökonomen aber noch nicht, denn die Inflation dürfte zumindest in den ersten Monaten des neuen Jahres deutlich erhöht bleiben. "Die Lieferkettenproblematik verringert sich nur allmählich", sagte Mütze dazu. "Die Vorproduktpreise sind stark gestiegen. Das wird sich auch in den Inflationsraten zeigen." Mittelfristig sei zudem mit weiter steigenden Kosten aufgrund der Klimapolitik zu rechnen. Hinzu komme, dass sich die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand verabschieden, was den Arbeitskräftemangel verstärken dürfte. "Mit Nachholeffekten muss bei Löhnen zusätzlich gerechnet werden", erwartet der Helaba-Volkswirt deshalb.

In der deutschen Wirtschaft herrscht angesichts der hohen Inflation Unmut über die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). "Die EZB tut nicht zu wenig, sie tut das Falsche", sagte kürzlich der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura, der Nachrichtenagentur Reuters. "Dass sie in Krisenzeiten zur Stabilisierung der Staatsfinanzen beiträgt, kann politisch durchaus gerechtfertigt werden - aber nicht auf Dauer." Langfristig gefährde dies das Vertrauen in die Währung durch Geldwertvernichtung. Eine Abkehr von dieser Politik sei daher erforderlich. "Wir sollten die aktuelle Entwicklung ernst nehmen", sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Peter Adrian, mit Blick auf die Preisentwicklung. "Was mir in dieser Hinsicht Sorge macht: Die EZB hat noch kein richtiges Ausstiegssignal aus ihrer lockeren Geldpolitik erkennen lassen."

rtr