Die Investoren sind derzeit hypernervös, insbesondere bei Aktien von Textileinzelhändlern. Deutsche Unternehmen werden von zwei Seiten attackiert: Zum einen drängen expansionsfreudige Konzerne wie H & M aus Schweden und Inditex aus Spanien mit Macht auf den größten Modemarkt Europas. Zum anderen bestellen die Deutschen immer mehr im Internet, was für einen intensiven Preiswettbewerb sorgt. Wenn dann noch ein Platzhirsch wie Gerry Weber eine Gewinnwarnung ausgibt, gibt es kein Halten mehr.

Als die Ostwestfalen Anfang Juni ihre Jahresziele kassierten, verlor die Aktie an einem Tag rund ein Drittel ihres Werts. In Mitleidenschaft wurden auch die Titel von Adler Modemärkte gezogen. Seit Jahresanfang hat die Aktie rund ein Viertel an Wert verloren, zehn Prozent allein im Juni.

Dabei werden die Unterfranken in diesem Fall zu Unrecht in Sippenhaft genommen. Denn während Inditex-Marken wie Zara oder Bershka sicherlich Gerry Weber & Co. Kunden abjagen, gilt das für Adler nicht. Das Unternehmen hat sich auf ältere Kundschaft spezialisiert. Nur ein Viertel der Adler-Kunden ist unter 50 Jahre, fast 30 Prozent haben die 70 überschritten. Auch deshalb wirbt der Filialist mit der 57 Jahre alten Moderatorin Birgit Schrowange. Das kommt bei der Zielgruppe an.

Dass die Aktie dennoch so stark unter Druck geriet, dürfte teilweise am ersten Quartal gelegen haben. Da hat der Nebenwert mit seinen Ergebnissen enttäuscht. So ging der Umsatz auf gleicher Flächenbasis um 4,1 Prozent zurück. Insgesamt legten die Einnahmen leicht um 1,7 Prozent auf 115,1 Millionen Euro zu. Im Branchenvergleich hat sich der Filialist damit wacker geschlagen, das Quartals-Minus des Gesamtmarkts lag bei minus fünf Prozent. Das Vorjahresquartal war allerdings mit einem Plus von 8,4 Prozent überdurchschnittlich gut gelaufen, weil damals die Frühjahrskollektion bereits in den Läden war. In diesem Jahr war das aufgrund des März-Wetters nicht möglich.

Darüber hinaus hatte Adler im Dezember den Konkurrenten Kressner übernommen. Laut Management fielen Einmalkosten von rund zwei Millionen Euro an. Zudem drückt Kressner auf die Marge, denn dort wurden auch Marken von Drittanbietern vertrieben. Der Verlust vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen stieg im ersten Quartal von 5,6 auf 13 Millionen Euro. Im Gesamtjahr sollte Adler bei leicht steigenden Umsätzen ein positives Ebitda aufweisen, 2016 sollte sich die Übernahme auszahlen.

Auf 2016er-Basis erreicht die Aktie ein attraktives KGV von 10,4. Hinzu kommt die hohe Dividendenrendite von rund fünf Prozent. Auch die Bilanz spricht für den Titel: Per Ende März lag die Eigenkapitalquote bei 37,3 Prozent, die liquiden Mittel beliefen sich auf 40,9 Millionen Euro. Für 2016 erwarten wir Verbesserungen auf der Kostenseite. Alles in allem dürfte die Aktie auf dem aktuellen Niveau unterbewertet sein - eine gute Chance für mittelfristig orientierte Anleger.

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