Wegen der niedrigen Zinsen sind Immobilien und Dividenden für viele Privatanleger der letzte Ausweg, um halbwegs planbare Einkünfte zu erzielen. Immobilienaktien vereinen beide Investments. Doch nachdem Deutsche Annington sich Gagfah einverleibte, haben die Kurse hierzulande bereits deutlich angezogen. Die Top-Player der Branche suchen daher jetzt im benachbarten Ausland nach Wachstumsmöglichkeiten.

Den Anfang machte Deutsche Wohnen mit einem Übernahmeangebot an die Aktionäre der österreichischen Conwert zu 11,50 Euro je Anteilschein. Gleichzeitig sorgen die beiden ebenfalls im Wiener Leitindex ATX notierten Gesellschaften Immofinanz und CA Immo mit gegenseitigen Beteiligungsofferten für Wirbel. "Titel aus Österreich standen zuvor nicht so stark im Fokus. Daraus resultierten große Abschläge auf die inneren Werte der Immobilienportfolios", erklärt Stefan Scharff, Chef des Analysehauses SRC Research.

Zwar haben sich diese Abschläge in den vergangenen Monaten verkleinert, doch sieht der Branchenkenner bei Titeln aus der Alpenrepublik immer noch Nachholpotenzial: "Österreichische Immobiliengesellschaften haben intensiv an ihrer Kapitalmarktkommunikation gearbeitet und lassen sich immer öfter bei Investoren in Deutschland blicken - das sorgt dafür, dass diese Unternehmen vom Markt viel besser wahrgenommen werden."

Auf Seite 2: Potential in Osteuropa



Österreichische Immobiliengesellschaften investieren traditionell stark in Osteuropa. Wegen der Sanktionen gegen Russland und des Rubel- Verfalls beäugten Anleger die Gesellschaften zuletzt skeptisch. Die derzeitigen Rahmenbedingungen könnten allerdings auch Chancen bergen, glaubt Scharff: "Immofinanz etwa glänzt mit einem Abschlag auf das Osteuropa-Portfolio von bis zu 60 Prozent." Hauptgrund ist das Gewerbeimmobilienportfolio in Russland.



Aber auch der deutsche Markt spielt für viele Gesellschaften aus Österreich eine bedeutsame Rolle. Erst kürzlich gab S Immo, dessen Immobilienvermögen derzeit rund 1,8 Milliarden Euro umfasst, eine Ankaufoffensive in Berlin bekannt. Doch die Deutschen könnten den Spieß umdrehen: Die Schwergewichte im Markt sollen ein Auge auf S Immo geworfen haben. Wie der gesamte ATX-Immobilienindex (IATX) konnte die Aktie zwar bereits einen großen Teil ihrer Unterbewertung wettmachen. Dennoch bleibt sie mit einem Abschlag von rund 20 Prozent auf den inneren Wert des Immobilienportfolios (in der Fachsprache: Net Asset Value oder kurz NAV) interessant. Den NAV von S Immo taxiert Analyst Günther Artner von der Erste Bank in Wien auf rund zehn Euro.



Erst kürzlich hatte das Unternehmen für 2014 ein operatives Ergebnis bekannt gegeben, das mit 139 Millionen Euro 45 Prozent über dem des Vorjahres lag, weshalb Artner seine Gewinnschätzungen auch für 2015 und 2016 anhob. Und Vorstandschef Ernst Vejdovszky kündigte Mitte März auf einer Investorenveranstaltung in Frankfurt für die nächsten Jahre ein stetiges Ergebniswachstum an, das sich auch in der Dividende niederschlagen soll.

Auch bei anderen Gesellschaften wie Immofinanz ist die Dividende ein wichtiges Argument, lediglich Übernahmeziel Conwert geizt bei der Ausschüttung. Doch bei Conwert, dessen 2,8 Milliarden Euro schweres Portfolio zu rund drei Viertel aus Wohnimmobilien besteht, schielen Anleger derzeit ohnehin eher auf das Übernahmeangebot von Deutsche Wohnen.

Während der Immobiliengigant aus Deutschland zuletzt wiederholt beteuerte, die bis zum 15. April gültige Offerte nicht nachbessern zu wollen, empfahl der Conwert- Verwaltungsrat den Aktionären, das Angebot auszuschlagen.

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Weißer Ritter in Sicht?

Für Analyst Scharff ist das letzte Wort trotz aller Beteuerungen von Deutsche Wohnen noch nicht gesprochen: "Ich könnte mir vorstellen, dass das Angebot noch einmal nachgebessert werden muss, gerade weil der Geschäftsbericht von Conwert Hinweise auf ein weit besseres Jahr 2015 enthielt und der Substanzwert der Aktie nun schon bei fast 16 Euro liegt."

Die Beharrlichkeit, mit der Deutsche Wohnen derzeit eine Erhöhung öffentlich abstreitet, könnte also schon bald Aktionismus weichen. Vor allem dann, wenn die Konkurrenz ebenfalls nach Zukäufen strebt. Branchenkenner wollen nicht ausschließen, dass ein Wettbewerber noch ein Gegengebot für Conwert abgibt.

Wie es auch kommt - sowohl mit Einzelaktien als auch mit einem Zertifikat auf den IATX können Anleger vom Übernahmefieber in Österreich profitieren. Erste-Bank- Analyst Artner kann sich sogar vorstellen, dass die Kurse von S Immo und Co über den Nettoinventarwert hinaussteigen: "In anderen Märkten in Westeuropa und in den USA ist das schon passiert."

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Und was ist mit KWG?

Sollte Deutsche Wohnen bei Conwert zum Zug kommen, stellt sich die Frage, was aus KWG Kommunale Wohnen wird. Conwert hält 78 Prozent der KWG-Aktien. Weil KWG im Freiverkehr notiert, unterliegt das Unternehmen nicht dem Übernahmekodex, und Deutsche Wohnen musste im ersten Durchgang nicht auch gleichzeitig für die mit einem Börsenwert von 121 Millionen Euro recht kleine Immobilienfirma bieten. Für Deutsche Wohnen sind nur Teile des Portfolios von KWG interessant. Daher wäre eine Aufspaltung eine denkbare Variante. Dafür benötigt Deutsche Wohnen zumindest einen Gewinnabführungsvertrag, also auch ein mit Gutachten unterlegtes Übernahmeangebot. KWG hat zuletzt umfangreiche Sanierungsmaßnahmen durchgeführt. Deshalb läuft der Ertragstrend der Branche noch hinterher. Die Folge: Die Aktie wird mit einem 30-Prozent-Abschlag zum inneren Wert von 11,55 Euro gehandelt. Dieser sollte durch ein Bewertungsgutachten im Rahmen einer Übernahme aufgedeckt werden. LA