Wenn der Standardwerteindex DAX als Maßstab herangezogen wird, dann gab es in diesem Jahr noch nichts zu verdienen am deutschen Aktienmarkt. Doch selbst wenn es am Gesamtmarkt nicht so toll läuft, geben eingefleischte Börsianer die Hoffnung nicht auf, mit Hilfe von gezielten Stock-Picking trotzdem Gewinne zu erzielen.

Besser als der Markt haben sich kurz- und langfristig die Europa-Favoriten von LBBW-Research (Landesbank Baden-Württemberg) geschlagen. Auf Sicht von fünf Jahren (12.07.2011-12.07.2016) legten die Favoriten-Aktien um 61 Prozent zu, während es der Stoxx Europe Index gleichzeitig auf plus 50,34 Prozent und der DAX auf plus 44 Prozent brachten. Das entspricht einer durchschnittlichen Jahresrendite von 11,9 Prozent verglichen mit 5,7 Prozent bzw. 8,0 Prozent. Mit Blick auf 2016 notieren die LBBW Research-Favoriten-Aktien leicht im Plus, während die Vergleichsindizes noch unter ihren Jahresanfangsständen liegen.

Investiert wird beim LBBW Research-Favoriten-Aktien-Index in zehn als aussichtsreich eingestufte europäische Blue-Chips. Die Auswahl erfolgt im Zuge eines stringenten Investmentprozesses, ausgehend vom makroökonomischen Weltbild über die strategische Asset Allocation und die Anlageregionen, hin zur Branchenallokation und Titelselektion. Das Anlageuniversum umfasst rund 140 europäische Titel. Hierbei stehen hohe Marktkapitalisierung und starker Börsenumsatz im Fokus. Die wichtigsten Selektionskriterien sind ein hohes Kurspotenzial sowie nachhaltig starke Dividendenperspektiven der Unternehmen im Markt- und Branchenvergleich.

Die wichtigsten Performancetreiber in diesem Jahr waren neben ArcelorMittal auch Royal Dutch Shell. Der Öl- und Gaskonzern profitierte hierbei vor allem von der ab Februar einsetzenden Rohstoffwende. Deutliches und fundamental gut begründetes Aufholpotenzial sehen wir vor allem bei den Automobil- und Technologietiteln. Die durchschnittliche Dividendenrendite im Portfolio beträgt aktuell 4,2% und liegt damit auf dem Niveau des Stoxx Europe 50.

Die erwähnte Aktie des luxemburgischen Stahlkonzerns ArcelorMittal hat in den vergangenen Wochen stark zugelegt, wobei auch Fusionsphantasien in der Stahlbranche eine Rolle spielten. Auf dem erreichten Kursniveau wird das Chance-Risiko-Verhältnis von der LBBW allerdings als deutlich akzentuierter eingestuft, weshalb jüngst zu Gewinnmitnahmen übergegangen wurde. Auf den nachfolgenden Seiten stellt Börse Online den dafür in den LBBW Research-Favoriten-Aktien-Index eingezogenen Titel ebenso etwas näher vor wie vier andere Mitfavoriten, die allesamt aus Deutschland kommen.



LBBW Research-Favoriten-Aktien-Index, Mitglied Nummer eins: Airbus Group SE (WKN: 938914, 51,17 Euro, alle Angaben beziehen sich auf den Stand vom 25. Juli)



Als Ersatz für ArcelorMittal wird mit Airbus ein Titel neu in den LBBW Research-Favoriten-Aktien-Index aufgenommen, der in diesem Jahr noch nicht mit einer besseren Entwicklung als der Gesamtmarkt überzeugen konnte. Hier muss vielmehr ein seit Ende 2015 aufgenommener Abwärtstrend als intakt bezeichnet werden. Vom damals noch bei 68,42 Euro markierten Rekordhoch notiert der Titel jedenfalls momentan ziemlich weit entfernt. Das Chart lässt somit kurz- bis mittelfristig etwas zu wünschen übrig.

Bei der LBBW sind die Analysten aber von einer Rückkehr zu den alten Kursrekorden überzeugt. Bereits im März wurde das Kursziel von 65 Euro auf 68 Euro erhöht. Diese Vorgabe hat auch heute noch Bestand und verspricht bei Zielerreichung ein Kursplus von 32,9 Prozent. Zur Begründung für die positive Haltung gegenüber dem Titel hieß es damals, das Wachstumsszenario für 2017 sei bestätigt und zunehmend glaubhaft. Die zivile Luftfahrt präsentiere sich in robuster Verfassung und im Militärgeschäft gebe es eine Trendwende. Es gebe zwar weiter Programmrisiken, doch diese seien kontrollierbar.

Anlässlich der kürzlich erfolgten Aufnahme in den LBBW Research-Favoriten-Aktien-Index hieß es, der deutsch-französische Flugzeugbauer bewege sich fundamental in einer Wachstumsbranche mit soliden Zuwachsraten. Erst zuletzt seien wieder zahlreiche Neuaufträge akquiriert worden. Die Reduzierung der Produktion beim A 380 sei zwar schmerzhaft, aber angesichts der hervorragenden Marktposition gut verkraftbar.

Bei der kürzlich abgehaltenen Luftfahrtmesse in Farnborough konnte Airbus mit 279 Flugzeuge (davon 197 feste Bestellungen) mehr Aufträge (Gesamtwert von 35 Milliarden Dollar) mehr Aufträge einsammeln als der Erzrivale Boeing, der Aufträge für 182 Flugzeuge im Gesamtwert von 27 Milliarden Dollar meldete. Trotzdem ist auch bei Airbus die Nachfrage geringer als in den Vorjahren ausgefallen, wobei der Konzern aber die Ziele für 2016 bestätigt hat, die aus einer Book-to-Bill-Ratio von über eins bestehen sowie aus der Auslieferung von über 650 Flugzeugen.

Die LBBW setzt auf eine ab 2017 erwartete Verbesserung der im Sektorvergleich noch unterdurchschnittlichen operativen Marge und bei der ebenfalls noch schwachen Generierung von Cash Flow. Das sollte die Kreditqualität weiter erhöhen. Mögliche Sonderbelastungen sollten sich durch die auch weiterhin hoch erwarteten Liquiditätsbestände gut abfedern lassen. Verwiesen wird außerdem auf insbesondere ab 2018 sich abzeichnende positive Währungseffekte in nennenswertem Ausmaß, die durch bereits installierte Währungsabsicherungen derzeit noch nicht vollständig sichtbar seien.





LBBW Research-Favoriten-Aktien-Index, Mitglied Nummer zwei: Daimler AG (WKN: 710000, 59,95 Euro)



Mit Daimler hatte auch ein zweiter deutscher Favorit LBBW Research-Favoriten-Aktien-Index zuletzt keinen leichten Stand. Direkter ausgedrückt könnte man auch schreiben, der Titel hat extrem enttäuscht. Vom Hoch bei 95,79 Euro hat sich der Wert jedenfalls deutlich nach unten hin abgesetzt. Die charttechnische Verfassung ist speziell mittelfristig betrachtet dadurch noch schwach. Aber immerhin: Vom Zwischentief bei 51,97 Euro hat sich die Notiz merklich gelöst.

Beigetragen zur jüngsten Kurserholung haben dabei die vorgelegten Geschäftszahlen, denn diese sind ansprechend ausgefallen. Am 12. Juli wurde vorab über die Ergebnisse im zweiten Quartal 2016 berichtet. Das um Sonderfaktoren bereinigte EBIT erreichte den Angaben zufolge 3,973 Milliarden Euro. Das entspricht einem Plus von 5,6 Prozent und übertraf damit die Konsenserwartungen der Analysten von 3,258 Milliarden Euro.

Der Vorstand bestätigte außerdem den Ausblick für das Gesamtjahr 2016. So wird für ein leicht steigendes EBIT aus dem laufenden Geschäft erwartet: Mercedes-Benz Cars, Daimler Buses und Daimler Financial Services leicht über Vorjahr; Mercedes-Benz Vans deutlich über Vorjahr und Daimler Trucks deutlich unter Vorjahr. Daran anknüpfend sahen die LBBW-Analysten auf Konzernebene keinen Adjustierungsbedarf beim EBIT, da dieses einschließlich der Sonderfaktoren im zweiten Quartal im Rahmen der hauseigenen Prognose lag.

Wie es im Zuge einer bestätigten Kaufempfehlung für den DAX-Vertreter hieß, verfüge der Titel bei einem unveränderten Kursziel von 82 Euro weiterhin über ein hohes Kurspotenzial. Konkret lässt diese Vorgabe 36,8 Prozent Luft nach oben. Die größten Risiken für den Investment Case werden in nachlassenden Fahrzeugmärkten gesehen sowie negativen Ergebnisse der internen Untersuchung in den USA hinsichtlich des Zertifizierungsprozesses in Bezug auf Abgasemissionen.

Beim Gewinn je Aktie wird für die Jahre 2016 bis 2018 mit 7,72 Euro, 8,83 Euro und mit 8,91 Euro kalkuliert. Auf dieser Basis bewegt sich das geschätzte KGV im einstelligen Bereich. Bei den Dividenden wird mit Ausschüttungen von 3,25 Euro, 3,55 Euro und 3,60 Euro gerechnet, woraus sich jeweils eine attraktive Dividendenrendite ergibt.





LBBW Research-Favoriten-Aktien-Index, Mitglied Nummer drei: SAP SE (WKN: 716460, 77,09 Euro)



Anders als die beiden zuerst porträtierten Favoriten aus dem LBBW Research-Favoriten-Aktien-Index kann das nächste Index-Mitglied SAP mit einem überzeugenden Chart aufwarten. Denn diese Aktie hat gerade einen Satz nach oben gemacht und ist dabei auf neue Mehrjahreshochs vorgestoßen. Durch den Ausbruch aus einer bisher gültigen Seitwärtsrange wurde ein prozyklisches charttechnisches Kaufsignal generiert. Rein theoretisch verfügt dieser Titel jetzt über weiteres Aufwärtspotenzial, wobei als nächstes so langsam das Rekordhoch aus dem Jahr 2000 bei 87,48 Euro ins Visier rückt.

Möglich gemacht haben den Kursausbruch nach oben Quartalsergebnisse, die nicht nur vom Markt allgemein, sondern auch von den Analysten der LBBW als erfreulich bezeichnet wurden. Nach dem schwachen Jahresauftakt konnte SAP mit den Resultaten für das zweite Quartal des laufenden Geschäftsjahres 2016 die mehr als nur erfüllen, hieß es in einer Reaktion auf das Zahlenwerk. Die Lizenzerlöse hätten dabei sowohl unsere als auch die Konsensschätzungen übertroffen. Stark sei die Entwicklung trotz der Brexit-Thematik auch in Europa gewesen. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist auch, dass der SAP-Vorstandsvorsitzender Bill McDermott sogar glaubt, dass der Softwarekonzern vom EU-Ausstieg der Briten profitieren könnte.

Zu den Quartalszahlen meinte die LBBW ansonsten, die im ersten Quartal noch fehlenden Umsätze der Vertriebsregion Amerika habe SAP wie avisiert im zweiten Quartal realisieren können. Das Cloud-Geschäft entwickele sich so positiv wie erhofft. Insbesondere die margenstarken Lizenzerlöse dürften hinter der operativen Ertragsüberraschung stehen. SAP selbst hat die bestehenden Ziele für 2016 hinsichtlich der Clouderlöse mit 2,95 bis 3,05 Milliarden Euro (LBBW rechnet mit 3,03 Milliarden Euro), des Wachstums der Cloud- und Softwareumsätze von sechs bis acht Prozent (LBBW-Prognose: 7,9 Prozent) und des operativen Ergebnisses von 6,4 bis 6,7 Milliarden Euro (LBBW-Vorhersage: 6,7 Milliarden Euro) bekräftigt.

Die Managementaussagen betonten laut LBBW eine starke Auftragspipeline, die das Unternehmen nun mit "Zuversicht" auf die weitere Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte blicken lassen würde. Das Kaufen-Urteil wurde vor diesem Hintergrund ebenso bestätigt wie das Kursziel. Allerdings liegt dieses mit 83 Euro nach dem jüngsten Kurssprung nur noch um relativ moderate 7,7 Prozent über den aktuell gültigen Notierungen. Beim Gewinn je Aktie wird für 2016 mit 4,08 Euro kalkuliert und für 2017 mit 4,30 Euro. Die geschätzten KGVs bewegen sich damit für diese beiden Jahre bei 18,9 und bei 17,9.





LBBW Research-Favoriten-Aktien-Index, Mitglied Nummer vier: Linde AG (WKN: 648300, 129,15 Euro)



Anders als bei SAP kann bei Linde bisher noch nicht von nachhaltigen charttechnischen Kaufsignalen die Rede sein. Wie auch, schließlich ist der im April aufgenommene Abwärtstrend grundsätzlich noch als intakt zu betrachtet. Doch es gibt auch hier einen Hoffnungsschimmer. Dieser besteht darin, dass zuletzt auch bei Schwächeanfällen das im Februar bei 115,85 Euro markierte Jahrestief nicht mehr unterschritten wurde. Das erhält bisher die Chance auf eine tragfähige Bodenbildung auf dem aktuellen Kursniveau am Leben.

Der Gase- und Anlagenbaukonzern geht nach den bisherigen Aussagen von Konzernchef Wolfgang Büchele trotz der schwierigen Weltkonjunktur von einer Erreichung der Gewinnziele aus. Das hat auch damit zu tun, dass die zuletzt formulierten Ziele bereits vorsichtig gewählt wurden, nachdem der seit zwei Jahren im Amt befindliche Büchele in dieser Zeit bereits zwei Gewinnrevisionen vornehmen musste.

Auch wegen dieser Enttäuschungen wird es spannend werden, wenn am 28. Juli die Zahlen für das zweite Quartal vorgelegt werden. Eine dritte Enttäuschung würde dem Aktienkurs mit Sicherheit zusetzen, weil damit dann endgültig viel Vertrauen verspielt wäre. Abzuwarten bleibt auch, was zu diesem Termin zum erklärten Ziel gesagt wird, wieder zum weltweit größten Gaseanbieter zu werden und damit den Konkurrenten Air Liquide wieder an der Weltspitze abzulösen.

Viel Zündstoff birgt darüber hinaus ein intern schwelender Konflikt in der Führungsriege. Meldungen zufolge gibt es Probleme, weil Finanzvorstand Georg Denoke Ansprüche auf den Posten als Vorstandschef anmelde. Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle, der Büchele auf den Chefposten gehoben hatte, sei deswegen bereits dabei, einen neuen Finanzchef zu suchen, weil Denoke nicht mehr tragbar sei.

Die LBBW hatte im März das Kursziel für die Linde-Aktie von 166,00 Euro auf 157,00 Euro gesenkt, die Kaufempfehlung aber bestätigt. Derzeit beinhaltet die Vorgabe ein Kurspotenzial von 21,6 Prozent. Grundsätzlich wurde damals als negative Faktoren auf einen geringen Ölpreis verwiesen, worunter der Anlagenbau leide sowie auf ein momentan relativ geringes organisches Wachstum im Gasgeschäft. Als Pluspunkte wurden dagegen das grundsätzlich stabiles Gasgeschäft hervorgehoben, eine gute Marktposition sowie die ergriffenen Restrukturierungsmaßnahmen.





LBBW Research-Favoriten-Aktien-Index, Mitglied Nummer fünf: HeidelbergCement AG (WKN: 604700, 71,42 Euro)



Beim fünften deutschen Favoriten aus dem LBBW Research-Favoriten-Aktien-Index, der HeidelbergCement AG, gestaltet sich die charttechnische Ausgangslage so, dass noch bis in den April hinein neue Rekorde markiert werden konnten. Danach setzte dann allerdings eine Korrekturbewegung ein. Dadurch steckt dieser DAX-Vertreter jetzt in einem mittelfristigen Seitwärtstrend fest, woran auch die Tatsache noch nichts Entscheidendes geändert hat, dass es jüngst gelungen ist, sich wieder etwas vom Juli-Zwischentief abzusetzen.

Die Aktie des Produzenten von Zement, Zuschlagstoffe und Beton hat sehr negativ auf den Brexit-Entscheid reagiert, weil man am Markt für die britischen Aktivitäten des Konzerns negativ Folgen befürchtet und auch die Schwäche des britischen Pfundes als Bürde empfindet. Im Jahr 2015 belief sich der Anteil aus Großbritannien am Konzernumsatz auf elf Prozent. Nachdem inzwischen nach langem Warten unter Auflagen von der Federal Trade Commission die Genehmigung für die Übernahme von Italcementi vorliegt, wird dieser Anteil künftig aber sinken.

Nach der Akquisition von Italcementi wird HeidelbergCement laut LBBW bei Zuschlagstoffen weltweit führend sein, bei Zement die Nummer zwei und bei Fertigbeton drittgrößter Hersteller. Analog des Unternehmensausblicks wird für 2016 eine positive Entwicklung der Baustoffnachfrage in den USA und Großbritannien gesehen sowie ein moderates Wachstum in Mittel- und Nordeuropa.

In den verschiedenen Schwellenländern seien Volumenrückgänge zu erwarten, die teilweise durch Preissteigerungen abgefedert werden dürften. Außerdem wird von einer längerfristigen Verbesserung der Kreditqualität ausgegangen. Allerdings sei auf Basis der Akquisition von Italcementi eine kurzfristige Rückkehr in den Investmentgrade-Bereich unrealistisch.

Zu den Nachteilen von HeidelbergCement wird eine volatile Entwicklung der Absatzmärkte gezählt, auf der Plusseite wird dagegen unter anderem eine vorteilhafte regionale Positionierung verbucht. Als Kursziel werden 84,00 Euro genannt, was sich um 17,6 Prozent über den aktuellen Notierungen bewegt. Der Ausblick des Unternehmens sieht Absatzwachstum in allen Geschäftsbereichen vor sowie moderate Steigerung von Umsatz, operativem Ergebnis und Jahresüberschuss vor Währungs- und Konsolidierungs- sowie Einmaleffekten. Auf dem Prüfstein stehen diesen Vorgaben bei der Vorlage der Halbjahreszahlen am 29. Juli.