Marode Straßen, baufällige Brücken, niedrige Glasfaserabdeckung. Der Investitionsstau in Deutschland soll sich nun auflösen. Vier Aktien, die davon profitieren werden.
Zweifelsfrei gibt es in Deutschland einen Stau bei Infrastruktur. In vielen Bereichen wurde in den vergangenen Jahren viel zu wenig investiert. Das soll sich mit der neuen Regierung ändern. Die Redaktion hat 4 Werte herausgesucht, die von den Initiativen profitieren werden und deren Aktien auch einiges Kurspotenzial mitbringen.
Gemessen am Geschäftspotenzial ist Siemens Energy einer der Hauptprofiteure der Strukturpakete. Der Konzern hat in vielen Bereichen seine Finger im Spiel. Werden wieder mehr klassische Kraftwerke ans Netz geholt, liefern die Erlanger die Turbinen. Im Wasserstoffgeschäft werden Elektrolyseanlagen verkauft. Müssen Rechenzentren ans Netz genommen werden, um die Digitalisierung in Deutschland zu beschleunigen, liefert Siemens Energy die Kabel, kann aber auch die komplette Stromversorgung der Datenzentren organisieren. Die Windturbinen-Tochter Siemens Gamesa belastet durch die noch nicht abgeschlossene Sanierung im Moment das Geschäft, dürfte aber zunehmend von mehr Baugenehmigungen profitieren. Die Liste lässt sich fortsetzen. Viel eindrücklicher zeigen aber die Geschäftszahlen, wohin die Reise geht. Im zweiten Quartal wächst der Umsatz um ein Fünftel, die operative Marge springt von 2,1 auf über neun Prozent. Und schon bevor die große Koalition die Gelder freigibt, steigt der Auftragseingang um 50 Prozent auf 14,4 Milliarden. Die neuen Orders sind 44 Prozent größer als der Umsatz. Das heißt: Die Entwicklung sollte auf absehbare Zeit dynamisch bleiben.
Ein Wermutstropfen: Die Aktie ist nicht mehr tief bewertet. Aber sie hat einen doppelten Gewinnhebel. Das klassische Geschäft mit Turbinen und Kabeln wird immer mehr Umsatz und Ertrag beisteuern, und gleichzeitig werden die Verluste von Siemens Gamesa geringer und fallen dann auch weg.
Noch mehr unter Strom
Eine wichtige Komponente der großen Koalition ist, dass deutsche Firmen wettbewerbsfähig arbeiten können. Dabei kommt der Versorgung mit bezahlbarer Energie eine große Rolle zu. Den Industriestrom muss jemand liefern. Und hier kommt Deutschlands größter Versorger RWE ins Spiel. Es ist davon auszugehen, dass RWE mit seinem Kraftwerkpark für erneuerbare Energien zum einen von dem Klimafonds profitieren kann. Dazu kommt aber auch, dass vor allem die CDU den Betrieb klassischer Kraftwerke verlängern dürfte, um eine günstige Grundlast zu schaffen. Das ist eigentlich ein Geschäftsbereich, der bei RWE auf der Verkaufsliste steht, der aber beim Thema günstiger Industriestrom länger Deckungsbeiträge abwerfen kann, als Investoren das bisher auf der Rechnung haben.
Der 100-Tage-Bauturbo
Die Koalition zielt auch auf den Wohnungsmarkt. In den ersten 100 Tagen soll ein Bauturbo für den Wohnungsbau gezündet werden. Heißt: Es wird für Bauträger Garantien für geringere Finanzierungskosten geben. Gleichzeitig versprechen die Entwürfe eine Verschlankung der Genehmigungs- und Bauregularien. Letztlich hält man auch an der energetischen Sanierung und den entsprechenden Förderungen fest, der Klimafonds lässt grüßen. Das ist sicherlich eine gute Nachricht für Vonovia. Deutschlands größter Wohnungskonzern hat seine Bauträgertätigkeit bei hohen Zinsen und steigenden Materialkosten stark zurückgefahren, dürfte nun aber die Chance nutzen, um den eigenen Bestand auszuweiten. Gleichzeitig bieten geförderte Sanierungen die Möglichkeit, die Mieteinnahmen über die normalen Anpassungen hinaus kontinuierlich zu erhöhen. Die Aktie handelt deutlich unter dem sogenannten Nettovermögenswert, hat somit sogar auch eine defensive Komponente.
Mehr Auslastung bringt Marge
Wenn gebaut, modernisiert oder saniert werden soll, kommen Baustoffe zum Einsatz. Heidelberg Materials ist einer der größten Baustofferzeuger der Welt. Das Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren neu aufgestellt. Zum einen wurde der CO₂-Fußabdruck reduziert, zum anderen aber auch die regionale Aufstellung gestrafft. Die Badener sind weltweit vertreten, weshalb auf den ersten Blick bessere Geschäfte in Deutschland die Nadel nicht wirklich stark bewegen würden.
Allerdings berücksichtigt der erste Eindruck die Ökonomie des Geschäfts nicht richtig. Zementwerke sind lokal ausgerichtet, weil der Transport teuer ist. Gleichzeitig gibt es einen sehr hohen Fixkostenblock. Bei geringerer Auslastung werden die hohen Rohmargen von den Fixkosten schnell aufgezehrt. Und das ist im Moment bei dem Konzern der Fall, die Auslastungen der Werke ist tief. Wenn nun aber die Nachfrage in Deutschland durch die Infrastrukturmaßnahmen für Straßen und Brücken sowie den Wohnungsbau anziehen, verbessert sich die Auslastung mit einem entsprechenden Gewinnhebel. Das heißt: Vielleicht sieht man das Strukturpaket bei den Erlösen etwas weniger stark, bei den Gewinnen, die Börsianer ja vor allem interessieren, würde man dies deutlicher spüren.

Übrigens: Dieser Artikel erschien zuerst in der neuen Print-Ausgabe von BÖRSE ONLINE. Diese finden Sie hier
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