Im Vereinigten Königreich wird die Wirtschaft nach einer neuen Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) vom Dienstag 2017 um knapp einen Prozentpunkt und in Deutschland um fast einen halben Prozentpunkt weniger zulegen als bisher erwartet. Zudem zeigten sich Börsenprofis so skeptisch für die deutsche Konjunktur wie seit November 2012 nicht mehr, wie aus der ersten Umfrage des ZEW-Instituts seit der Volksabstimmung der Briten hervorgeht. "Nach dem Brexit-Votum ist Pessimismus Trumpf", sagte NordLB-Ökonom Tobias Basse.

Die Briten hatten sich Ende Juni für einen Austritt aus der Europäischen Union ausgesprochen. Ökonomen gehen davon aus, dass ein solcher Brexit die britische Wirtschaft an den Rand der Rezession bringen könnte. Auch die EU-Kommission erwartet eine deutliche Abkühlung. Zuletzt trübte sich bereits die Stimmung der Industriebetriebe ein. Der Vize-Gouverneur der Notenbank BoE, Sam Woods, sieht auch Signale für eine Belastung des Immobilienmarktes. Finanzminister Philipp Hammond kündigte an, eng mit der Bank of England (BoE) zusammenzuarbeiten, um die Wirtschaft durch den Brexit-Schock zu steuern.

BRITISCHER FINANZMINISTER SIEHT NOTENBANK AM ZUG



"Die erste Antwort auf diesen Schock muss von der Geldpolitik der Bank of England kommen", sagte Hammond. Die Notenbank hatte den Leitzins zunächst überraschend bei 0,5 Prozent gelassen. Nach den Sitzungsprotokollen der BoE allerdings gilt eine Senkung am 4. August als wahrscheinlich.

Derweil ist auch die Kreditwürdigkeit Großbritanniens in Gefahr, wie die Rating-Agentur Moody's mitteilte. Die Unsicherheit werde das Wirtschaftswachstum und die öffentlichen Finanzen wohl kurzfristig schwächen. Mittelfristig sei sogar ein kräftiger Rückgang möglich, falls es Großbritannien nicht gelinge, ein Handelsabkommen mit der Europäischen Union abzuschließen, das dem Land einen günstigen Zugang zum EU-Binnenmarkt ermögliche.

Viele Branchen loten derzeit die Folgen der neuen Unsicherheit durch das Brexit-Votum aus. Der niederländische BASF -Rivale AkzoNobel etwa befürchtet, dass ein Abschwung im britischen Haus- und Wohnungsbaumarkt die Nachfrage nach den Innenraum- und Fassadenfarben des Chemiekonzerns dämpfen könnte. Diese Aussagen von Firmenchef Ton Buechner schickten die AkzoNobel-Aktie mehr als fünf Prozent ins Minus.

Der IWF sagt Großbritannien zwar Wachstum voraus - 1,7 Prozent in diesem und 1,3 Prozent im nächsten Jahr. Die Schätzung im neuen Weltwirtschaftsausblick liegt für 2017 aber 0,9 Punkte unter der bisherigen Prognose. Auch Deutschland, für dessen Wirtschaft Großbritannien der drittgrößte Exportmarkt ist, bekommt demnach einen empfindlichen Dämpfer. Nach einem Zuwachs von 1,6 Prozent in diesem Jahr wird das Plus laut IWF 2017 mit 1,2 Prozent um 0,4 Punkte schwächer ausfallen als bislang erwartet. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) rechnet bereits mit einem kräftigen Rückgang der Exporte nach Großbritannien.

Das Barometer des Mannheimer ZEW-Instituts für die Konjunkturerwartungen von Börsianern in den nächsten sechs Monaten fiel im Juli unerwartet stark um 26 Punkte auf minus 6,8 Zähler. Ökonomen der Commerzbank warnten jedoch vor zu viel Pessimismus. "Einen Einblick in die Stimmungslage bei den Firmen wird am kommenden Montag erst das Ifo-Geschäftsklima geben." rtr