Es ist passiert: Am Freitag, den 28. Mai, schloss der DAX erstmalig oberhalb der Marke von 15 500 Punkten. Das bisher gültige Schlusskurs-Allzeithoch bei 15 501 Punkten von Mitte April ist damit also passé. Mit dem neuen Rekord erreichte der DAX auch das inzwischen 23. Schlusskurs-Rekordhoch in diesem Jahr. Auch der breit gefasste europäische Leitindex Stoxx 600 schloss auf einem neuen Allzeithoch. Und es schien gar nicht so schwierig, neue Rekorde zu erreichen. Eine größere Korrektur vorher gab es jedenfalls nicht. Alles lief scheinbar nach der simplen Devise: Gelegentliche Rücksetzer zum Einstieg nutzen!

Inflation per Import


Dass es auch Problemfelder gibt, spielt derzeit an den Börsen kaum eine Rolle. Etliche Marktteilnehmer befürchten auf absehbare Zeit zwar steigende Inflation sowie steigende Zinsen, zu mehr als ein paar Wacklern an den Märkten hat dies aber nicht geführt. Zu dominant ist der Optimismus hinsichtlich einer Konjunkturerholung nach dem Ende der Pandemie. In Deutschland zeigt sich die Inflation derzeit vor allem darin, dass sie über die Einfuhrpreise "importiert" wird. Allein im Monat April verteuerten sich diese um 10,3 Prozent. Das ist der höchste Wert seit Dezember 2010.

Den Hauptgrund liefern die Preise für Energie. Erdöl etwa verteuerte sich im Jahresvergleich um nahezu 200 Prozent. Allerdings liegt dies auch am außerordentlich niedrigen Preisniveau des Vergleichsmonats: Im April 2020 hatte die Nachfrage aufgrund der Corona-Krise ihren Tiefpunkt erreicht, bei einem gleichzeitig starken Angebotsüberhang. Zeitweise lag der Ölpreis im negativen Bereich. Ökonomen sprechen hier deswegen von einem Basiseffekt.

Doch was ist langfristig davon zu halten? Sind die Börsianer zu sorglos? "Die Wirtschaft erholt sich, die Unternehmen blicken einer starken Nachfrage entgegen", sagt etwa Benjamin Melman, Chefanleger des Geldverwalters Edmond de Rothschild. Dies könne jedoch nicht über akute Gefahren hinwegtäuschen: "Wir sollten uns nicht zu sehr darauf verlassen, von den Gewinnen positiv überrascht zu werden. Die Verknappung von Komponenten, vor allem von Mikrochips, in Verbindung mit steigenden Produktionskosten könnte die Margen der Unternehmen beeinträchtigen, bevor sich die Lieferketten wieder normalisieren", so Melman. Hinzu komme, dass die Inflationssorgen in den nächsten Wochen zunehmen dürften. So sei die zehnjährige Break-even-Inflation in den USA, die sich in indexierten Anleihen widerspiegelt, auf historische Höchststände von circa 2,65 Prozent gestiegen.

Optimismus aller Orten


Doch noch werden diese Sorgen beiseitegeschoben. Optimismus ist angesagt. Der zeigt sich etwa in den Indikatoren. So ist der europäische ESI-Index (Economic Sentiment Indicator) zum Vormonat um vier auf 114,5 Zähler gestiegen. Analysten hatten im Schnitt nur mit einem Anstieg auf 112,3 Punkte gerechnet. Der ESI, der die Stimmung in den Unternehmen misst, notiert damit klar über seinem langfristigen Durchschnitt und ebenfalls höher als vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Dabei hellte sich die Stimmung in allen betrachteten Bereichen auf. Besonders stark verbesserten sich die Indikatoren in den von den Corona-Beschränkungen hart getroffenen Sektoren der Dienstleister und des Einzelhandels.