Daimler-Chef Dieter Zetsche hat lange Zeit arge Prügel gekriegt. Die Marke mit dem Stern sei im Premium-Segment gegenüber BMW und Audi ins Hintertreffen geraten, mäkelten Investoren immer lauter und forderten unverhohlen Konsequenzen. Zetsche müsse seinen Doppeljob als Konzernboss und Chef der Pkw-Sparte aufgeben und einen anderen ans Steuer der Mercedes Car Group lassen, hieß es in den vergangenen Jahren immer wieder.

Rechtzeitig zur Daimler-Hauptversammlung in Berlin an diesem Mittwoch (8.4.2014) kochen Vertreter großer Fondsgesellschaften die Kritik an Zetsche wieder auf: "Wir sehen seine Doppelrolle sehr skeptisch", zitierte am Wochenende die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung etwa Stefan Bauknecht, Manager der Fondsgesellschaft DWS. In dieselbe Kerbe hieb auch Ingo Speich von Union Investment: Man sehe es kritisch, dass Zetsche als Daimler CEO und Leiter der Mercedes-Benz Cars "gleich zwei Schlüsselfunktionen" innehabe.

Automobiles Selbstverständnis

Die Kritik an Dr. Z mag lange nachvollziehbar gewesen sein, auch wenn Zetsche nicht für alles die Verantwortung trug. Denn der Konzern hatte jahrelang an den finanziellen Folgen der völlig vermurksten Chrysler-Übernahme zu kämpfen. Der von Zetsches Vorgänger Jürgen Schrempp zur Hochzeit im Himmel verklärte Deal erwies sich als Milliardengrab.

Zudem bremste der von seiner eigenen Größe beseelte Schrempp die Kernmarke Mercedes-Benz auch noch bei der überfälligen Neupositionierung, einer moderneren und frischeren Design-Sprache und der Entwicklung eines Baukastensystems - mit weitreichenden Folgen. Erst mussten die als bieder verspotteten Schwaben BMW vorbei ziehen lassen. 2012 wurden sie auch noch von Audi abgekocht. Und mindestens genau so schlimm: Auch bei der operativen Marge hinken die Schwaben den beiden Erzrivalen seit einiger Zeit hinterher. Das zehrt am automobilen Selbstverständnis der erfolgsverwöhnten Schwaben ("Das Beste oder nichts").

Doch inzwischen wendet sich das Blatt - auch dank Zetsche. Unter seiner Ägide leitete Mercedes-Benz die größte Modelloffensive seiner Geschichte ein. Nach der Markteinführung der neuen S-Klasse hat der Konzern die E-Klasse aufgehübscht. Seit Mitte März ist zudem die neue C-Klasse am Start. Dazu kommen mit der neuen Kompakt-Plattform um den SUV GLA, dem CLA oder der A-Klasse völlig neue Baureihen.

Der Angriff in der automobilen Premium-Klasse greift. Getragen von der E- und S-Klasse legte der Absatz im ersten Quartal um 15,2 Prozent auf knapp 374.300 Fahrzeuge zu, meldete der Konzern am Freitag (4.4.2014). "Wir verzeichnen das absatzstärkste erste Quartal der Unternehmensgeschichte", jubelte Mercedes-Benz-Vertriebsvorstand Ola Källenius via Pressemitteilung.

Auch beim Ergebnis zeigt der Trend in die richtige Richtung. Zwar liegen die Zahlen zum ersten Quartal noch nicht vor. Aber mit Margen von 7,8 und 8,0 Prozent im dritten bzw. vierten Quartal des Vorjahres haben die Stuttgarter schon mal erahnen lassen, welche Größenordnung im laufenden Jahr drin ist. Neben steigenden Absatzzahlen greift auch die Plattformstrategie sowie weitere Einsparmaßnahmen im Konzern. Alleine in der von Zetsche geführten Pkw-Sparte dürften die Kosten im laufenden Jahr um "600 bis 800 Millionen Euro sinken", erklärte Daimler-Finanzchef Bodo Uebber unlängst im Interview mit BÖRSE ONLINE.

Was Wunder, dass die Rückendeckung für Dr. Z wächst: "Zetsche aus der Führung von Mercedes-Benz Cars zu lassen, halte ich für das völlig falsche Signal", urteilt etwa Prof. Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive der Fachhochschule Bergisch-Gladbach. So lange es so läuft, wie derzeit, gibt es für eine Ablösung Zetsche keinen Grund.

Einschätzung der Redaktion

Bei Daimler stehen derzeit praktsich alle Ampeln auf grün. Die Produktoffensive greift. Auch beim operativen Ergebnis kommt der Konzern voran. Analysten trauen der Pkw-Sparte rund acht Prozent zu nach 6,5 Prozent im Vorjahr. Die Aktie kämpft derzeit mit dem Widerstand bei 71,10 Euro. Langfristig orientierte Anleger positionieren sich schon jetzt. Kursziel: 81 Euro. Kaufen.