RKI-Präsident Lothar Wieler warnte davor, dass die derzeitigen Zahlen der Neuinfektionen nicht wirklich belastbar seien, es gebe wahrscheinlich zwei bis dreimal so viele Neuinfektionen als registriert. Es sei "viel zu früh" von einer Trendumkehr zu sprechen. Länder und Kommunen müssten nun die Beschlüsse über weitere Verschärfungen auch konsequent umsetzen und dürften sie bei sinkenden Zahlen nicht sofort wieder aufheben. "Die Maßnahmen müssen eine längere Zeit halten", forderte Wieler.

Erste Länder wie Bayern kündigten am Freitag die Umsetzung der Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag ab. Bundesweit sollen etwa nur noch Geimpfte und Genese einkaufen dürfen - außer in Geschäften für den täglichen Bedarf. Die 2G-Pflicht im Einzelhandel soll ab kommenden Mittwoch gelten, sagte Ministerpräsident Markus Söder. Bayern geht zudem bei Großveranstaltungen über die MPK-Beschlüsse hinaus. Statt eine Obergrenze von 15.000 Zuschauern einzuführen soll es in der Fußball-Bundesliga ab Samstag sogenannte Geisterspiele geben - also Spiele ohne Zuschauer. Als wirksame Maßnahmen bezeichnete er die Schließung von Bars, Clubs und Diskotheken und eine Sperrstunde um 22 Uhr in der Gastronomie.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil forderte die Länder ebenfalls auf, alle beschlossenen Maßnahmen auch umzusetzen. Im ZDF sagte er zu, dass die Ampel-Parteien im Bundestag das Infektionsschutzgesetz erneut verschärfen würden. Die Ampel-Parteien bereiten in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium zudem den Gesetzentwurf für die Impfpflicht in Einrichtungen mit besonders gefährdeten Personen wie etwa Pflegeheimen vor. Nach Reuters-Informationen soll dabei für das jetzt angestellte Personal eine Impfpflicht ab Mitte März eingeführt werden. Es sollen aber ab Inkrafttreten des Gesetzes nur geimpfte Personen neu eingestellt werden. Die Ministerpräsidenten hatten sich am Donnerstag auch für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen, die Anfang 2022 gesetzlich vorbereitet werden soll. Anders als der designierte Kanzler Olaf Scholz will Spahn im Bundestag gegen eine allgemeine Impfpflicht stimmen. Er habe in dieser Frage eine "grundsätzlich sehr skeptische Haltung", sagte er.

OMIKRON ÜBERSCHATTET LAGE


Sowohl die WHO als auch RKI-Präsident Wieler äußerten sich besorgt über die Omikron-Virus-Variante. Es stehe fest, dass die Mutante in Deutschland angekommen und noch ansteckender sein könnte als die Variante Delta, sagte Wieler. Laut Gesundheitsministerium ist aber unklar, ob die Variante auch zu schwerwiegenderen Verläufen der Krankheit führt. BioNTech-Chef Ugur Sahin erwartet, dass sich Omikron als Antikörper-Escape-Variante entwickeln wird. "Das bedeutet, dass diese Variante möglicherweise in der Lage ist, geimpfte Personen zu infizieren." Dies gelte auch für Genesene. Für alle Corona-Varianten gelte aber, dass Impfungen vor schweren Covid-Erkrankungen schützten.

Die Weltgesundheitsorganisation forderte die Staaten im Kampf gegen Omikron auf, das Impfen zu verstärken. Dies sei der bessere Schutz als Reisebeschränkungen. Die USA führten wegen Omikron nun eine verschärfte Testpflicht für alle Einreisenden per Flugzeug ein. Sprecher des Bundesinnen- und Bundesgesundheitsministeriums sagten, dass es in Deutschland keine entsprechenden Planungen gebe. Sinnvoll sei dies wegen des Schengenraums ohnehin dann nur EU-weit. Die Bundesregierung stufte aber die Nachbarstaaten Polen und die Schweiz nach Angaben des Auswärtigen Amtes als Hochrisikogebiete ein. Ungeimpfte, die aus Hochrisikogebieten nach Deutschland einreisen, müssen zehn Tage in Quarantäne, können sich aber nach fünf Tagen freitesten.

TEMPO DER IMPFKAMPAGNE ZIEHT WEITER AN


In Deutschland zog das Tempo der Impfkampagne weiter an: Am Donnerstag wurden in Deutschland nach Angaben des RKI 966.856 Impfdosen verabreicht. Davon waren 90.707 Erstimpfungen, 72.406 Zweitimpfungen und 803.743 Auffrischungsimpfungen. Das RKI korrigierte zudem die Zahlen für Mittwoch deutlich nach oben: Danach wurden an diesem Tag 1.047.750 Menschen geimpft - so viel wie seit dem 23. Juni nicht mehr.

Laut Spahn steht ausreichend Impfstoff bereit, um das Ziel zu erreichen, bis Weihnachten 30 Millionen Menschen eine Booster-Impfung zu geben. Seit dem 18. November seien bereits zehn Millionen Erwachsene "geboostert" worden. Zehn Millionen weitere Impfstoffen seien bereits ausgeliefert, Anfang kommender Wochen kämen weitere zehn Millionen hinzu.

Für Freitag meldete das RKI 74.352 Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Das sind 2062 Fälle weniger als am Freitag vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg wieder auf 442,1 von 439,2 am Donnerstag. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. 390 weitere Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus. Die Zahl der aktiven Corona-Fälle in Deutschland erhöhte sich laut RKI auf 925.800. In den Krankenhäusern müssen laut Deutscher Interdisziplinärer Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) 4773 Corona-Intensivpatienten behandelt werden.

rtr