E rdöl steckt nicht nur im Auto- oder im Heizöltank, sondern auch in vielen Alltagsprodukten wie Kosmetik, Nahrungsmitteln oder Verpackungen. Doch die weltweiten Erdölreserven sind begrenzt, und die Verwendung des fossilen Rohstoffs setzt riesige Mengen klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) frei.

Seit Jahren forscht die Petrochemie bereits an einer Substitution. Gesucht wird nach nichts Geringerem als dem "heiligen Gral" der Chemie: ein Ausgangsstoff, der nicht mit der Lebensmittelproduktion konkurriert, ein Verfahren, das den ökologischen Fußabdruck verringert, und ein Produkt, das mit den vielfältigen Eigenschaften der erdölbasierten Derivate mithalten kann. Afyren kommt dem Gral schon sehr nahe. Das französische Unternehmen nutzt die Fermentation von landwirtschaftlichen Nebenprodukten zur Herstellung von biobasierten Basischemikalien. Das von den Firmengründern Nicolas Sordet und Jeremy Pessiot entwickelte Verfahren baut auf Kreislaufwirtschaft, ist kostengünstig und dürfte etwa 80 Prozent weniger CO2 ausstoßen als die erdölbasierten Prozesse.

Die erste industrielle Anlage

Das 2012 gegründete Unternehmen hält nicht nur zehn Patente auf seine Technologie, im ersten Quartal 2022 wird auch die erste industrielle Anlage in Betrieb gehen. Beliefert wird das Werk im Norden Frankreichs vom deutschen Zuckerhersteller Südzucker mit Reststoffen aus der Zuckerraffinade. Aus Melasse und Zuckerrübenpulpe stellt Afyren unterschiedliche Karbonsäuren her. Ausgelegt ist das Werk auf eine Jahresproduktion von bis zu 18 000 Tonnen. Die Hälfte der Produktion, die insgesamt einen Umsatz von 35 Millionen Euro bringen soll, ist praktisch schon verkauft. Firmen aus der Kosmetik-, Chemie- und Pharmaindustrie sowie die Landwirtschaft und Lebensmittelhersteller wollen Chemikalien auf Zuckerbasis.

Afyren kann verschiedene landwirtschaftliche Nebenprodukte als Ausgangsmaterial verwenden. Zudem ist das Geschäftsmodell gut skalierbar. Der Markt für Karbonsäuren mit einem Umsatz von 13 Milliarden Dollar pro Jahr wächst jährlich um knapp sechs Prozent. Es ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach grüner Chemie darüber liegt und schneller steigen sollte, da nahezu alle Industrien Klimaziele und Nachhaltigkeitsprogramme verfolgen. Die Pläne für zwei weitere Werke liegen bereits in der Schublade.

Mittel dafür haben die Franzosen beim Börsengang Anfang Oktober eingesammelt: 66,5 Millionen Euro kamen zusammen. Die Analysten von Berenberg gehen davon aus, dass Afyren sehr schnell wachsen wird und lukrative Margen erzielen kann, vorausgesetzt, die erste Anlage läuft erfolgreich an. Noch hat die Aktie den Charakter eines Start-ups. Sie ist deshalb nur für sehr risikobereite Anleger geeignet.

Der seit Anfang Oktober an der Börse notierte französische Wert zeigt einen erfreulichen Aufwärtstrend. Fonds und die Gründer halten große Aktienpakete. Der Streubesitz liegt bei knapp 18 Prozent. Deshalb nur mit Limit ordern. Empfehlung: Kaufen