LÜDER GERKEN, CENTRUM FÜR EUROPÄISCHE POLITIK:



"Theresa May erkennt an, dass die vier Grundfreiheiten des EU-Binnenmarktes für die Europäische Union nicht verhandelbar sind und strebt deshalb ein neues umfassendes Handelsabkommen mit der Gemeinschaft an. Das ist sinnvoll und verhindert, dass die Grundfreiheiten aufgeweicht werden, was auch im Interesse der EU ist. Die bisher diskutierte Alternative des 'weichen Brexits', der Großbritannien einen weiteren Zugang zum Binnenmarkt im Austausch für Zugeständnisse etwa bei der Freizügigkeit eingeräumt hätte, ist damit vom Tisch. Auch haben die Briten mit den von May angekündigten zwölf Prioritäten Spekulationen beendet und auf beiden Seiten für Klarheit gesorgt, was gut ist für die künftigen Verhandlungen."

THOMAS GITZEL, VP BANK:



"Theresa May möchte sich weitgehend von Verpflichtungen seitens der EU lösen, doch gleichzeitig soll ein möglichst zollfreier Zugang zum Binnenmarkt gewahrt bleiben. Bei genauer Betrachtung wäre also die von Theresa May vorgestellte Lösung ein Art 'weicher' Ausstieg aus der EU, denn mit einem weitgehend zollfreien Zugang zum EU-Binnenmarkt wären die wirtschaftlichen Einbußen minimiert. Dies könnte Nachahmer anderer EU-Staaten auf den Plan rufen. Interessenskonflikte zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU sind also vorprogrammiert."

JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK-CHEFVOLKSWIRT:



"Beide Seiten haben ein Interesse an einem Freihandelsabkommen. Am Ende wird man sich darauf einigen. Denn auch für die EU ist Großbritannien sehr wichtig. Sie würde sich ins eigene Fleisch schneiden, wenn sie wieder Zollschranken errichten würde. Die Übergangsphase ist risikoreich für Großbritannien. Wenn sich das Land aber markwirtschaftlich und unternehmerfreundlich positioniert, können die Briten am Ende durchaus besser dastehen als jetzt."

"Für Deutschland ist es ein riesiges Problem. Mit seinen Positionen ist Deutschland in einem noch mehr südeuropäisch dominierten EU noch mehr isoliert."

BASTIAN HEPPERLE, BANKHAUS LAMPE:



"Es läuft alles auf einen harten Ausstieg hinaus. Großbritannien wird aus dem Binnenmarkt ausscheren. Das hat zur Folge, dass die Unsicherheit steigt. Unternehmen werden sich hier und dort mit Investitionen zurückhalten. Das dämpft die britische Konjunktur."

"Deutschland könnte davon profitieren, dass sich Unternehmen verstärkt hier niederlassen oder ihre Geschäftstätigkeit ausbauen. Allerdings wird sich das eine oder andere Unternehmen hier ebenfalls mit Investitionen zurückhalten. Gravierende konjunkturelle Folgen für Deutschland sind aber erst einmal nicht zu erwarten."

rtr